piwik no script img

Tischtennis-EuropameisterschaftNominierung nach Aussehen?

Die Goldmedaille für das deutsche Frauenteam kam auch dank eingebürgerter Chinesinnen zustande. Das führt zu einer schrägen Debatte.

Das siegreiche deutsche Team: Shan Xiaona, Han Ying, Trainerin Jie Schoepp und Kristin Silbereisen (v.l.). Bild: dpa

Die deutschen Tischtennis-Asse haben am Montagabend ihren Ruf als die „Chinesen Europas“ gestärkt. Bei den Europameisterschaften im österreichischen Schwechat feierten die Nationalteams einen historischen Doppel-Triumph: Erst setzten sich die Frauen im Finale gegen Rumänien mit 3:1 durch, anschließend machten die Männer auch ohne den grippegeschwächten Timo Boll durch ein 3:1 über Griechenland den sechsten EM-Titel in Folge perfekt.

Vor allem die Goldmedaille der Frauen bringt den Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) in Erklärungsnot. Mit Blick auf die zahllosen Chinesinnen im europäischen Tischtennis hatte Dirk Schimmelpfennig nämlich 2010 im Interview mit der Süddeutschen Zeitung moniert: „Da haben wir in der Außendarstellung ein Problem.“ Dass ihn dieser Satz drei Jahre später einholt, malte sich Schimmelpfennig damals sicher nicht aus.

Schon im Vorfeld musste sich der 51-Jährige im Interview mit dem Fachorgan „Tischtennis“ die Frage gefallen lassen, warum deutsche Talente daheim bleiben müssen, während vier gebürtige Chinesinnen mit nach Österreich fahren. Dorthin war auch schon Amelie Solja (23) ausgewandert, weil sie anders als ihre Schwester Petrissa (19) keine Perspektive mehr im deutschen Team sah.

Weil der eloquente Schimmelpfennig gewiss nicht im Ruch steht, Nationalist zu sein, antwortete er gewohnt ruhig: „Wir unterscheiden nicht zwischen deutsch und deutscher“, betonte er und schob nach: „Die Besten werden nominiert.“ Zudem seien auch Nationalmannschaften in anderen Sportarten ein „Abbild der modernen multikulturellen Gesellschaft in unserem Land“.

Allerdings: Im Tischtennis gibt es nicht „Multikulti“, sondern eben fast nur zweitklassige Chinesen, die das Reich der Mitte verlassen und weltweit die Nationalmannschaften verstärken. Schimmelpfennig hatte deshalb 2010 die Sorge umgetrieben, dass die Identifikation mit den Fans verloren gehe, wenn vor allem in europäischen Frauen-Auswahlteams China VI auf China VII trifft.

Eingebürgerte Verstärkung

Ganz ohne Hilfe der Tischtennis-Supermacht ging es bereits 1998 beim letzten der vier EM-Siege der DTTB-Damen nicht – Bundestrainerin Jie Schöpp war damals Leistungsträgerin. Mit Wu Jiaduo führte auch seit Jahren eine Chinesin als Top-20-Spielerin das Team an. Zudem gehört Zhenqi Barthel, die mit 15 nach Deutschland zog und adoptiert wurde, zum Aufgebot.

Die Diskussion flammte erst jetzt auf, weil plötzlich auch die beiden eingebürgerten Shan Xiaona und Han Ying mit 30 Jahren hinzukamen. Han war 2002 nach Deutschland gelockt worden. Abwehrspieler haben in ihrer Heimat keine Zukunft. Sie dienen den aggressiven Angreifern nur als Sparringspartner. Und als solcher war Han beim Bundesligisten TV Busenbach auch zuerst vorgesehen. Doch rasch entpuppte sie sich als Punktegarantin. Im dreieinhalbstündigen Marathon-Duell gegen Rumänien siegte Han zweimal.

Shan, die ebenfalls vom TV Busenbach nach Deutschland geholt wurde, steuerte den dritten Zähler bei. Mit ihren Glanzauftritten beschämten die beiden alle Kritiker der DTTB-Personalpolitik – und Han, die derzeit Platz 32 der Weltrangliste belegt, plant noch Größeres: „Ich traue mir die Top 20 zu.“

DTTB-Präsident Thomas Weikert stellte gegenüber dem Sport-Informationsdienst klar: „Unter den besten fünf Athletinnen sind in Deutschland nun mal drei, die in China geboren wurden. Wenn wir ihnen wegen ihrer Herkunft eine EM-Teilnahme verbieten würden, obwohl sie alles dafür getan haben, für uns zu spielen, dann stecken wir ganz schnell in einer Ecke, in der wir gar nicht sein wollen.“

Der Vizepräsident des Weltverbands ITTF fügte hinzu: „Im Präsidium gibt es einen Beschluss, dass wir für niemanden einen vorzeitigen Antrag auf Einbürgerung stellen.“ Wer jedoch nach acht Jahren eingebürgert werde, habe auch das Recht, in der Nationalmannschaft zu spielen. „Über die Nominierung entscheidet letztlich nicht das Aussehen des Gesichts, sondern die sportliche Leistung.“ Mit dem Top-Abwehrspieler von Bundesligist Fulda-Maberzell, Wang Xi, will nach der Einbürgerung demnächst auch ein chinesischer Mann in die Phalanx der „Chinesen Europas“ eindringen. Damit mochten sich die deutschen Tischtennisfunktionäre nach dem sechsten EM-Titel der Herren seit 2007 nun wirklich nicht auch noch beschäftigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • S
    Stev

    Einheimische haben geringe Chancen, weil sie im deutschen Verband keine Chance auf adäquate Ausbildung bekommen. Der Verband spart sich die Ausbildung und kauft stattdessen Leute im Ausland ein, wo mehr in Ausbildung investiert wird und das Ergebnis entsprechend höherklassiger ist. Könnte man die einheimische Nachwuchsförderung konsequenterweise gleich ganz weglassen und sich durchgehend in China bedienen. Schon irgendwie krank. Und erinnert an den angeblichen Fachkräftemangel in der Wirtschaft aufgrund weggesparter Ausbildung seit 20 Jahren samt Arbeitskraftanwerbungsversuchen im Ausland.

  • jaja, man kann vieles über die Deutschen sagen, dumm sind sie nicht... ; )