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strafplanet erde: das müll-reise-set von DIETRICH ZUR NEDDEN

Urlaubsreisen sollte man klugerweise denen überlassen, die sie gern unternehmen. Solange die Laufzeit ihrer Videos, solange die übers Netz verschickten Datenmengen an Fotomaterial in einem vernünftigen Rahmen bleiben – meinetwegen.

Man selbst kommt ja meistens nur bis zum nächsten Supermarkt, um sich, sonst eher selten nach Sonderangeboten spickend, massiv mit den beiden einzudecken, die morgens in der Zeitung inseriert waren. Stand ich also an der Kasse mit zwanzig Tafeln Milka und drei Flaschen Veterano und wusste in diesem Augenblick, dass ich das Bild eines hässlichen deutschen Otterngezüchts abgebe, das, um ein paar Cent zu sparen, sich nicht entblödet, mit drei Tafeln Milka und zwanzig Flaschen Veterano an der Supermarktkasse zu stehen. Nach dem Biep des Scanners leuchteten auf dem Display höhere als die annoncierten Preise, und ich zog als aufmerksamer Kunde Erkundigungen ein. Das Superschnäppchen galt erst von Montag an. Blieb es also bei dem Paar Schnürsenkel.

Nicht für die Wanderschuhe. Wir nahmen das Auto. Und wenn schon eine Reise in eigener Sache sein muss, und sei es nur für einen Tag, dann wird auch der Unwilligste anschließend nach der Melodie „Wes das Hertz vol ist, des gehet der Mund vber“ litaneien.

Es war also an einem Sonntag. Mal regnete es sachte, mal mit orkanartiger Gewalt. Wäre Niedersachsen ein Staat der USA, würde die überwältigende Selbstironie seiner Bürger „The Sunny State“ als Beinamen aufs Nummernschild drucken lassen. Die Wischblätter taten ihr Möglichstes, wie dem parallelen Gequietsche zu entnehmen war, das sie machten, wenn sie über die Frontscheibe ächzten. „Aber genug der impressionistischen Beschreibungen“, sagte ich schnörkelig zu den Mitfahrern, „dringlicher scheint mir, Kraftstoff zu kaufen.“

Gesagt, getan, getankt. Nebendran warb die Raststätte für Schnitzel vom Jäger und vom Zigeuner, die wirklich unsterblichsten der unsterblichen Lieferanten der deutschen Speisekarte. Wir setzten uns, bestellten und einer erzählte von seiner neuen Geschäftsidee, dem MRS, dem Müll-Reise-Set: „Ein handlicher Bausatz bestehend aus Bio-Boy, Gelbem Sack, Restmülltonne und Altpapiercontainer, circa 30 Zentimeter hoch mit Griff.“ Das MRS würden Touristen für Reisen in Länder erwerben, „denen der Müll einfach nicht so ans Herz gewachsen ist wie uns Deutschen“. Sie könnten es morgens mit in den Frühstücksraum nehmen und auf ihrem Tisch platzieren. „Der Tag beginnt für die anderen mit einer schreienden Anklage und anschließender demutsvoller Geste und für den deutschen Touristen mit dem guten Gefühl, seine Lauterkeit überallhin in die Welt zu tragen.“ Und wenn er dann nicht wüsste, wohin damit, dann „schmeißt er es halt in die Gegend“, was dann auch eine befreiende, quasi therapeutische Wirkung habe.

Begeistert von der Idee entschlossen wir uns zur Umkehr. Die Reise war zu Ende, aber ein innovatives Start-up-Unternehmen für unser in Depressionen versinkendes Land gewonnen.

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