Terror in Norwegen: Breivik ist unzurechnungsfähig
Der Attentäter, der am 22. Juli dieses Jahres 77 Menschen in Oslo und auf der Insel Utøya tötete, ist laut einem psychiatrischen Gutachten nicht schuldfähig.
STOCKHOLM taz | Anders Behring Breivik war und ist nicht zurechnungs- und damit nicht schuldfähig. Er sei als psychotisch einzuschätzen und habe an paranoider Schizophrenie gelitten, als er am 22. Juli dieses Jahres in Norwegen seine Attentate beging, die 77 Menschen das Leben kosteten. Zu diesem Schlusssatz kommt das psychiatrische Gutachten, das am Dienstag dem Gericht in Oslo vorgelegt wurde. Dort soll am 16. April 2012 der Prozess gegen den Terroristen beginnen.
"An dem Ergebnis haben wir keinen Zweifel", erklärte der Rechtspsychiater Torgeir Husby. Mit seiner Kollegin Synne Sørheim ist er zu der Überzeugung gekommen, dass Breivik über mehrere Jahre hinweg eine Schizophrenie entwickelte. Sowohl bei seinen Taten und deren Vorbereitung als auch noch während der jetzigen Observation habe er an umfassenden Wahnvorstellungen gelitten.
So sei er überzeugt, ein Tempelritter zu sein, der sich in einem Krieg befinde, in dem er Norwegen und Europa retten müsse. Weiterhin glaube er, über Tod oder Leben entscheiden zu können. Er habe die Taten aus Liebe zu seinem Volk verübt und sich dabei als künftigen Regenten Norwegens gesehen.
Die Gutachter haben 36 Stunden Gespräche mit Breivik geführt und werteten 130 Stunden Polizeiverhöre mit ihm aus. Dabei vermittelte der Terrorist offenbar sein bizarres Weltbild,das er in seinem 1.516-seitigen "Manifest" selbst umfassend ausgebreitet hatte.
Vor diesem ideologischen Hintergrund und angesichts einer offenbar jahrelang sorgfältig geplanten Tat hatten es die meisten Experten vorab als eher unwahrscheinlich bezeichnet, dass Breivik als unzurechnungsfähig eingeschätzt werden würde. "Er hatte immer volle Kontrolle über seine Handlungen", meinte Tarjei Rygnestad, Vorsitzender der norwegischen rechtsmedizinischen Vereinigung: "Eine psychotische Person wäre dazu überhaupt nicht in der Lage gewesen."
Andere Experten wollten dagegen vor allem angesichts des offenbar völlig emotionslosen Vorgehens Breiviks auf Utøya, wo dieser seine Opfer regelrecht abgeschlachtet hatte, Unzurechnungsfähigkeit nicht ausschließen. Auch Breiviks Anwalt hatte bereits unmittelbar nach den Taten angekündigt, auf schuldunfähig plädieren zu wollen. Das Gutachten wird nach norwegischem Strafprozessrecht nun einer neunköpfigen rechtsmedizinischen Kommission vorgelegt, die dieses gutheißen muss. Dabei findet nur die Kontrolle statt, ob das Gutachten fachlich haltbar ist. Laut Staatsanwaltschaft wird dieses Votum noch vor Weihnachten erwartet.
Folgt das Gericht dem Gutachten, wird das Urteil statt der bei Schuldfähigkeit möglichen Haftstrafe von maximal 21 Jahren auf Einweisung Breiviks in eine geschlossene psychiatrische Anstalt auf unbestimmte Dauer lauten. Deren Fortdauer würde das Gericht dann alle drei Jahre überprüfen. Sie kann so lange andauern, wie der Betreffende als Gefahr für die Gesellschaft angesehen wird.
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