Streit im niedersächsischen Landtag: Du sollst nicht „Rassismus“ sagen
Im Landtag in Niedersachsen wirft ein SPD-Politiker der Regierung in ihrer Asylpolitik indirekt „institutionellen Rassismus“ vor. Schwarz-Gelb wittert darin einen frühen „schmutzigen Wahlkampf“.
HANNOVER dapd | Wegen einer Rede von SPD-Fraktionschef Stefan Schostok ist es am Mittwoch im niedersächsischen Landtag zum Eklat gekommen. Schostok bezeichnete die Ausländerpolitik der Landesregierung unter Verweis auf einen Wissenschaftler, der von der Süddeutschen Zeitung zitiert wurde, als „institutionellen Rassismus“. Daraufhin kam es zu einem Streit im Parlament mit lautstarken Zwischenrufen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Jens Nacke, sprach von einer „unglaublichen Entgleisung“. Niemand dürfe sich im Parlament dazu hinreißen lassen, der Regierung Rassismus vorzuwerfen. Auch die FDP forderte eine Entschuldigung von Schostok.
Kritisiert wurde Schostok vor allem dafür, dass er sich nicht von dem Zitat distanziert und es sich somit zu eigen gemacht habe. Schostok betonte hingegen, nur die Meinung anderer über die Landesregierung wiedergegeben zu haben. „Das ist keine Meinungsäußerung von mir“, sagte der SPD-Politiker. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Gabriele Heinen-Klajic, unterstützte ihn. „Es mag ihnen nicht gefallen, dass der Leumund ihrer Regierung verloren geht“, deshalb müsse man aber nicht gleich so „einen Aufstand“ machen, sagte sie in Richtung der schwarz-gelben Landesregierung.
Nacke sprach hingegen von einer „Grenzüberschreitung“ im Parlament und warf der SPD sieben Monate vor der Landtagswahl einen „schmutzigen Wahlkampf“ vor. „Wenn das jetzt der Grundstil in diesem Haus ist, dass man sich gegenseitig Rassismus vorwirft, dann kann ich nur sagen: 'Gute Nacht Parlamentarismus'“, sagte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Christian Grascha. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach von einer „Unverschämtheit“.
Schostok hatte aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zitiert, in dem unter anderem über einen Brief des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung an Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) berichtet wird. Darin soll es heißen, dass die Abschiebung und die Verweigerung einer Zusammenführung der Familie Salame/Siala als „besonders eklatanter Fall von institutionellem Rassismus bewertet werden“ müsse.
Der Fall Salame
Vor sieben Jahren waren die schwangere Gazale Salame und ihr jüngstes Kind von den Behörden abgeschoben worden, während ihr Lebensgefährte Ahmed Siala die beiden älteren Töchter zur Schule brachte. Der Landkreis Hildesheim wirft dem Paar vor, bei der Einreise nach Deutschland vor rund 20 Jahren falsche Angaben über ihre Herkunft gemacht und ihre türkische Staatsangehörigkeit verschleiert zu haben. Flüchtlingsinitiativen und Menschenrechtler werfen der Landesregierung wegen des Falls immer wieder vor, inhuman zu handeln.
Schünemann nutzte die entgleiste Debatte am Mittwoch nochmals dazu, seine Sicht der Dinge auf den Fall der Familie zu erklären. Er betonte, dass Ahmed Siala mehrfach straffällig geworden sei und auch den Lebensunterhalt nicht bestreiten könne. Das spreche gegen eine Aufenthaltserlaubnis für ihn und einen Nachzug seiner Lebensgefährtin. Dennoch sei er seit langer Zeit darum bemüht, in dem Fall zu einer „vernünftigen Lösung“ zu kommen.
Zuvor hatten die Abgeordneten im Landtag bereits über die Flüchtlingspolitik und die Härtefallkomission, die sich mit dem Schicksal von Abschiebung bedrohter Flüchtlinge beschäftigt, debattiert. Hintergrund ist, dass Kirchenvertreter in der Kommission wegen einer Entscheidung ihren Rücktritt erklärt hatten beziehungsweise ihre Mitarbeit in dem Gremium ruhen lassen wollen. Die Opposition sieht darin ein „Warnsignal“. Die Grünen forderten eine „grundlegende Reform“ der Härtefallkommission. Schünemann verwies hingegen auf die gute Arbeit des Gremiums und die bereits geplante Reform.
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