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Urteil zur ArmenbestattungWürdig, aber einfach

Sozialämter müssen Hartz-IV-Empfängern mehr als eine Superbillig-Beerdigung erstatten. Was das genau heißt, ist per Einzelfall zu prüfen.

Hartz IV-Empfänger haben Anspruch darauf, nicht nur in Sperrholz unter die Erde zu kommen. Bild: imago/blickwinkel

FREIBURG taz | Hartz-IV-Empfänger haben Anspruch auf eine "würdige, aber einfache" Bestattung. Angehörigen ist im Todesfall kein aufwändiger Preisvergleich zuzumuten, um das billigste Angebot herauszufinden. Das entschied jetzt das Bundessozialgericht in Kassel.

Geklagt hatte eine heute 41-jährige Hartz-IV-Empfängerin aus Koblenz, deren Mann 2005 gestorben war. Das Sozialamt war zwar grundsätzlich bereit, die Kosten der Beerdigung zu übernehmen, hielt diese jedoch für überhöht. Die Frau hatte dem Bestattungsunternehmen 1.507 Euro bezahlt, das Amt hielt nur 551 Euro für erforderlich.

Im Gesetz heißt es: "Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen." Konkret verstehen die Sozialgerichte darunter eine "den örtlichen Verhältnissen entsprechende, würdige, aber einfache Bestattung".

Die Frau kritisierte, dass der Staat nicht nur eine "Einfachstbestattung" ersetzen dürfe. In Koblenz wird unter anderem Folgendes bezahlt: Sarg, Leichenüberführung, Aufbahrung des Sarges in der Friedhofskapelle "inklusive zwei Lorbeerbäumen und Kerzenleuchter", vier Sargträger, Grabtafel mit Beschriftung. Letztlich ging es vor Gericht weniger um die Qualität der Beerdigung als um den Preis.

Das Sozialamt Koblenz berief sich auf seine Richtlinien und legte Rechnungen von örtlichen Bestattungsfirmen vor. Danach sei etwa ein einfacher Sarg für nur 174 Euro zu bekommen. Die Frau entgegnete, dass sie für den Sarg 510 Euro bezahlen musste und dies auch angemessen sei.

Das Bundessozialgericht räumte nun ein, dass ein Sozialamt besonders gute Konditionen aushandeln könne, weil es häufig Aufträge vergebe. Außerdem sei ein Angehöriger in der belastenden Situation eines Todesfalls nicht verpflichtet, aufwendige Preisvergleiche anzustellen. Deshalb dürfe die Angemessenheit der Bestattungskosten nicht nach örtlichen Pauschalen, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Das Verfahren wurde deshalb an das Landessozialgericht Koblenz zurückverwiesen. (Az.: B 8 SO 20/10 R)

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13 Kommentare

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  • R
    Rita

    Im Leben sind wir schon Wertlos für die Gesellschaft ohne Arbeit.

    Im Tod noch weniger als manches Tier.

    Die Würde des Menschen ist unantastbar-solange er Arbeitet.

    Eine Schande was mit uns getrieben wird.

     

    Traurige Grüße..

  • H
    hto

    Als Mensch ANFING seine Toten zu BESTATTEN, wurde Mensch zum Mensch - als Mensch anfing auch DARAUS ein GESCHÄFT zu machen, war seine Entwicklung / ALLES für den Arsch!?

  • WB
    Wolfgang Banse

    Sozialbestattung sollte es nicht geben

    Alle Menschen sind mit der selben würde ausgestattet und dies sollte auch allen toten zu gute kommen.Hartz IV Tote sollten eine würdige Bestattung erhalten und keine Sozialbestattung.Ein Tier bekommt eine bessere und würdige Bestattung inder FRegel auf eine n tioerfriedhof als ein Hartz IV /Sozialhilfe Toter.Die frühere Landesbischöfin von Hannover und EKD Ratsvosrsitzende Dr. Margot Käßmann sprach sich gegen eine Sozialbestattung aus.Unter grünen Gras sollte niemand seine letzgte Ruhestätte finden,ebenfalls was eine Feuerbestattung anbetrifft.

