Kommentar Papstbesuch: Der Papst, der nichts zu sagen hat
Der Papst spricht Mahnungen aus, die niemandem wehtun: anachronistischer Kitsch. Seine Chance, ernsthaft zu den Leuten zu sprechen, nutzt er nicht.
D er Papst spricht im Bundestag. Für die umstrittene Einladung bedankt sich das Oberhaupt der Katholiken gemessenen Wortes und stellt umgehend klar: Er stehe hier als "Papst, als Bischof von Rom". Einige Politiker hatten die Rede des Kirchenmannes damit zu rechtfertigen gesucht, dass der Papst schließlich auch einen Staat vertrete, nämlich den Vatikan. Solche rhetorischen Schildbürgerstreiche lehnt Benedikt der XVI. ab. Und dann?
Dann schwurbelt der alte Mann über den Unterschied zwischen positivem Recht und Naturrecht. Die Kernaussage lautet: Der Mensch ist nicht vom Menschen gemacht, sondern von Gott, und wer diese Hierarchie nicht anerkennt, der vermag zwischen Gut und Böse nicht zu unterscheiden. Der kann nicht Recht sprechen.
So weit, so handzahm. Dass der mächtigste Glaubensvertreter Gott für die höchste Instanz hält und sich für die höchste Vertretung derselben, daran ist nichts Überraschendes, Provokantes, gar Wegweisendes. Irgendwo im philosophischen Selbstgespräch stellt der Papst noch fest, Europa dürfe nicht auf materielle Werte reduziert werden, das würdige die christliche Kultur zur "Subkultur" herab. Dass er die nicht schätzt und ein multireligiöses Europa ebenso wenig Gnade bei ihm findet - auch das im Westen nichts Neues.
Warum aber tun sich die Parlamentarier das Wortgeklimper aus einer Denke an, in der niemand Gefahr läuft, auf die Worte "Euro", "Krise", "Missbrauch", "Multikulturalität" und "Internet" zu treffen? Sie sagen zwar, sie hätten Fragen an den Papst. Aber offenbar tut es ihnen gut, dass es bei dieser Rede nicht schlimm ist, wenn sie etwas nicht verstehen: Wer verlangt schon von Politikern Kenntnis in Sachen Metaphysik?
Der Papst, der Massen anzieht, das zeigt auch seine ambitionslose Rede im Reichstag, zieht Massen an, weil er sie in eine Welt einhüllt, in der Autoritäten Mahnungen aussprechen, die niemandem wehtun. Anachronistischer Kitsch, so ein bisschen Adventskranz ist schließlich kein Verbrechen.
Aber warum nutzt Ratzinger die Chance nicht, in verständlichen Worten ernsthaft zu den Leuten zu sprechen? Weil ihm das Event reicht, weil es ihm gar nicht um die Vermittlung von klerikalen Überzeugungen geht, sondern um den Auftritt an prominenten Orten. Die Protestierenden haben recht, diese Eventisierung der Demokratie zum Problem zu erklären.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten