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Jetzt entlässt die Gewerkschaft

Der „Aufsichtsrat“ der Arbeitnehmerkammer segnete gestern fast einhellig die sozialverträgliche Streichung von 80 Stellen ab. Die Kammer will sich um die Ausbildung besonders benachteiligter Jugendlicher ab 2007 nicht mehr kümmern

„Sowas kennt man von Daimler und Siemens“, schimpfte gestern Karl-Hermann Stavinsky, Betriebsrat bei der Arbeitnehmerkammer. Der Aufsichtsrat der Kammer, hier „Vollversammlung“ genannt, tagte und hatte eine Beschlussvorlage auf dem Tisch, nach der 80 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen. „Und das soll unser Vorbild sein? Arbeitnehmerkammer?“, polemisierte Stavinsky. Er war stocksauer, denn seine „Bosse“, die gesammelten Gewerkschaftsvertreter, hatten die Betroffenen kurzfristig mit dem Schließungs-Konzept überrascht. Warum hat es vorher keine gemeinsame Beratung gegeben, fragte er.

Der Austausch der Argumente gestern war nur noch rein formal, das Ergebnis vorher festgeklopft: Bis auf zwei Enthaltungen und drei Gegenstimmen stimmte das oberste Gremium der Arbeitnehmerkammer der Absicht zu, die Ausbildung besonders benachteiligter Jugendlicher einzustellen. Weit mehr als 400 Menschen, die in den normalen Ausbildungsinstitutionen keine Chance haben und im Bildungssystem als hoffnungslose Fälle ausgeschieden wurden, machen bei der „Wirtschafts- und Sozialakademie“ (Wisoak) und dem „Arbeiter-Bildungs-Centrum“ (ABC) eine Ausbildung. Die Kammer-Vertreter beschlossen gestern, diesen Bereich bis 2007 ganz aufzugeben. Ob es für die benachteiligten Jugendlichen eventuell irgend einen anderen Träger gibt, der dann die Kurse anbieten würde, wusste gestern niemand zu sagen. Kammer-Geschäftsführer Hans Endl versicherte den betroffenen Mitarbeitern nur: „Wir werden alles daran setzen, da können Sie uns beim Wort nehmen, die Stellen sozialverträglich abzubauen.“

Den Betroffenen war die Schließung nicht plausibel zu machen, zumal der Weiterbildungsbereich deutlich mehr Zuschüsse der Kammer verschlingt als der Jugend-Ausbildungsbereich.

Kammer-Hauptgeschäftsführer Heinz Möller argumentierte grundsätzlich: Die Jugend-Ausbildung sei in den neuen Statuten nicht mehr als Aufgabe der Kammer vorgesehen. Die Kammer müsse ihre finanziellen Mittel auf die Bereiche konzentrieren, die zu ihren Kernaufgaben gehöre.

Die Gewerkschafter im Kammer-Aufsichtsrat beteiligten sich erstaunlich wenig an der Diskussion. Viele schienen die Faust in der Tasche zu ballen und stimmten dann – wie die DGB-Vorsitzende Helga Ziegert – dem Stellenabbau zu.

Der Geschäftsführer des Arbeiter-Bildungs-Centrums, Peter Fließhardt, wird seine Position in den nächsten Monaten aufgeben. Er hat darum gebeten, in sein früheres Arbeitsgebiet (Steuer- und Finanzpolitik) bei der Kammer zurückkehren zu können. Als Geschäftsführer müsse er die Beschlüsse der Kammer vertreten, erklärte er. Die Kammervertreter haben gestern gleichzeitig beschlossen , dass die beiden Weiterbildungs-Töchter „ABC“ und „Wisoak“ verschmolzen werden sollen. K.W.

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