Schwimmverbot wegen T-Shirt-Spruch: Baden, bis die Ärzte kommen
Ein Student wird in Berlin aus dem Strandbad Tegel geschmissen, weil er ein T-Shirt der Band Die Ärzte mit einem Spruch gegen Nazis trägt.
Eigentlich wollte sich Florian Schuster nur eine Portion Pommes holen. Am Montag stand er vor dem Imbiss im Strandbad Tegel und trug ein T-Shirt der Berliner Band Die Ärzte, auf dem eine Liedzeile abgedruckt ist: "Scheint die Sonne auch für Nazis? Wenns nach mir geht, tut sies nicht". Pech für den 23-jährigen Studenten, dessen wahrer Name der Redaktion bekannt ist: Er wurde vom Geschäftsführer bedient, Dirk Michehl. Und dem gefiel das T-Shirt nicht. Schuster musste das Bad verlassen.
"Wir dulden hier keine extremistischen Äußerungen", erklärte Michehl der taz. Er ist der Pächter des Strandbads Tegel, das den landeseigenen Berliner Bäderbetrieben gehört. Nachdem er das T-Shirt gesehen habe, habe er den Besucher vor die Wahl gestellt: ausziehen, umdrehen - oder gehen. Laut Schuster war der Geschäftsführer dabei ziemlich unfreundlich und aggressiv und bezeichnete ihn als "dumm".
Michehl betont, er sorge sich um den Ruf seines Freibads. "Wir unterbinden alles, was ein schlechtes Licht auf uns werfen könnte." Dazu gehöre auch der Anti-Nazi-Spruch: "Solche Tendenzen wollen wir in unserem Familienbad gar nicht aufkommen lassen. In Kreuzberg steht so ein Spruch an jeder zweiten Wand." Michehl zieht einen gewagten Vergleich: Genauso wie er "Extremisten" vom Bad fernhalten wolle, möchte er auch keine Pädophilen als Gäste begrüßen - deswegen verbiete er, dass Kinder nackt herumliefen.
Das Verhalten des Geschäftsführers stößt nicht nur beim Betroffenen auf Kritik. Die Berliner Bäderbetriebe als Eigentümer erklärten der taz: "Würden wir das Bad betreiben, hätte der Gast nicht gehen müssen", so Sprecher Matthias Oloew. Sie würden nur einschreiten, wenn sich ein Besucher verfassungsfeindlich äußere, dann werde die Polizei gerufen. "Dieses T-Shirt ist jedoch eindeutig nicht verfassungsfeindlich", findet Oloew. Direkten Einfluss können die Bäderbetriebe allerdings nicht nehmen, das Hausrecht übt Michehl aus. Die Bäderbetriebe nehmen den Vorfall jetzt allerdings zum Anlass, ein Gespräch mit dem Pächter zu führen: "Wir wollen klarstellen, dass das T-Shirt kein Aufruf zum Straßenkampf ist." So sieht das auch Sportsenator Ehrhart Körting (SPD). "Der Sachverhalt stellt aus unserer Sicht keine Grundlage für ein Hausverbot dar", sagte seine Sprecherin Nicola Rothermel.
Schuster hat sich wegen des Vorfalls an die taz gewandt, weil er es nicht fassen konnte, dass jemand einen solchen T-Shirt-Spruch für "extremistisch" hält. "Gegen Nazis zu sein ist doch wohl gesellschaftlicher Konsens." Laut dem Studenten war Michehl auch der Einzige im Strandbad, der sich an dem T-Shirt gestört habe. Vermutlich ist er auch der Einzige, der Die Ärzte nicht kennt. Sich selbst als "Beste Band der Welt" bezeichnend, haben sie erst im vorigen Jahr sechsmal in der ausverkauften Wuhlheide gespielt. Allein in Berlin dürften Tausende mit dem inkriminierten T-Shirt herumlaufen.
Florian jedenfalls geht demnächst woanders schwimmen: am "Arbeiterstrand" in Tegel. Auch seine Freunde wollen das Strandbad boykottieren.
T-SHIRT-SPRUCH
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