Umstrittene Demo-Parole in Berlin: Scheißefinden erlaubt
Der Spruch „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ ist keine Verunglimpfung der BRD. Das sieht selbst die Staatsanwaltschaft so.
Die Staatsanwaltschaft habe entschieden, dass diese Parole keinen Verstoß gegen Paragraf 90 des Strafgesetzbuchs – Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole – darstellt, sagte der Polizeisprecher Thomas Neuendorf am Mittwoch der taz. Es werde nun nicht weiter ermittelt, sondern das Verfahren direkt an die Staatsanwaltschaft übergeben, damit diese es einstellen könne.
Die Staatsanwaltschaft konnte den Vorgang zwar zunächst nicht bestätigen. „Generell ist es aber so, dass Äußerungen, die in einem anderen Kontext strafbar wären, im Rahmen einer Demonstration zulässig sein können, weil hier auch drastische Zuspitzungen erlaubt sind“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner.
Die DemonstrantInnen waren am Freitag im Rahmen einer linken Griechenland-Solidaritätsdemonstration am Kreuzberger Oranienplatz, auf der das 22 Meter lange Transparent hochgehalten worden war, von der Polizei eingekesselt und einer Personalienfeststellung unterzogen worden. Laut Augenzeugen sollen dabei auch unbeteiligte Personen festgesetzt worden sein, die sich lediglich in der Nähe des Transparentes aufhielten.
Marlies Sommer, Sprecherin der Gruppe Theorie Organisation Praxis Berlin (TOP), die das Transparent mitgebracht hatte, ist erfreut über die Ankündigung. „Unsere Anwälte werden sich noch heute bei der Polizei melden, damit wir das Transparent möglichst rasch zurückbekommen“, so Sommer. Angesichts der „Rückkehr der hässlichen Deutschen auf dem europäischen Parkett“ brauche die Gruppe das Plakat dringend, um vor dem Brandenburger Tor eine Dauermahnwache mit dem Titel „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße! – OXI heißt NEIN!“ abzuhalten.
Polizeisprecher Neuendorf sieht im Handeln des Einsatzleiters, der die Personalienfeststellung angeordnet hatte, trotzdem keine Fehleinschätzung: „Das war ja eine durchaus heftige Formulierung, da kann es im ersten Eindruck schon zu dieser Einschätzung kommen.“ Möglicherweise habe bei der Entscheidung die „direkte Anrede Deutschlands“ eine Rolle gespielt, von der sich die Beamten angesprochen gefühlt haben könnten.
Höchststrafe drei Jahre
Der Paragraf 90 des Strafgesetzbuchs verbietet die „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“. Wer die Bundesrepublik Deutschland „beschimpft oder böswillig verächtlich macht“ kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden, heißt es dort. Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit diesem Paragrafen aufgrund von Demoparolen gab es in den letzten Jahrzehnten aber nur sehr selten.
Ärger wegen der Parole hatten auch die Deutschlandscheißefinder vom Club „about blank“ am Ostkreuz bekommen: Sie hatten den Spruch am Freitagabend in Form von 32 A4-Blättern an das Einlassgitter vor dem Club gehängt. „Am Samstag ist dann die Polizei mit einer Wanne angerückt und hat die Zettel beschlagnahmt“, so eine Mitarbeiterin. Eine Polizeisprecherin bestätigte den Vorfall. Auch dieses Verfahren wird nach taz-Informationen eingestellt.
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