: Ein „Ring, sie zu knechten“ für 1.500 Euro
Vor Weihnachten rollt die Merchandising-Welle zum Herrn der Ringe und zu Harry Potter noch mächtiger an als im Vorjahr
Gibt es bessere Kaufargumente als den Satz: „Die weiße ergonomisch gestaltete Slim-Tastatur trägt das Harry-Potter-Logo und verfügt über eine Handballenauflage mit einer Abbildung des Schnatz“? Wer dennoch glaubt, eine Tastatur sei eventuell doch nicht das optimale Weihnachtsgeschenk, dem sei die Ringgeist-Spardose anempfohlen. Die wird mit dem schönen Slogan beworben: „Wenn man diese Spardose füllt, lässt sie das furchteinflößende Zischen der Nazgul vernehmen.“
Harry Potter und der Herr der Ringe, die Kino-Blockbuster der Adventszeit im vergangenen, im jetzigen und mindestens auch im künftigen Jahr haben noch einmal neue Maßstäbe gesetzt, was Merchandising – die Vermarktung von Kaffeebechern, Boxershorts und Schlüsselanhängern – anbetrifft. Wer mag, kann sich den Hausstand nahezu komplett von den Beutlins und Slytherins ausstatten lassen, ein kleiner Streifzug durch die Welt der Elben, Zauberer und Neckermänner. Hier ist zu schweigen von Büchern, Postern, Soundtracks. Auch von PC- oder Brettspielen, die sich direkt oder entfernt mit dem Potter- oder Gandalf-Logo schmücken. Ihre Zahl ist ohnehin Legion. Der Blick geht vielmehr auf die wirklich wichtigen Dinge. Die Utensilien, die einen Enterprise-Freund zum Trekkie, einen Potter-Leser zum Muggle und einen Tolkien-Adepten zum Hobbit werden lassen. Die Dinge, die den Unterschied machen.
Das geht bei den Kleinkonsumenten los. Harry Potter und die Preise des Schreckens: Das Lego-Hogwarts für 99,99 Euro. Eine Lego-Unternehmenssprecherin hat mitgeteilt, dass ihr Hogwarts mittlerweile das „bestverkaufte Lego-Spielzeug aller Zeiten“ sei. Der Harry-Potter-Mantel ist für 45,90 Euro zu haben, das Geheime Tagebuch für 9,95. Und so fort. Mit schmalerem Salär lobt man sich den Filzhut, der zwar tatsächlich so ausschaut, als schmücke er allerhöchstens blutige Zauberlehrlingsanfänger aus der Dilettantenschmiede Hufflepuff, aber geschenkpflichtige Eltern kommen dafür mit 6,08 Euro glimpflich davon. Das Harry-Potter-Outfit-Set für 25,90 Euro umfasst Brille, Zauberstab, ganz klar, aber rätselhafterweise auch Tatoos. Von dem Verschenken von Schnee-Eulen wird von namhaften Tierschützern bekanntlich abgeraten.
Aber alles irgendwie Kinderkram, Fingerübungen der Merchandiser fürs kleine Publikum. Erst der Herr der Ringe bringt es zu wahrer Meisterschaft. Das Groschengrab heißt Mittelerde. In Mordor und Rohan gelten Gesetze wie „Geiz ist geil“ nicht mehr, alle Sinne werden angesprochen. Raucher? Hier gibt es Bilbos Pfeife, denn „kaum ein Buch propagiert das Pfeiferauchen so stark wie Tolkiens Herr der Ringe“, propagiert der Handel: „Nach monatelanger Entwicklung“ sei diese Pfeife entstanden, die „auch ohne Special Effect rauchbar“ sei. 37 Zentimeter für 199 Euro. Wer die Pfeife aus der Hand gelegt und die Armbanduhr „Schwarzer Reiter“ abgestreift hat, schlüpft in die Bettwäsche „Frodo Feinbiber“. Im Regal stehen der Gollum-Kelch und die von der „Buchstütze in Form der Argonath“ gehaltene Sonder-Edition. Scharmützel mit dem Nachbarn werden mit den „offiziellen Filmschwertern Narsil und Glamdring“ geregelt. Hoch im Kurs stehen auch Legolas-T-Shirts. Denn Legolas ist der David Beckham der Kinoverfilmung, der zum Teenie-Schwarm aufgebaut wird, weil Hobbits und Zwerge als Boygroup nicht recht taugen wollen. Legolas mit Pfeil und Bogen. Legolas der Elb. Legolas im Kampf. Die T-Shirt Variante “Moria-Orks“ spricht dagegen eher die Gruftie-Fraktion an. Damit auch keine Zielgruppe ungeschoren davon kommt.
Und über allem schwebt selbstverständlich der Ring, Der EINE Ring, wie immer wieder gern betont wird. Den es in seiner Einmaligkeit denn auch in allen Variationen und Preiskategorien gibt. Den EINEN Ring für 214 Euro, den EINEN Ring für 495 Euro, den EINEN Ring für 1.500 Euro. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.
Die Rechte für die Herr-der-Ringe-Accessoires liegen bei der Osnabrücker Firma Sunburst, die auf einen Umsatz von 6,5 Millionen Euro „im Vermarktungszeitraum“ hofft. Ob die Merchandising-Welle allerdings tatsächlich über dem geneigten Publikum zusammenschlägt, ist in der Branche reichlich unsicher. Nach dem Hype vor einem Jahr in Sachen Potter war die Nachfrage nach den Merchandising-Produkten stark abgeebbt, nachdem der Film aus den Kinos verschwunden war. Die Buchhändler saßen im Frühsommer auf Restposten fest, Produkte landeten in 55-Cent-Shops, Billigimporte aus Nachbarländern gaben dem Markt den Rest.
Dabei hatte der Kieler Achterbahn-Verlag Hoffnungen auf Millionenumsätze gehegt, als er sich im Vorjahr die Rechte an den Harry-Potter-Produkten gesichert hatte und seine Aktie daraufhin an der Börse noch mal steil nach oben geklettert war. Aber wie es im Namen der Firma angelegt ist, folgte dem Merchandising-Deal die große Talfahrt. Der Eichborn-Verlag, der gemeinsam mit Achterbahn die Rechte vermarktet, musste am Ende des Geschäftsjahres ernüchtert feststellen, dass statt der erwarteten 15 Millionen Euro Gewinn lediglich 200.000 Euro Verlust zu Buche standen. Der Verlag hat inzwischen Insolvenz angemeldet und begründet dies explizit mit den Verlusten bei der Potter-Vermarktung. Die Herr-der-Ringe-Vermarkter sind da optimistischer. Hier ist die Zielgruppe älter, die Merchandising-Palette breiter gestreut. Ein Einbruch wie bei Potter wird zumindest in der Branche nicht erwartet.
Doch wer sich bei dem Versuch, vom großen Boom zu profitieren, seine Schrammen abgeholt hat, kann sich mit Harry-Potter-Pflaster der Firma Beiersdorf trösten.
Peter Ahrens
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