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Von HIV für Corona lernenLeben mit dem Virus

Die Infektionskrankheiten Covid und Aids lassen sich kaum vergleichen. Doch der Kampf gegen Corona wäre deutlich schwerer, hätte es HIV nicht gegeben.

Eine rote Schleife als Solidaritätssymbol mit HIV-Infizierten Foto: Andrej Isakovic/afp

Die Welt hat was gelernt, zumindest ein klein wenig: Das ist die gute Nachricht zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember. Das HI-Virus hat unzählige Opfer gefordert, in Zeiten, in denen es längst Medikamente gegeben hätte, um sie zu retten. Aber immerhin: Heute, in der Coronakrise, können Staaten weltweit auf eine medizinische Infrastruktur zurückgreifen, die es ohne HIV nicht geben würde.

Auf dem Höhepunkt der Aids-Epidemie, in den Jahren 2004 bis 2006, starben weltweit jährlich 1,7 Millionen Menschen an der Krankheit. 2019 waren es noch 690.000. Immer noch zu viele – und trotzdem könnte es viel schlimmer sein. Denn heute leben global 38 Millionen Menschen mit dem Virus, über 10 Millionen mehr als 2005.

Warum deutlich weniger sterben? Heute werden mehr als 25 Millionen Menschen regelmäßig mit wirksamen antiviralen Medikamenten behandelt. 2009 waren es nur 6 Millionen. Sie lebten meist in den Industrieländern; in Entwicklungsländern konnten sich viele Menschen die überteuerten Medikamente nicht leisten.

Nun lassen sich HIV und Corona in vielerlei Hinsicht nicht vergleichen: Die Übertragungswege sind anders, an HIV erkrankten relativ wenige, dafür war das Virus für alle, die es hatten, vor der Entwicklung von Medikamenten ein Todesurteil. Sars-CoV-2 verbreitet sich dagegen rasend schnell, dafür tötet es nur in den wenigsten Fällen. Dennoch schreibt jetzt UN-Aids in einem Bericht: „Aus unsem jahrzehntelangen Kampf gegen HIV lassen sich wesentliche Lehren ziehen.“

Dieselben Kämpfer

Eine Menge Leute, die in den nuller Jahren während der HIV-Krise gesehen haben, zu welchem Leid mangelnde globale Kooperationen führt, kämpfen heute gegen Covid-19. Einer davon ist Anthony Fauci, der Kopf der Pandemiebekämpfung in den USA. Er hielt in den nuller Jahren auf Aids-Konferenzen Appelle für eine globale Verteilung von HIV-Medikamenten.

In Äthiopien oder Südafrika leiten die Chefs der nationalen Anti-Aids-Programme nun auch die Maßnahmen gegen Covid-19; in zahlreichen anderen Entwicklungsländern sieht es ähnlich aus. Der Grund ist einfach: Ihnen steht in ihren Ländern eine komplette Infrastruktur zur Verfügung, mit der normalerweise HIV-Medikamente oder andere Impfstoffe verteilt werden.

Ein gigantischer Markt

Dazu kommt ein zweiter Punkt, den die ehemalige Leiterin des Unitaid-Medikamentenpools, die niederländische Anwältin Ellen ’t Hoen, in der taz ausführlich beschrieb: Es gibt heute ein Geschäftsmodell für Menschlichkeit. In der HIV-Krise weigerten sich die Pharmakonzerne der Industrieländer bis Ende der nuller Jahre, ihre wirksamen antiviralen Medikamente von Generikaherstellern günstig für Entwicklungsländer produzieren zu lassen. Indien tat dies teilweise trotzdem, durfte die Medikamente aber nicht exportieren, in Südafrika starben ungezählte Menschen, weil Therapien unbezahlbar waren. Unitaid kauft Medikamente gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose und hat ein Netzwerk aufgebaut, das weltweit für deren Verteilung sorgt.

