Steinbrück kämpferisch auf SPD-Parteitag: Der Kapitalismus-Bändiger
Auf dem Parteitag in Augsburg redet Peer Steinbrück Tacheles: Der SPD-Kanzlerkandidat geißelt die schwarz-gelbe „Koalition des Eigennutzes“.
AUGSBURG dpa/afp | Die SPD will nach Worten von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Kapitalismus bändigen und für eine Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland sorgen. Die SPD müsse die politische Kraft sein, die den Grundgesetzartikel „Eigentum verpflichtet“ wieder zur Geltung bringe, sagte Steinbrück am Sonntag auf dem SPD-Parteitag in Augsburg.
„Wir müssen die politische Kraft sein, die dem entfesselten Kapitalismus Spiel- und Verkehrsregeln entgegensetzt und Exzesse vermeidet“, rief er unter großem Applaus der Delegierten. Ein Spekulant in New York dürfe nie wieder das Ersparte der kleinen Leute irgendwo in Deutschland gefährden. „Wir stehen für weniger Ellenbogenmentalität, weniger Ego. Wir stehen für mehr Zusammenhalt, mehr Zusammenstehen.“
Steinbrück bekräftigte unter starkem Beifall der gut 600 Delegierten auch seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft: „Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Die SPD wolle „für ein neues soziales Gleichgewicht bei guter wirtschaftlicher Entwicklung sorgen“, hob Steinbrück hervor. Die Partei stehe für „mehr Wir und weniger Ich“. Es gehe darum, das Land „wieder ins Lot“ zu bringen.
Selbstkritisch räumte Steinbrück ein, auch die SPD und er selbst hätten sich Deregulierung und Marktradikalismus „nicht genug entgegen gestemmt“. Anders als Union und FDP aber „haben wir wenigstens unsere Lektion gelernt“. Heute stehe die SPD für eine Politik, „die dem entfesselten Kapitalismus Spiel- und Verhaltensregeln entgegensetzt“.
„Bündnis der Starken mit den Schwachen“
Die Politik der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte Steinbrück als „Blendwerk“. Schwarz-Gelb mache unzählige Versprechen, die unbezahlbar seien und nicht umgesetzt würden. Anders als bei Union und FDP sei es „immer der Antrieb der Sozialdemokratie gewesen, ein Bündnis der Starken mit den Schwachen zu schmieden“. Dieser Logik folgten die im SPD-Programm geplanten Steuererhöhungen für Gutverdiener.
Es gehe um den Weg „weg von der Ellbogengesellschaft hin zu einer dynamischen Wir-Gesellschaft“, spielte Steinbrück auf das SPD-Motto „Das Wir entscheidet“ an. „Wir stellen das Gemeinwohl vor den Profit Einzelner“, sagte der Kanzlerkandidat. Dabei gingen Ökonomie und soziale Gerechtigkeit zusammen. Beispielsweise sei ein gesetzlicher Mindestlohn sozial gerecht, aber auch „ökonomisch richtig, weil er die Binnennachfrage stärkt“.
Mit Blick auf seinen holprigen Start als Kanzlerkandidat dankte Steinbrück für den Rückhalt, den er in den vergangenen Monaten von der Partei erfahren habe. Das sei „bewundernswert und nicht immer leicht“ gewesen. Rückendeckung erhielt Steinbrück erneut auch von Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. „Peer, die SPD steht geschlossen hinter Dir. Wir wollen mit Dir gemeinsam kämpfen und gewinnen“, sagte Gabriel. „Wir wollen den Kanzler Steinbrück und wir sind auf einem guten Weg“, ergänzte Steinmeier.
Gabriel griff in einer kämpferischen Rede Union und FDP hart an, die das Land in einer „Koalition des Eigennutzes und des Lobbyismus“ regieren würden. Ebenso wie Steinbrück warnte er davor, sich von schlechten Umfragewerten irritieren zu lassen.
Grüne Premiere bei den Roten
Grünen-Parteichefin Claudia Roth rief zur Ablösung von Schwarz-Gelb durch eine rot-grüne Bundesregierung auf. „Wir wollen mit Euch zusammen den Politikwechsel schaffen“, sagte sie in einem Grußwort. Auch Roth warb für eine „Politik für einen sozialen Zusammenhalt, damit nicht die Reichen immer reicher und alle anderen immer ärmer werden“. Es war das erste Mal, dass eine Grünen-Vorsitzende auf einem SPD-Bundesparteitag eine Rede hielt.
Nach der Rede Steinbrücks debattierten die Delegierten über das SPD-Wahlprogramm, das am Nachmittag beschlossen werden soll. Schwerpunkte in dem rund hundert Seiten starken Entwurf sind die Themen faire Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit, bezahlbares Wohnen und Aufstieg durch Bildung.
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