    Nicht nur im Leben sondern auch im Tod sollten alle gleich sein

  • T
    Tom_

    Wenigstens sollte man ALG II Beziehern zugestehen, worauf Grundsicherungsbezieher (bei zu geringer Erwerbsminderungs bzw. Altersrente) ein Anrecht haben: Eine Sterbegeldversicherung über rund 3500 Euro (Höhe abweichend nach den örtlichen Bestattungskosten!) nach SGB XII, die ergänzend zum Regelsatz vom Sozialleistungsträger bezahlt wird.

  • A
    Abby

    Selbst im Tod bekommen Hartz4 Empfänger nicht ohne weiteres Würde zugesprochen...da bedarf es ein Gerichtsurteil dazu.

  • SN
    Stefan Nawrath

    Ich beziehe seit 2007 Hartz IV, da ich völlig unschuldig arbeitslos wurde. Wenn ich krepiere, ist es mir gleich, wer mich wo und wann ins Loch legt. Ich bin alleine und werde mal eines Tages verwest in der Bude gefunden. Es kümmert sich doch kein Schwein mehr um die Mitmenschen. Egal ob reich oder arm: wir können alle nichts mitnehmen. Auch eine Merkel wird mal verwesen oder in der Urne landen. Das nenne ich ein Stück ausgleichende Gerechtigkeit.

    Wer gibt mir denn die Gewissheit, dass ein Hartz IV-Empfänger nach seinem Ableben würdig bestattet wird? Der Mensch wird angeholt und verschachert oder gleich verbrannt. Asche in alle Richtungen......................

  • R
    Richterlich

    Wer bekommt denn dann die "billigste" Beerdigung?

    Menschen mit geringen Einkommen stehen also schlechter da! Super!

  • H
    Heidi

    Es ist eine echte Schande, wie staatliche Behörden unsere sozialschwachen Mitbürger gängeln. In diesem Fall wäre eine Entschuldigung das Mindeste, was das Amt leisten müsste, eigentl. sogar Schmerzensgeld fällig, weil die Frau durch die Querelen des Amtes derart in ihrer Trauer gestört wurde.

  • WR
    Weiße Rose

    Hartz-4 Empfänger werden schon zu Lebzeiten entwürdigt und schikaniert. Da ist es fast fortschrittlich, im Todesfall nicht auf der Müllkippe zu landen.

  • W
    Wow

    Wow, Bestattung, kostenlose Medikatment, Zahnersatz.

     

    Wenn ich das mal mit meinem Gehalt gegenrechne.

     

    Vielleicht sollte ich das arbeiten aufgeben, mein Vermögen verschieben und mich von den Linken durchfüttern lassen.

     

    Ich hatte schon überlegt Zahnzusatzversicherung etc. zu machen.

     

    Danke für diesen Artikel. Es gibt Alternativen.

  • A
    Armin

    Das ist typisch Deutschland.

    Jemand der hart arbeiten geht um nicht auf Sozialleistungen angewiesen zu sein wird zugemutet während der Trauerzeit sich ein "günstiges" und würdiges Angebot zu suchen, neben der Arbeit von der man ja nur einen Tag freigestellt wird. Ein Hartzer dagegen, der eh zu Hause ist, kann dies nicht zugemutet werden...

    Generell sollte vom Amt her ein günstiges Pauschalbestattungsangebot ausgeschrieben werden, entweder die Hinterbliebenen entscheiden sich dafür und bekommen diese Standartbestattung bezahlt und wenn es eben pompöser oder in Augen einiger würdiger sein, dann muss man eben selbst für den Differenzbetrag aufkommen.

  • JK
    Juergen K.

    Also darf ein Sozialbegräbnis soviel kosten,

     

    wie das Tischbouquet füer Ackermann.

  • W
    Waage

    1.507 Euro für eine Beerdigung sind in Deutschland wirklich schon sehr, sehr wenig.

    Normalerweise geht es erst so ungefähr beim Doppelten los.

    Der Frau ist nix vorzuwerfen - sie hat für ihren Mann das nötige getan und somit alles richtig gemacht.