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Nächste Woche erscheint das Debüt des in Hamburg lebenden Songwriters Finn; gefeiert wird am Sonnabend in der Astra-StubeMelodien, wie sie Proust gefielen

Die ungewöhnlich hohen Temperaturen der vergangenen Wochen laden neben täglichen Ausflügen an erfrischend kühle Gewässer auch zum Nachdenken ein – über Fragen, die sich nur in schlaflosen Sommernächten stellen. Eine Frage etwa, die sich so mancher Verehrer der literarischen Moderne sicher schon gestellt hat, ist, welche Musik wohl Marcel Proust hören würde, könnte er an unserer Gegenwart über den Strom der Zeit hinweg weiterhin teilnehmen?

Das in den nächsten Tagen erscheinende Album Expose Yourself To Lower Education des in Hamburg lebenden Finn gefiele dem Großmeister uferloser Syntax mit Sicherheit. Die dort versammelten Melodien erinnern in ihrer sanften Zurückgenommenheit geradezu unwillkürlich an den im Schatten junger Mädchenblüte über Weißdornbüsche und Vergänglichkeit meditierenden Erzähler der Proust‘schen Recherche.

Eine zerbrechlich entrückte Kopfstimme, die von elektronischen Streichersounds, vorsichtig tastenden Beats und den leise gedämpften Klängen einer akustischen Gitarre untermalt wird, geleitet den Hörer durch zart hingehauchte Songs, die ihn in eine Situation versetzen, wie sie Prousts Erzähler beschreibt, als er sich durch die gleichzeitige Wahrnehmung künstlicher und natürlicher Geräusche außerhalb der Zeit zu befinden scheint. Finn unternimmt in seinen ständig vom Zerfall bedrohten Stücken einen Spaziergang durch die Gefilde einer in ihren Gefühlen ertrinkenden Seele – ohne auch nur eine Sekunde in die Nähe aufgesetzter Sentimentalität zu geraten. An den basso continuo in Prousts epischer Kontemplation anknüpfend, geht es ihm vielmehr um die Schilderung einer in Schlaflosigkeit mündender Melancholie, deren Ursache in einer uns allen vertrauten Weltmüdigkeit besteht. „Everybody look so tired again“ heißt es ganz treffend in dem Song „Like A Radio Antenna“, in dem der Blick auf die anderen letztlich kaum anderes als eine Metapher für die eigene Verlorenheit darstellt.

Patrick Zimmer, dem jungen Mann hinter Finn und ehemaligem Gitarristen bei Kyoto, ist es gelungen, dieser besonderen Form der Melancholie gerade durch die zurückhaltende Atmosphäre seiner Stücke eine Intensität zu verleihen, die einen oft vernachlässigten Grundsatz bestätigt: dass nämlich wirklicher Kunst neben der Schönheit auch ein gewisser Akzent der Fremdartigkeit eigen sein sollte. Letzterer weckt beim Hören von Expose Yourself To Lower Education durch die verwendeten Harmonien und die mitunter unerwartet abbrechenden Klangskulpturen Assoziationen etwa zu OK Computer von Radiohead oder Jim O‘Rourkes Halfway To A Threeway.

Das Erscheinen des Albums von Finn, das nach Künnecke & Smukals selbst betiteltem Debüt (und vor dem anstehenden nächsten Jullander-Album) die zweite Veröffentlichung des Hamburger Labels Sunday Service ist, wird am Sonnabend in der Astra-Stube mit einer Release-Party gefeiert. Ob Finns Art modernen Songwritings auch für einen Live-Auftritt – vor allzu mitteilungsfreudigen Publikum – geeignet ist, wird sich zeigen, aber das Mitnehmen eines Päckchens Madelaine-Gebäck sollte jedem Besucher den Genuss an der Veranstaltung erleichtern. MATTHIAS SEEBERG

Sonnabend, 22 Uhr, Astra-Stube

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