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Songs aus dem Spanischen BürgerkriegBlinde Heldenverehrung

„Spanien in meinem Herzen“ ist eine verdienstvolle Zusammenstellung mit Songs aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs. Ihr Umfang ist einmalig.

Ernest Hemingway und Joris Ivens besuchen die republikanischen Brigaden. Bild: Bear Family/Promo

„Die Gegner des Proletariats verfügen über Generäle und Kommandostäbe. Sind die einheimischen Chefs verbraucht oder besiegt, so spielen die Kapitalisten die internationalen Möglichkeiten aus. Man inszeniert nun mit Hilfe der Finanziers eine mehr oder weniger verschleierte Intervention. Zu Beginn entsendet man ausländische Techniker, welche die Truppen der Kapitalisten wieder auf die Beine stellen sollen. Missglückt dieser Versuch, so schickt man eben ganze Heere, um die Interessen der imperialistischen Staaten und Spekulanten zu verteidigen. Damit wird der Bürgerkrieg in einen kolonialen oder internationalen verwandelt.“

Diese Sätze, die so klingen, als habe sie ein eifriger Linksaktivist eben gerade erst geschrieben, wurden bereits 1937 verfasst, und zwar von dem herausragenden deutschen Schriftsteller und Kunstkenner Carl Einstein. Als diese Worte gedruckt wurden, kämpfte jener Einstein im Spanischen Bürgerkrieg an vorderster Front gegen die Truppen des Generals Franco.

Es war jedoch damals wie heute so einfach nicht. Auch wenn sehr viele Linke es gern so hätten. Der Spanische Bürgerkrieg brach im Juli 1936 aus, da die Rechten versuchten, gegen die demokratisch gewählte linke Regierung zu putschen. Unter den Rechten war, anfangs nicht allein federführend, der ehemalige Kriegsminister Francisco Franco.

Putsch gelang nur in Teilen

Die Box

Various Artists: „Espana en el corazón/Spanien im Herzen“

(Bear Family)

Der Putsch gelang nur in Teilen Spaniens. Die Regierung unter José Giral rief zur bewaffneten Verteidigung der Republik aus und ließ bald auch Volksmilizen bilden. Während nun die Regierungen von Frankreich oder Großbritannien beschlossen, sich nicht einzumischen, unterstützten das faschistische Italien und Nazideutschland die Truppen Francos mit großem Engagement.

Zeitweise waren über 200.000 Soldaten aus diesen beiden Ländern in Spanien im Einsatz, etwa in der berüchtigten deutschen „Legion Condor“, die in Spanien viele deutsche Waffen „testete“, die dann im Zweiten Weltkrieg in Masse produziert wurden.

Der Spanische Bürgerkrieg wurde verbissen geführt, erstmals mit Bombenangriffen, Kampfflugzeuge der deutschen Luftwaffe bombardierten auch absichtlich Zivilisten – das berühmte Gemälde „Guernica“ von Pablo Picasso zeugt davon. Ab dem Herbst 1936 stellte die arg bedrängte spanische Regierung innerhalb ihrer Volksarmee die „Brigadas Internationales“ auf, in denen sich freiwillige Kämpferinnen und Kämpfer aus aller Welt eingliedern ließen.

Bataillone „Edgar André“ und „Ernst Thälmann"

So bildeten sich etwa die Bataillone „Edgar André“ und „Ernst Thälmann“ aus deutschen Kommunisten, das Bataillon „Garibaldi“, in dem linke Italiener gegen die Faschisten kämpften, oder das Bataillon „Abraham Lincoln“, in dem US-Freiwillige ihren Dienst versahen.

Der Krieg tobte bis zum März 1939, dann nahmen Francos Truppen Madrid ein. Großbritannien und Frankreich erkannten Francos Diktatur schnell an, sie blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1975 bestehen. Sein von ihm ernannter Nachfolger als Staatsoberhaupt war der erst jüngst zurückgetretene König Juan Carlos, unter dem Spanien allmählich zu einer konstitutionellen Demokratie transformiert wurde.

Zehntausende Spanier ließen im Bürgerkrieg ihr Leben, Tausende mussten fliehen. In den Internationalen Brigaden, die die spanische Regierung – aus verhandlungstaktischen Gründen – bereits im September 1938 demobilisierte, hatten rund 40.000 Menschen gekämpft. Mehr als die Hälfte von ihnen starb dabei. Viele andere wurden nach ihrer Demobilisierung in Frankreich interniert und fielen im Zweiten Weltkrieg den Nazis in die Hände.

Öffentlich über die Ereignisse reden

Die Anwesenheit der Internationalen Brigaden aber ermöglichte es erst, den Spanischen Bürgerkrieg zu einem bis heute auch im Ausland unvergessenen Ereignis zu machen. Denn die Rückkehrer aus Spanien konnten – anders als die zurückgebliebenen und drangsalierten Republikanerinnen und Republikaner – öffentlich über die Ereignisse reden.

Eines der berühmtesten Beispiele für die Aufbereitung dieses Krieges ist Ernest Hemingways Roman „Wem die Stunde schlägt“ von 1940, der drei Jahre nach seinem Erscheinen mit Gary Cooper und Ingrid Bergman verfilmt wurde. Hemingway verarbeitete in diesem Roman die Eindrücke, die er selbst bei verschiedenen Aufenthalten bei den republikanischen Brigaden in Spanien sammeln konnte.

Der Roman und seine Verfilmung werden auch in dem Buch „Espana en el corazón/Spain in my Heart/Spanien im Herzen“ groß abgehandelt, das der Musikhistoriker Jürgen Schebera herausgegeben hat, der sich um das Erbe von Hanns Eisler und Ernst Busch sehr verdient gemacht hat. Überhaupt spielen die Brigadisten, die ja gerade mal vier Prozent der republikanischen Armee stellten, eine überproportionale Rolle in dem Buch.