Unitaid und ’t Hoen verhandelten jahrelang an einem rechtssicheren, globalen System, bei dem Pharmakonzerne ihre Impfungen und Therapien in Lizenz in Entwicklungsländern herstellen lassen und dort auch deutlich günstiger verkaufen als in Industrieländern. Für die Pharmakonzerne bedeutete das vor allem: Zugang zu einem gigantischen Markt. Dieses System funktioniert nun seit gut einem Jahrzehnt relativ reibungslos – und führt nun dazu, dass beispielsweise die britische AstraZeneca ihren Covid-Impfstoff für Entwicklungsländer in Indien produzieren und von dort aus exportieren lässt.

Ob allerdings die Industrie­länder die ersten Impfdosen auch global verteilen oder zunächst für sich behalten, das steht auf einem anderen Blatt.

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2 Kommentare

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  • Gegen das Vergessen - noch 534 Lebende des Blut-Aids-Skandals machen mit einer konzertierten Briefaktion auf ihre prekäre Lage aufmerksam und wenden sich persönlich an alle 708 Bundestagsabgeordneten. Nach 40 Jahren Leben mit AIDS und Hepatitis-C sind sie mit ihrer Kraft am Ende und auf Unterstützung jedes einzelnen Parlamentariers angewiesen. Es geht um die dringende Anpassung des für sie zuständigen Stiftungsgesetzes von 1994 „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ an die sich dramatisch verschlechternden Lebensbedingungen der Geschädigten.



    2013 wurden die LeistungsempfängerInnen zur Teilnahme an einer Studie gebeten, die von Prognos im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführt wurde. Ziel war, die Lebenssituation zu erfassen. Die Ergebnisse waren niederschmetternd: Die meisten der 45 bis 75 Jährigen können nicht mehr für ihren Lebensunterhalt sorgen und leiden unter gravierenden, gesundheitlichen und psychischen Problemen.



    Stiftungsrat und Jens Spahn, damaliger Stiftungsratsvorsitzender, versprachen zu helfen. Es blieb bei dem Versprechen. Erst 2017 wurde eine Minimalforderung umgesetzt und das Stiftungsgesetz erfuhr ihre I. Novelle, nämlich die mit HI-Viren Geschädigten lebenslang zu entschädigen. Das nur, weil Geschädigte auf die Straße gingen.



    Es fehlen:



    Anpassung der Entschädigung der HIV-Infizierten unter Berücksichtigung des Inflationsausgleichs für den Zeitraum 1995 bis 2019



    Lebenslange Entschädigung der mit Hepatitis-C Infizierten



    Sonderzahlungen zur Deckung der spezifischen, gesundheitlichen Bedarfe



    Aufbau eines Medizinisches Kompetenzzentrums bzw. -netzwerks



    Mitbestimmung der LeistunsempfängerInnen im Stiftungsvorstand und Stiftungsrat

    Die II. Novellierung des Stiftungsgesetzes ist unabdingbar. Damit die noch 534 Lebenden in Würde alt werden

  • "Sars-CoV-2 verbreitet sich dagegen rasend schnell, dafür tötet es nur in den wenigsten Fällen."

    Aktuell 1 von 1.000 Einwohner*innen in North Dakota.

    Autos bewegen sich rasend schnell und töten in den seltensten Fällen. Kriege verbreiten sich nicht ganz so schnell, aber töten auch nur sehr wenige Menschen, verglichen mit Covid-19.

    Die einzigen Erkrankungen, die so tödlich sind, sind die Langzeitschäden einer ungesunden Lebensweise. Lungenkrebs, Leberkrebs, Arterioskerose.

    Prävalenz und IFR von Covid-19 sind weltweit ziemlich genau auf dem Level wie HIV/AIDS vor 10 Jahren (zu Beginn von HAART). Der Unterschied ist primär die heutzutage erheblich höhere Willigkeit, diese Tatsachen wegzuleugnen. Aber zum Glück scheinen die jungen Erwachsenen da etwas klarer im Kopf zu sein, als die Alten.