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Weiterer Selbstmordanschlag in Wolgograd14 Tote im Linienbus

Erst das Attentat im Bahnhof, nun ein Bombenanschlag auf einen Bus. 14 Menschen kamen am Montagmorgen im russischen Wolgograd ums Leben.

Der Bus war zum Zeitpunkt des Anschlags voll besetzt. Bild: ap

MOSKAU ap/dpa | Neuer Terroranschlag in Wolgograd: Einen Tag nach dem verheerenden Selbstmordattentat auf den Bahnhof der südrussischen Stadt hat eine weitere Bombe zehn Menschen in einem Bus in den Tod gerissen. Der Sprengsatz sei wahrscheinlich im Fahrgastraum abgelegt worden, erklärte das Nationale Anti-Terror-Komitee. Details nannte die Behörde zunächst nicht. Bei dem Terrorakt am Sonntag waren mindestens 17 Menschen getötet worden. Die Anschläge schüren Sicherheitsbedenken vor den Olympischen Winterspielen von Sotschi.

Russische Ermittler erklärten am Montag, dass der Anschlag das Werk eines Selbstmordattentäters war. Die sterblichen Überreste des Mannes seien am Anschlagsort entdeckt worden, teilte die Ermittlungsbehörde des Landes mit. Demnach gibt es außerdem Anhaltspunkte dafür, dass der Anschlag vom Montagmorgen sowie das Attentat vom Sonntag miteinander in Verbindung stehen.

Zu den Explosionen bekannte sich zunächst niemand. Doch hatte der tschetschenische Rebellenführer Doku Umarow im Juli dazu aufgerufen, die am 7. Februar beginnenden Spiele in Sotschi mit Anschlägen zu stoppen. Wolgograd ist rund 650 Kilometer nördlich des Austragungsorts. Bereits nach dem Anschlag vom Sonntag hatten die Behörden zusätzliche Sicherheitskräfte an Bahnhöfe und andere Verkehrsknotenpunkte im Land beordert.

Kremlchef Wladimir Putin beauftragte den Inlandsgeheimdienst FSB, sich in die Ermittlungen einzuschalten. Der Präsident habe sich dazu mit FSB-Chef Alexander Bortnikow beraten, teilte der Kreml mit. Putin traf sich auch mit Regierungschef Dmitri Medwedew. Beide Politiker bekräftigten, dass die Terrorakte nicht ungesühnt bleiben dürften.

In Russland kommt es seit Jahren immer wieder zu Terroranschlägen auf Busse, Züge und Flugzeuge, oftmals verübt von Selbstmordattentäterinnen. Erst im Oktober hatte sich eine Frau ebenfalls in einem Bus in Wolgograd in die Luft gesprengt und sechs Menschen mit in den Tod gerissen. Damals wurden rund 30 Menschen verletzt.

Im Süden Russlands gibt es zudem oft Attacken islamistischer Rebellen, die sich nach den beiden Tschetschenien-Kriegen in der Region ausgebreitet haben. Sie kämpfen dort für einen islamistischen Staat. Die Millionenstadt Wolgograd – früher Stalingrad – ist ein Verkehrsknotenpunkt und möglicherweise deshalb besonders anfällig als Ziel von Terroristen.

Etliche offene Fragen

Auch zu der Tat vom Sonntag bleiben noch etliche offene Fragen. So blieb bis zum späten Sonntagabend im Dunkeln, ob der Selbstmordanschlag von einem Mann oder einer Frau verübt wurde.

Der Sprengsatz sei vor einem Metalldetektor unmittelbar hinter dem Haupteingang des Bahnhofs zur Explosion gebracht worden, erklärten die Behörden. Die Ermittlungen dauerten noch an.

Die Bombe enthielt den Angaben zufolge rund zehn Kilogramm des Sprengstoffs TNT und war mit Granatsplittern versehen. Die Sicherheitskontrollen hätten eine noch höhere Zahl an Opfern verhindert, hieß es.

Die USA hatten bereits den ersten Anschlag verurteilt. In Washington erklärte das Außenministerium am Sonntagabend, die USA stünden in „Solidarität zum russischen Volk“.

