Sport-Wahlkampf: Der lange Marsch

Die Hamburger entscheiden in einer Volksabstimmung über die Olympia-Bewerbung - nach einer monatelangen Werbekampagne für die Spiele.

Olaf Scholz vor dem Olympiastadion in Peking

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz besucht Pekings Olympiastadion Foto: dpa

HAMBURG taz | „And the winner is …“ Fünf Städte bewerben sich derzeit um die Austragung der Olympischen Spiele 2024 – sind es in einer Woche nur noch vier? Wenn dann die Ergebnisse des Referendums bekannt werden, könnte sich Hamburgs Olympia-Bewerbung erledigt haben. Bei den Olympia-Befürwortern im Senat herrscht mittlerweile große Skepsis, ob am Ende eine Mehrheit für Olympia steht.

Hinter den Kulissen wird längst an Plan B, einem gesichtswahrenden Ausstieg aus dem Traum von Olympia gearbeitet. Denn ein Nein zu Olympia wäre zeitgleich eine krachende Niederlage für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der die Mehrheit der HamburgerInnen schon beim Volksentscheid über den Rückkauf der Netze nicht auf seine Seite bringen konnte.

Mitschuld an der suboptimalen Olympia-Stimmung hat die politische Großwetterlage. Tausende Flüchtlinge zu integrieren, wird Hamburg in den kommenden Jahren einen Milliardenbetrag kosten – wo soll da noch Geld für Olympia herkommen? Zudem haben die Anschläge von Paris deutlich gemacht, dass die Spiele ohne eine Verwandlung Hamburgs in ein video- und polizeiüberwachtes Groß-Gefahrengebiet nicht zu haben sind. Den Älteren sitzen da noch die Olympischen Terror-Spiele von München 1972 im Nacken.

Doch selbst wenn die Hamburger knapp für Olympia votieren sollten, ein Hauchdünn-Ergebnis würde Hamburg bereits aus dem Rennen fegen. „Alles unter 65 Prozent wäre ein Desaster“, glaubt etwa Medienwissenschaftler Jörg-Uwe Nieland von der Kölner Sporthochschule. Denn in Paris liegt die Zustimmung bei über 70, in Los Angeles bei über 80 Prozent. Doch dass beim Hamburger Referendum auch nur annähernd 65 Prozent für die Spiele voten, glaubt selbst unter den glühendsten Olympia-Befürwortern niemand.

Durch die Anschläge von Paris ist zudem deutlich geworden, dass Hamburg die Sicherheitskosten bislang sehr niedrig angesetzt hat. Wie überhaupt die Übernahme der Kosten ungeklärt und damit bislang ein dicker Malus-Punkt für die Hamburger Bewerbung ist. 7,2 Milliarden Euro wird Olympia unter dem Strich kosten – doch über die Verteilung der Lasten sind sich Hamburg und Berlin noch völlig uneins.

Bürgermeister Scholz hat angekündigt, die Bewerbung nur aufrecht zu erhalten, wenn Hamburgs Anteil auf 1,2 Milliarden Euro gedeckelt wird, doch der Bund hat bislang für diesen Vorstoß nur ein müdes Lächeln übrig. Die Finanzfrage könnte zu einem freiwilligen Rückzugs Hamburgs führen, sollte der Bund nicht die fehlenden sechs Milliarden Euro locker machen und zusätzliche Risiken übernehmen.

Auch hat Deutschland sich Deutschland für 2024 für die Fußball-Europameisterschaft beworben und gilt als chancenreich. Zwei Sportgroßereignisse im selben Sommer werden aber in aller Regel nicht an ein und dasselbe Land vergeben.

Als Favorit unter den fünf verbliebenen Olympia-Berwerbern gilt Los Angeles. Die Medien-Konzerne Discovery Networks und NBC Universal, die sich die weltweiten Übertragungsrechte für die kommenden Olympiaden gesichert haben, üben zusammen mit amerikanischen Sponsoren starken Druck aus, die Spiele nach 1996 wieder einmal in den USA auszutragen. Nach 28 Jahren sind die USA mal wieder an der Reihe, die Europäer waren mit London gerade erst 2012 Ausrichter.

Auch wenn Los Angelas, das die Spiele schon zwei Mal (zuletzt 1984, und das sogar mit Gewinn!) ausgetragen hat, nicht für die „bescheidenen, nachhaltigen“ Spiele steht, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) gern hätte, so gilt die kalifornische Metropole doch als Top-Favorit für 2024. Zumal achtzig Prozent der benötigten Sportstätten schon existieren, nur renoviert und aufgehübscht werden müssen. Dafür sind gerade mal 620 Millionen Euro veranschlagt.

Die besten Chancen in Europa werden Paris zugerechnet. Die Anschläge vom vergangenen Freitag haben die Chancen der französischen Hauptstadt eher gestärkt. Ihr im September 2017 nicht den Zuschlag zu geben, könnte als Kniefall vor dem islamistischen Terrorismus gewertet werden.

Paris, 1900 und 1924 bereits Olympia-Gastgeber, punktet damit, dass die Infrastruktur in weiten Teilen vorhanden ist, etwa das Stade de France als Olympiastadion, die Multifunktionsarena Bercy und der bekannte Tenniskomplex Roland Garros. Die französische Hauptstadt weist jede Menge Erfahrungen mit Großveranstaltungen auf, die Zustimmung in der Bevölkerung lag kurz vor den Anschlägen bei 72,5 Prozent, das geplante Budget mit 6,2 Milliarden Euro unter dem Hamburgs.

Rom hingegen gilt aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage Italiens als Außenseiter. Die Kosten der Spiele werden mit 6,4 Milliarden Euro veranschlagt, doch noch ist unklar, wie dieses Geld zusammenkommen soll. Fan-Krawalle und marode Stadien werfen zudem kein gutes Bild auf Italiens Sportlandschaft, die Infrastruktur gilt als ausbaufähig, der nationale Olympische Verband als anfällig für Vetternwirtschaft und Korruption. Herzstück des Konzepts ist das bestehende Olympiastadion, Schauplatz der Spiele von 1960.

Hamburg und Budapest hingegen entsprechen am ehesten dem neuen IOC-Konzept der „Second Cities“, der Städte aus der zweiten Reihe, die endlich mal als Austragungsort zum Zuge kommen sollen. Ungarn hat als einzige der zwölf erfolgreichsten Nationen bei Sommerspielen die Spiele noch nicht ausrichten dürfen.

Wie Hamburg will Budapest für die Spiele einen Stadtteil neu erschließen. Im 21. Distrikt, in Csepel, soll direkt an der Donau das olympische Dorf entstehen. Budapest rechnet mit Kosten von 2,5 Milliarden Euro, viele Stadien und Hallen müssten neu gebaut werden. Die Zustimmung im Land beträgt 66 Prozent. Die rigide Flüchtlingspolitik und populistische Kraftmeierei der rechtskonservativen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán mindert die Chancen jedoch erheblich.

Mehr zum Thema Olympiabewerbung finden Sie hier oder in der gedruckten Ausgabe der taz nord.

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