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Sondierung Union und GrüneGrüne wollen nicht mit Mutti

Nach der zweiten Sondierungsrunde lehnen die Grünen eine Regierungsbildung mit CDU und CSU ab. Die Union hält die Gegensätze der Parteien nicht für unüberwindbar.

Erste Absage eingehandelt: Angela Merkel. Bild: dpa

BERLIN rtr | Die Grünen haben sich nach einer zweiten Sondierungsrunde mit der Union gegen eine Regierungsbildung mit CDU und CSU entschieden, aber deutlich die Tür für künftige schwarz-grüne Bündnisse geöffnet.

Die inhaltlichen Differenzen hätten sich als zu groß erwiesen, um ein tragfähiges schwarz-grünes Bündnis für vier Jahre zu schmieden, sagten die Grünen-Chefs Claudia Roth und Cem Özdemir nach sechsstündigen gemeinsamen Beratungen mit CDU und CSU in der Nacht zu Mittwoch in Berlin.

Die Union hat nun nur noch die SPD als möglichen Koalitionspartner. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kündigte an, die Sozialdemokraten zu einer dritten Sondierungsrunde einzuladen.

Die Grünen hatten nach den Diskussionen mit der Union eineinhalb Stunden beraten, ob sie die Gespräche beenden sollten. „Ich glaube, dass man hinter den Stand, der heute Abend erreicht wurde, auch nicht mehr ohne weiteres zurückfallen kann“, sagte Özdemir. „Ich glaube, dass die Tür jetzt offen ist und sie wird auch nicht mehr so ohne weiteres zugehen.“ Die Frage erneuter Gespräche könnte sich etwa stellen, wenn Koalitionsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD scheitern sollten.

Keine unüberwindlichen Gegensätze

Auch die Generalsekretäre von CDU und CSU lobten demonstrativ die „gute, sachliche“ Gesprächsatmosphäre. „Wir können feststellen, dass auch gerade von Grünen ein erheblicher Teil des Weges, der uns trennt, gemacht worden ist“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

Zugleich schoben die Unionsvertreter die Verantwortung für das Scheitern der Gespräche aber den Grünen zu. „Es gab aus unserer Sicht keine unüberwindlichen Gegensätze“, betonte Gröhe. „Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Grünen außerstande sehen, ihren Gremien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu empfehlen.“

Dobrindt fügte hinzu: „Da wäre auch noch eine Möglichkeit gewesen, daraus auch eine gemeinsame Position zu entwickeln.“ Die CSU hatte sich vor wenigen Tagen noch zu einer klaren Präferenz für eine große Koalition bekannt.

Viele Meinungsverschiedenheiten

Gröhe betonte, dass die Union Kompromissbereitschaft etwa in den Bereichen der Flüchtlings- und Integrationspolitik, Tierschutz und Landwirtschaft gezeigt habe. Dies lobte auch Grünen-Chef Özdemir ausdrücklich. Die drei Parteien hatten zehn zentrale Felder ausgelotet.

Dabei habe es aber kaum Annäherung in Bereichen wie Europa, Energie, Landwirtschaft oder beim Ausbau der Infrastruktur gegeben, hieß es bei den Grünen. Roth und Özdemir kritisierten etwa die Position der Union beim Klimaschutz und bei CO2-Emissions-Obergrenzen für Automobilhersteller.

Auch der Mindestlohn und die von den Grünen geforderte Bürgerversicherung blieben strittig. Dagegen hatten Union und Grüne offenbar Einigungsmöglichkeiten bei der Ausweitung der Lkw-Maut und einem Fracking-Verbot gesehen. Die Grünen hatten nach der Sondierung zunächst intern die Ergebnisse der Sondierung ausgewertet, bevor sie sich gegen Koalitionsgespräche mit der Union entschieden.

Schwierige Gespräche zwischen Union und SPD

Der Union bleibt somit die SPD als möglicher Partner für ein Regierungsbündnis. Nach der Sondierung von Sozialdemokraten und Union hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Dienstag bei einer Telefonkonferenz der Parteiführung laut Teilnehmerkreisen eine Aussage vermieden, ob sich seine Partei und die CDU/CSU in der Nacht angenähert haben.

Nach der nun wahrscheinlich gewordenen dritten Sondierung am Donnerstag will der CDU-Bundesvorstand entscheiden, ob er mit der SPD Koalitionsverhandlungen beginnen will. Die SPD-Spitze will ihre Position einem Parteikonvent am Sonntag vorstellen.

In der zweiten Sondierung mit der SPD waren in der Nacht zu Dienstag erstmals Streitthemen wie Steuererhöhungen, Mindestlohn oder Wünsche der Länder angesprochen worden. SPD-Chef Gabriel betonte in der Telefonschalte des SPD-Bundesvorstands nach Angaben aus Parteikreisen, dass bei dem achtstündigen Treffen kaum Annäherungen erkennbar geworden seien.

Mindestlohn im Konfliktzentrum

Der von der SPD als zentraler Punkt geforderte gesetzliche Mindestlohn sei mit der Union offenbar in irgendeiner Form machbar, ohne dass aber Details klar seien. Alles, was mit Finanzierungsfragen zusammenhänge – wie etwa Investitionen in Bildung und Infrastruktur –, sei dagegen offen. Die Entscheidung, wie es weitergehe, liege bei der Union.

In der Telefonschalte des CDU-Präsidiums wurde am Dienstag vor allem die Unbeweglichkeit der SPD bei der Forderung nach einem politisch festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro kritisiert, den die Union ablehnt. Dagegen sah man Annäherungen etwa in den Bereichen Europapolitik und Verkehrsinvestitionen.

Strittiges Thema waren aus Sicht der Union auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, weil vor allem die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hohe Forderungen an den Bund gestellt habe.

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11 Kommentare

 / 
  • K
    Kreuzbergerin

    Gast

     

    Mutti - WER ?

     

    Habt Ihr zu Hause keine Mutti?

  • KS
    Kevin Schoening

    Jetzt könnten sie die Energiewende aus der Regierung heraus mitgestalten und tun es nicht.

     

    Die sind einfach nur noch bescheuert.

  • Özdemir: „Ich glaube, dass die Tür jetzt offen ist und sie wird auch nicht mehr so ohne weiteres zugehen.“

    >> Für vier Jahre ist die Tür jetzt erst mal zu, und 2017 könnte es schon ganz andere Mehrheiten geben. Für FDP und AfD ist die Große Koalition jedenfalls eine große Chance.

     

     

    "Die Frage erneuter Gespräche könnte sich etwa stellen, wenn Koalitionsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD scheitern sollten."

    >> Die CDU wird dann garantiert nicht mehr mit den Grünen reden, weil jene auf die Zugeständnisse an die SPD noch etwas draufsatteln wollten. Oder glaubt jemand, die Grünen würden in ein paar Wochen z.B. auf einen der SPD zugebilligten Mindestlohn verzichten, um etwas mehr Energiewende zu erreichen? Würden das die Grünen-Delegierten akzeptieren?

     

    Soweit die Quandt-Spende an die CDU die Grünen provoziert hat, hat sie sich aus Sicht von BMW schon gelohnt (wegen dieser Wirkung auf die Grünen, nicht der Einflussnahme auf die CDU!).

  • 6G
    6175 (Profil gelöscht)

    Seit den Steuersenkungs- und Hartz4-Jahren mit Schröder sind die Grünen auf konservativem Kurs. Auch unter CDU-FDP-Regierung stimmten die Grünen häufig mit der CDU. Dann kam der minimale Linksruck vor der Wahl, der aber schon am Wahlabend zur Freude vieler Medien gleich wieder umgeworfen wurde.

    Und nun ist eine Koalition mit der CDU ausgeschlossen? Aber die "Tür ist nun offen"? So eine absurde show sollte mal die Linke aufführen, da wäre was los in den Medien.

     

    Die Grünen könnten inhaltlich mit SPD, CDU/CSU und auch 2017 wieder mit der FDP koalieren. Die zurückgetretenen und nun wieder kandidierenden Grünen - ein weiterer Witz - blamieren sich ziemlich.

    Unterschiede gibt es in dieser schlingernden Mitte keine - es scheint einzig um Taktik zu gehen - a la "wir wollen nicht neben Merkel noch kleiner werden, warten wir auf 2017". Hoffen wir nur, daß diese schlechte Politik nicht Parteien rechts dieser "Mitte" aufkommen läßt, die noch marktradikaler sind. 2 der 4 Mitteparteien sind überflüssig.

  • S
    Sören

    So überraschend kommt das Ende dieser Option nun nicht. Die Grünen haben einen Wahlkampf mit einer "linken" Programmatik gemacht, und sich dadurch an die SPD gekettet. So einen Fehler darf man nicht wiederholen, auch mit Blick auf die Frage, ob die SPD sich wieder erholen kann.

     

    Eine Große Koalition war seit dem Wahlabend die wahrscheinlichste Variante, und jetzt ist sie die einzige verbliebene Option. Die Verhandlungsposition der SPD könnte sich etwas verbessert haben, aber was für Kompromisslinien gefunden werden ist unabsehbar. Die letzte Große Koalition konnte sich bpsw. nicht auf eine Gesundheitsreform einigen, und hat dieses Thema dann in die Legislaturperiode verschoben. Ob das angesichts des SPD-Mitgliederentscheides heute möglich ist, ist fraglich.

     

    Neuwahlen sind m.E. keine Alternative. Der Ausgang ist unberechenbar, und wahrscheinlich wäre die Ausgangslage für Koalitionen ähnlich wie jetzt. Wenn die Große Koalition doch scheitern sollte, etwa an den SPD-Mitgliedern, sollten die Grünen überlegen, eine Minderheitsregierung der Union zu tolerieren Dann könnte man in 1-2 Jahren in eine echte Koalition eintreten.

  • SS
    Susanne Schmidt

    Liebe Taz-Redakteurinnen,

    könnten Sie bitte alle mal gemeinsam entscheiden, Frau Merkel nie wieder "Mutti" zu nennen?

    Das wäre sehr gut, würde meinen Blutdruck entlasten und die Gleichberechtigung wieder einen Millimeter vorantreiben

  • TR
    Thomas R. Koll

    Die Grünen können auch nur mit der CDU koalieren, Die CSU könnte dann, mehr als bisher, die Opposition machen.

  • AO
    Aleksandr Orlov

    Da wird sich der Bonusmeilensammler Özdemir aber grämen, dass ihm ein lukrativer Ministerposten durch die Wicken geht.

    Uns bleibt dafür aber ein kopfwackelnder transatlantischer Dauerbedenkenträger erspart, das ist doch was.

    Jetzt müssen nur noch die Spezialdemokraten ihr unwürdiges Spiel beenden, das sie ohnehin nur aufführen um ihrer Basis einen vorzugaukeln und Sand in die Augen zu streuen. Entweder die Stones fallen jetzt um und beerdigen den auch von ihnen ungeliebten Mindestlohn und schlüpfen unter Muttis Rockzipfel- dann gibt es 2107 keine SPD mehr, oder sie lassen Mutti alleine machen. Die kann sich mit einfacher Mehrheit im dritten Wahlgang zur Kanzlette wählen lassen und eine Minderheitsregierung führen. Dann muss sie endlich mal für was kämofen und sagen was sie eigentlich will.

    Dann hätte die SPD der Demokratie einen Riesendienst erwiesen.

    So wie jetzt die Grünen.

    • SU
      Sinn und Verstand
      @Aleksandr Orlov:

      Ich erinnere daran, dass die Mehrheit der Deutschen, Mutti samt Chamäleonisierendem Anhang, nicht gewählt hat.

       

      Die Mehrheit stellen die übrigen Parteien samt Nichtwähler (27% der deutschen Wahlberechtigten).

       

      Es fehlt ein Interesse daran, warum Menschen nicht mehr wählen. Sie werden lediglich diffamiert.

       

      Ein Bündnis aus Rot-Rot-Grün wird verworfen, weil es zu instabil ist.

       

      Übersehen wird dabei, daß unser allgemeiner Irrsinn sowieso instabil ist und keinerlei zukunftsweisende allgemeine Menschenrechte und Humanität beinhaltet.

       

      Und bis 2017 warten, was ist das für eine Aussage?

      Unsere Kinder und wir verschenken also weitere 4 Jahre

      Nonsense?

      • AO
        Aleksandr Orlov
        @Sinn und Verstand:

        Niemand muss mit Mutti koalieren.

        Mutti soll sich im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zur Kanzlette wählen lassen und dann fallweise Mehrheiten suchen.

        Dann müßte aber die SPD ernsthafte Oppositionspolitik machen und das will weder Steinbrück noch Steinmeier. Die suchen jetzt nur nach einer Möglichkeit, aus der Nummer mit dem ungeliebten Mindestlohn wieder rauszukommen, was gar nicht so einfach wird, da Mutti im Prizzip nicht abgeneigt wäre. Dagegen sind vor allem Steinmeier und Steinbrück in ihrem langjährigen chronischen neoliberalen Rausch. Die inszenieren jetzt das Pöstchenschiebergeplänkel als ernsthaften Kamopf, weil sie sonst die GroKo nicht an der Basis vorbeigemogelt kriegen.

        Dafür kriegen sie dann 2017 einen auf die Nase, dann ist endgültig Schluss mit der SPD.

        Dann kann man halt nur noch zwischen zwei neoliberalen Parteien (CDU und Grüne) wählen statt bisher zwischen vier. Macht's was? Nein!

        • KM
          Karl Moik
          @Aleksandr Orlov:

          Naja, Grüne oder SPD macht schon einen Unterschied! Und aus der Nummer "Mindestlohn" will die SPD-Führung keineswegs ernsthaft heraus, wohl eher in die Nummer "Steuererhöhung" rein, um der CDU noch eine Schelle mitzugeben. Aber ja, wieso eigentlich keine Minderheitsregierung unter Merkel? Die Deutschen wollen das doch so...?