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17 Kommentare

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  • Als die Stadt noch Stalingrad hieß, wäre sowas nicht passiert, da hätten die Terroristen gegen die Sicherheitsbehörden keine Chance gehabt.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Würde man immer den Dialog anstatt die Gewalt suchen, geschähe so etwas nicht. Die Hardliner dieser Welt sind für alles Unglück verantwortlich.

  • Deutsche Medien müssen lernen, nicht nur dann zu berichten, wenn es knallt.Denn letztendlich wird hierdurch Gewalttätern wie Umarov ein Forum gegeben und eine gewisse (wenn auch negative) Anerkennung zu Teil, wie sie anderen, friedlich ihre Rechte einfordernden nordkaukasischen Zivilisten, nicht gewährt wird. Wann geht hier die TAZ voran und berichtet von den tscherkessischen Protesten gegen Sotschi? Und auch über tschetschenische Zivilisten und deren jahrzehntelanges Leiden unter kriegerischer Gewalt, Rassismus und fortgesetzter politischer Verfolgung ließe sich einiges berichten. Mir gibt diese Art von Themenauswahl das Gefühl, daß sich die deutschen Medien - ähnlich der in den europäischen Nachbarländern - ihren Terrorismus förmlich herbeischreiben. Wie heißt es so schön beim griechischen Dichter K. Kavafis: "Und nun, was sollen wir ohne Barbaren tun?" - ohne Emirats-Barbaren wäre es nun wohl endgültig an der Reihe gewesen, ein westeuropäisches Publikum über den Völkermord an den Tscherkessen aufzuklären und eigene kolonialistische Standpunkte zu hinterfragen. Nun wird es eine weitere Runde von erhitzten Diskussionen über "Terrorgefahr" und die "Bedrohung des Westens" durch den Islam geben. Europa scheint seine Barbaren zu brauchen.

    • HB
      Harald B.
      @Irma Kreiten:

      Frau Kreiten,

      HIER geht es um einen barbarischen Terroranschlag von Islamisten gegen Unschuldige, die zufällig in dem Bus waren.

      Um diese OPFER und TÄTER geht es. Punkt.

      Wenn sie schon über Tschetschenen schrieben, dann bitte nicht vergessen, wieviele davon als Terrorkämpfer in aller Welt tätig sind, zuletzt in Syrien.

      • @Harald B.:

        Den Tscherkessen (Sie schreiben hier ausschließlich von Tschetschenen, bei Bedarf einfach mal "Tscherkessen" googeln) geht es um die Anerkennung von Massakern und Deportationen, kurz, einem kolonialen Völkermord und fortgesetzten Verletzungen ihrer Minderheiten-Rechte. Auch hier gab und gibt es Opfer und Täter. Ein Teil der tscherkessischen Opfer befindet sich im übrigen in Syrien, wo sie zwischen den Fronten des Bürgerkriegs aufgerieben werden. Einseitige Weltsichten mit ihrer schwarz-weiß-Einteilung wie die Ihre sind es, die zu Polarisierung zwischen den Völkern führen und damit auch zum Nährboden von Terrorismus beitragen.

        • HB
          Harald B.
          @Irma Kreiten:

          Frau Kreiten, Tscherkessische "Opfer" befinden sich in Syrien- ich würde die eher Terroristen nennen. Dieser Anschlag ist einer von vielen dieser Terroristen (einfach mal googeln)- kommen sie bitte nicht mit dem Geschwurbel von Minderheitenrechten, Anerkennung und Polarisierung.

          Tragen sie das auf einem Völkerkundekongress vor.

          HIER geht us um VERBRECHER und MÖRDER und um nichts anderes.

          • @Harald B.:

            Und aufgrund welcher Sachlagelage würden Sie die Tscherkessen in Syrien als "eher Terroristen" bezeichnen? Weil sie im 19. Jahrhundert ins Osmanische Reich deportiert wurden und seitdem versucht haben, als Minderheit möglichst unaufällig und staatstreu zu leben? Oder fehlt Ihnen auch hier das politische udn historische Hintergrundwissen? Interessant auch, das Sie das Anmahnen von Vergangenheitsaufarbeitung und der Aufarbeitung eines kolonialen Völkermordes, Kritik an institutionellen Rassismus und politischer Repression wie auch das Einfordern von Minderheitenrechten als "Geschwurbel" abtun. Das wirft ein nur allzu klares Licht auf Ihr Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Fragt sich, warum Sie dann auch noch glauben, sich hier über "Terrorismus" auslassen zu müssen.

          • T
            toddy
            @Harald B.:

            Zitat „Im 15. Jahrhundert wurden die kabardinischen Tscherkessen unter dem Einfluss der Krim-Tataren zum Islam bekehrt. Die Kabardiner verbreiteten ab dem 15. Jahrhundert bis zum 19. Jahrhundert den Islam unter den tscherkessischen Stämmen und benachbarten Völkern, der christliche und animistische Kulte allmählich zurückdrängte. ...Bis auf eine kleine Minderheit der kabardinischen Tscherkessen in der Umgebung der Stadt Mozdok, welche orthodoxe Christen sind, sind die meisten Tscherkessen sunnitische Muslime.“ - also friedliche, Demokratie bewundernde, und vor allem tolerante Menschen - da versteht man das Geschrei -aber warum macht man dann nicht so ein Gewese zb. Um die Abchasen ???...

            • @toddy:

              Und auch Ihre hier offenbar versuchte Gegenüberstellung von Abchasen und Tscherkessen ist fehlgeleitet. Sie haben nicht nur in Bezug auf die Kolonialgeschichte des 19. Jahrhunderts sehr viel gemeinsam, sondern auch in Bezug auf aktuelle politische Probleme wie auch deren Ignorieren im Westen. Wo würde hier Geschrei gemacht, um die Abchasen, die Tscherkessen?

              • T
                toddy
                @Irma Kreiten:

                spätestens dann wenn es zb mit Georgien gegen Russland und damit meint man eigentlich verklausuliert die SU (bzw der vermeintlichen Ideologie) geht...

                • @toddy:

                  Abchasen und Tscherkessen suchen verzweifelt nach Möglichkeiten zur Sicherung ihres kulturellen, politischen und sozialen Fortbestandes. Einzele opportunistisch gelagertere Segmente, die aber innerhalb der Tscherkessen ebenfalls eine Minderheit darstellen, versuchen dies mitunter auch einmal mit einer Kooperation mit Georgien (Anerkennung des Völkermords an den Tscherkessen durch das Georgische Parlament), obwohl auch dies im Grunde keine tscherkessisch-georgische Angelegenheit war, sondern eine CIA-Inszenierung und damit erneute Instrumentalisierung der Tscherkessen für imperialistische Interessen. Das ändert nichts an der sehr ähnlichen Lage von Tscherkessen und Abchasen, und hier von Geschrei zu sprechen angesichts des weitestgehenden Verschweigens selbst des Begriffs "Tscherkessen" in westlichen Medien, finde ich hier geradezu zynisch. Wenn Sie, wie ich etwa, etwas gegen die Instrumentalisierung von Minderheiten durch US-Interessengruppierungen haben, müssen Sie sich für die Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen einsetzen.

            • @toddy:

              Auch Ihre Informationen sind falsch. Bis zur Deportation der Tscherkessen aus dem Westkaukasus war dieser ein synkretistisches Gebiet, in dem der Islam nur einen relativ geringen Einfluß hatte. Im Ostkaukasus dagegen wurde der Islam im Zuge der russischen Kolonialisierung zum ideologischen Zugpferd des Widerstandes gegen eine säkularisierte Kreuzzugsmentalität auf europäischer Seite (Stichwort "griechisches Projekt" von Katharina der Großen, ehemals württembergische Prinzessin). Heute findet sich unter den Tscherkessen so ziemlich alles, säkular oder religiös, muslimisch, christlich, ja, sogar ältere tscherkessische Glaubenstraditionen leben noch fort, Atheisten, Kommunisten, Sozialisten, Nationalisten, Liberale, Demokraten...(nur Monarchisten sind mir nicht bekannt...) Insofern ist der Verweis auf den Islam als angeblich alles entscheidenden Faktor im Westkaukasus, wie er heute in (fast?) allen Presseberichten bemüht wird, wirklich völlig fehl am Platz.

              • T
                toddy
                @Irma Kreiten:

                na dann trauere ich um die SU als gleichberechtigten Vielvölkerstaat- die Infos sind im übrigen von wikipedia -aber wie sieht deren Sitauation in der Türkei aus?

                • @toddy:

                  Ja, mit der Gleichberechtigung der Völker in SU-Terminologie ist nicht mehr viel in der heutigen RF. Zu wiki: Selbst wenn die Infos nicht aus wikipedia gewesen wären, sondern aus der Feder sogenannter angesehener deutscher Historiker, so bürgt auch das nicht gerade für Exaktheit. Es wird generell ein Haufen Unsinn über den Westkaukasus verbreitet und uns als Expertenmeinung verkauft. Oft genug kann man hier schon froh sein, wenn die sogenannten Experten Tscherkessen und Tschetschenen auseinanderzuhalten wissen. Die Situation in der Türkei war für die Tscherkessen wie auch für andere Minderheiten alles andere als gut (Unterdrückung von Sprache und Kultur, allgemein Behinderung/Verbot des Ausdrucks einer gesonderten ethischen Identität). In den letzten Jahren sind allerdings erhebliche Verbesserungen eingetreten bzw. wurden diese erstritten. Es kann mittlerweile - ganz im Gegensatz zum Deutschland - zumindest im nichtakademischen Rahmen recht offen über den Völkermord an den Tscherkessen gesprochen werden. Soeben ist eine Sondernummer der Zeitschrift "Atlas" (in etwa türkisches Pendant zu GEO) zum 150. Jahr der tscherkessischen Tragödie erschienen. Türkische Universitäten und Schulen eröffnen neuerdings sogar Programme mit mutterprachlichem Unterricht. Eine Petition zur Ankerkennung des Völkermords an den Tscherkessen durch das türkische Parlament ist im Umlauf, wie auch eine Petition zur Einrichtung von Staatsfernsehen in tscherkessischer Sprache (nach Arabisch und Kurdisch).

                  • T
                    toddy
                    @Irma Kreiten:

                    Danke für die Infos bleibt nur die Frage an welcher Stelle sie auf diese Mißstände hinweisen, ein wenig Sensibilität wäre möglicherweise selbst Ihrem Anliegen förderlich.

                    • @toddy:

                      Das finde ich gelinde gesagt etwas absurd. Ich versuche seit Jahren, auf diese Mißstände hinzuweisen, wie auch darauf, daß die Polarisierung, die durch ihr Verschweigen und Vertuschen entsteht,in eine Gewaltspirale münden wird. Nun, da sich meine Befürchtungen bewahrheiten, diejenigen aber, die hartnäckig jahrelang geschwiegen und blockiert haben, nun scheinbar urplötzlich aus allen Wolken fallen, soll ich derern rassistisch verzerrte Darstellung von Nordkaukasiern als Terroristen klaglos hinnehmen? Was ist unsensibel daran, auf den schreienden Widerspruch zu verweisen zwischen der verächtlichen Behandlung ziviler Bewegungen, dem völligen Ignorieren der Opfer auf ziviler kaukasischer Seite und strutkureller Diskriminierung einerseits und dem sofortigen Anspringen unserer Medienmaschinerie auf einzelne terroristische Gewaltakte andererseits?

                      • @Irma Kreiten:

                        Wo, wenn nicht hier, soll der Ort sein, um auf das Wirken von Feindbildern, das völlig fehlende Differenzierungsvermögen in der deutschen Öffentlichkeit und eine unlautere politische Haltung im Westen, dem es zur Gewohnheit geworden ist, mit zweierlei Maß zu messen, hinzuweisen? Ich denke gar nicht daran, die sich nun überall ausbreitende Hetze a la PI unkommentiert hinzunehmen.