„Madrid before Hanita“

Scheberas „Spanien im Herzen“ ist das Begleitbuch einer aufwendigen Edition von sieben CDs, auf denen Lieder aus dem Spanischen Bürgerkrieg versammelt sind. Zur Songsammlung kommt noch eine DVD mit dem beeindruckenden Film „Madrid before Hanita“, in dem einige der 300 jüdischen Spanienkämpfer porträtiert werden. Aus dem damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina kommend, schlossen sie sich den Interbrigaden an.

Die alten Damen und Herren betonen, wie wichtig es ihnen damals war, endlich „mit der Waffe in der Hand gegen den Faschismus kämpfen zu können“. Scheberas sorgfältig kommentierte Musiksammlung besteht dabei zum Teil aus „Liedern der Spanischen Republik“ und „Liedern des kämpfenden spanischen Volkes“, zudem werden die Lieder der amerikanischen und deutschen Spanienkämpfer ausführlich vorgestellt.

Der Herausgeber hat neben vielen Einspielungen neueren Datums zahlreiche rare und beinahe vergessene Aufnahmen gesammelt, so etwa eine Version des Liedes „Mamita Mia“ von Ernst Busch und „Kameraden der internationalen Brigaden“ aus dem Jahr 1939. Oder die „Songs of the Lincoln Brigade“, die in den vierziger Jahren von Pete Seeger eingespielt wurden. Diese Lieder vermitteln einem eindrücklich, wie sehr die Spanienkämpfer auch nach dem verlorenen Krieg an die Richtigkeit ihres Engagements glaubten.

Gruß an die Genossen im Lager in Deutschland

Auch ist auf der Zusammenstellung eine Version des „Liedes der Moorsoldaten“ zu finden, im Jahre 1937 mit viel Energie eingesungen von Ernst Busch – als Gruß an die Genossen im Lager in Deutschland. Es zeigt, dass Busch, genau wie alle deutschen Interbrigadisten in Spanien, zugleich auch für die Befreiung Deutschlands kämpfte.

Doch Ernst Buschs Lieder aus der DDR verkehren die Energie, mit der der Spanienkämpfer einst die Kameraden grüßte, ins hohle Pathos. Wer nach dem verlorenen Krieg mit solcher Inbrunst „Halt stand, rotes Madrid“ singt, heroisiert den Verlust ins Übersiegreiche – und verdeckt so jede Möglichkeit zur Analyse.

Die spanischen Aufnahmen des „Canción patriótica“ dagegen, die der Gemischte Chor Madrid 2001 einspielte, haben diese Triumphgeste nicht nötig. Hier wird Musik der Interbrigaden einfach dokumentiert, während sie in den sozialistischen Länder offenkundig weiterhin als – innenpolitisches – Kampfmittel gebraucht wurden. Aber auch diese Einspielungen haben heute wieder dokumentarischen Charakter – wenn auch schwer verdaulichen.

Fotos und Dokumente der Spanienkämpfer

Zudem präsentiert Schebera im Begleitbuch Fotos und Dokumente der Spanienkämpfer und weist in Kurzporträts auf die Schiftsteller Ludwig Renn, Erich Weinert oder Alfred Kantorowicz hin, die sich allesamt für die Interbrigaden einsetzten.

Diese Sammlung ist hervorragend und in ihrem Umfang einmalig. Und doch bleibt bei aller Begeisterung ein trüber Nachgeschmack. Denn Schebera wiederholt – obschon er selbst erwähnt, dass in den vergangenen Jahren viel zum Spanischen Bürgerkrieg publiziert worden ist – nahezu ausschließlich die Erzählung des Spanischen Bürgerkrieges, wie sie in der DDR üblich war. Ein anarchistischer Volksheld wie Buenaventura Durruti scheint Schebera daher völlig egal zu sein.

George Orwell taucht nur in der Bibliografie auf

Auch der packende Bericht „Mein Katalonien“ des britischen Spanien-Kämpfers und Schriftstellers George Orwell taucht nur in der Bibliografie auf, den Namen des eingangs zitierten Carl Einstein sucht man dort genauso vergeblich wie die CNT-FAI und die POUM, zwei große republikanische Organisationen in Spanien, die anarchistischen oder trotzkistischen Hintergrund hatten und deren Existenz in der DDR meist verschwiegen wurde.

Dieses Beschweigen hat Gründe: In mehreren Scharmützeln töteten die von der Sowjetunion gesteuerten Kommunisten während des Bürgerkrieges unliebsame Genossinnen und Genossen oder vertrieben diese. Die Prawda verkündete etwa im Dezember 1936, dass „das Herausfegen der Trotzkisten und Anarchosyndikalisten bereits begonnen hat. Es wird mit derselben Entschlossenheit erfolgen wie in der UdSSR.“ All das unterschlägt Schebera, stattdessen wird die Geschichte nur von kommunistischen Helden fortgeschrieben, die makellos dem Faschismus trotzten.

Diese blinde Heldenverehrung aber ist falsch – gerade Kommunisten haben Kritik verdient. Hätte diese Sammlung sich nicht den historischen innerlinken Problemen gegenüber verschlossen, wäre sie zweifelsohne noch beeindruckender, als sie jetzt schon ist.

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1 Kommentar

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  • Ja - geht - leider - klar -

     

    Beton - kommt drauf an -

    was man draus macht -

     

    dies - ein - Bärendienst -

    trotzalledem - und alledem -

    leider -

     

    Hinter

    Arthur Koestlers Sonnenfinsternis

    führt eben kein Weg zurück -

    nach vorn schon.