Von der Leyen distanziert sich: Ministerin gegen Bundeswehrmotiv
Die Verteidigungsministerin distanziert sich von dem Bundeswehrprinzip „Breite vor Tiefe“. Sie fordert mehr „Durchhaltetiefe“ der Truppe. Was heißt das nun?
BERLIN dpa | Angesichts der Ausrüstungsmisere der Bundeswehr verabschiedet sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von einem Leitmotiv der vor fünf Jahren eingeleiteten Streitkräftereform. In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Redaktion der Bundeswehr distanzierte sich die CDU-Politikerin von dem Prinzip „Breite vor Tiefe“, nach dem die Truppe alle militärischen Fähigkeiten haben soll, aber dafür alle auch nur in begrenztem Maße.
„Ich halte nichts von solchen Schlagworten“, sagte von der Leyen auf eine Frage nach dem Leitmotiv. Die Bundeswehr müsse für ihre führende Rolle bei Ausbildungsmissionen wie im Irak und Afghanistan oder für die schnelle Eingreiftruppe der Nato zwar immer „eine angemessene Breite“ an Fähigkeiten vorhalten. „Wir brauchen aber ebenso dringend bei einzelnen Schlüsselfähigkeiten mehr Durchhaltetiefe.“
Die Ministerin stellte unter anderem die von ihrem Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) festgelegten Obergrenzen für die großen Waffensysteme in Frage. „In einem ersten Schritt wollen wir zum Beispiel mit der Praxis Schluss machen, dass wir überschüssiges gutes Material, beispielsweise Leopard 2, abgeben oder verschrotten.“ De Maizière hatte eine Verringerung der Zahl der „Leopard 2“-Kampfpanzer von 350 auf 225 geplant. Auch für andere Waffensysteme hatte er 2011 Obergrenzen festgelegt.
Die Bundeswehrreform war von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) 2010 angestoßen und von de Maizière ausgearbeitet worden. Zu den Kernpunkten zählen neben dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ die Aussetzung der Wehrpflicht, die Reduzierung der Truppenstärke von ursprünglich 250.000 auf 185.000 Soldaten und ein neues Standortkonzept.
Bundeswehr multinationaler aufstellen
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ ist seit längerem umstritten. Es widerspricht dem Ziel von EU und Nato, dass sich die einzelnen Mitgliedstaaten stärker auf bestimmte Fähigkeiten konzentrieren, von denen dann alle profitieren können. Vor allem große europäische Nato-Mitglieder wie Frankreich und Großbritannien halten davon noch nicht besonders viel.
Von der Leyen hatte dagegen erst kürzlich für die Zukunftsvision einer europäischen Armee geworben. „Wir möchten die Bundeswehr in den kommenden Jahren deutlich multinationaler aufstellen“, sagte sie jetzt in dem Interview.
Die Ministerin will auch die Personalstruktur der Bundeswehrreform nachjustieren. Die Gesamtzahl der Soldaten soll zwar bleiben. „Wir werden uns aber sehr genau anschauen, ob das Verhältnis von Soldaten auf Zeit zu den Berufssoldaten stimmig festgelegt wurde.“ Die Zahl der Zivilbeschäftigten soll von 55.000 auf 56.000 erhöht werden.
Von der Leyen machte erneut klar, dass sie von einer Erhöhung des Verteidigungsetats ausgeht. „Das letzte Jahr hat der Öffentlichkeit eindrucksvoll vor Augen geführt, dass Sicherheit und eine einsatzfähige Bundeswehr nicht zum Nulltarif zu haben sind.“
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