Öffentlich-Private Partnerschaften: Satzungsgemäßes Schmarotzertum
Politiker und Initiativen fordern die Auflösung der Öffentlich-Privaten Beratungsgesellschaft ÖPP Deutschland AG. Vorausgegangen war ein "taz"-Bericht.
BERLIN taz | Anton Hofreiter, Grüner im Bundestagsausschuss Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, beschäftigt sich seit Jahren mit Projekten von sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP). Nach einem Bericht der taz vom Wochenende über die Verflechtungen der ÖPP Deutschland AG hält er die Rechtskonstruktion der Aktiengesellschaft für nicht mehr tragbar. Er forderte eine "neutrale Beratung" und die Gründung einer rein öffentlichen Beratungsgesellschaft.
Recherchen der taz hatten offengelegt, dass die öffentlich-private Gesellschaft maßgeblich von Bankern der Deutschen Bank und von McKinsey-Beratern konzipiert und initiiert worden war. Mit "maßgeschneidertem Auftrag und Struktur", wie es in einem Strategiepapier der Deutschen Bank heißt. Anteile an der ÖPP Deutschland AG halten auch jene Firmen, die von Öffentlich-Privaten Partnerschaften profitieren: Banken, Berater und Baukonzerne.
Das damals SPD-geführte Bundesfinanzministerium hatte die ÖPP Deutschland AG 2007 nach der Blaupause ebendieser Berater aus der Taufe gehoben, deren Klienten davon profitieren. Auch das nun CDU-geführte Bundesfinanzministerium hält die Arbeit der ÖPP Deutschland AG für "unabhängig".
Vorstand der ÖPP Deutschland AG ist Bernward Kulle. Bis er im Januar 2012 dorthin wechselte, war Kulle Vorstandsmitglied der Hochtief Concessions AG. Der Konzern verdient im Geschäft mit öffentlich-privaten Partnerschaften viel Geld. Kulle, heißt es im Ministerium auf taz-Anfrage, habe seine Mitarbeit bei Hochtief Consessions "vor seiner Bestellung zum Vorstand der PDG [die frühere ÖPP, d. Red.] ordnungsgemäß beendet".
Satzungsgemäß und doch "Schmarotzertum"
Das Ministerium verweist auf die Satzung, die festlegt, dass dem Vorstand der ÖPP Deutschland keine Mitarbeiter oder Organträger ihrer Gesellschafter angehören dürfen. Von ehemaligen Vorstandsmitgliedern oder Mitarbeitern ist in der Satzung jedoch nicht die Rede.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, fordert, dass "die ÖPP Deutschland AG unverzüglich aufgelöst und stattdessen eine Agentur zur Förderung interkommunaler Zusammenarbeit gegründet wird". Es handele sich um "korruptes Schmarotzertum auf Kosten der Steuerzahler", so Wagenknecht.
Der Vorsitzende von Lobbycontrol, Ulrich Müller, forderte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), "die ÖPP Deutschland AG aufzulösen". Projekte Öffentlich-Privater Partnerschaften seien "eine Einladung für Lobbyismus zulasten der Bürgerinnen und Bürger".
Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, betonte, dass "klare Auftraggeber- und Auftragnehmerbeziehungen öffentlich-privater Partnerschaften aus Sicht der Korruptionsprävention eindeutig vorzuziehen" seien. Sie mahnte zudem eine "konsequente Anwendung der Karenzzeitregelung im öffentlichen Dienst für den Wechsel in Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes" an.
Auch in der SPD stoßen die Hintergründe zur Entstehung der ÖPP Deutschland AG auf Unverständnis. Michael Groß, Berichterstatter der SPD für das Thema Öffentlich-Privater Partnerschaften, zeigte sich überrascht über die Verwicklungen der Banken. Groß hält die öffentlich-private Konstruktion der ÖPP Deutschland AG für "problematisch und falsch, zumal ja die öffentliche Hand beraten wird". Angesichts der Intransparenz könne die Gesellschaft ihren Auftrag nicht erledigen.
Bislang beruft sich die Bundesregierung bei Anfragen zu konkreten Projekten auf das "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der ÖPP Deutschland AG". Dabei ist die Gesellschaft zu 57 Prozent im Besitz des Staates und soll denselben "unabhängig" bei Teilprivatisierungen beraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen