Selbst ernannter SMS-Erfinder Makkonen: "Ich bin glücklich über jede Nachricht"

Wer hat die SMS erfunden? Der Finne Matti Makkonen will die Idee in einer Pizzeria gehabt haben. Er meint, die Nachrichten seien ein Segen - wenn es nicht um Gefühle geht.

Wurde nicht für Streikbrecher erfunden: SMS Bild: dpa

taz: Herr Makkonen, warum meinen Sie der Vater der SMS zu sein, der Erfinder der Textnachricht per Mobilfunk?

Matti Makkonen: Das habe ich in der größten Tageszeitung Finnlands gelesen, der Helsingin Sanomat. Eine Journalistin hat das dort herausgefunden.

Tun Sie nicht so unbeteiligt, erzählen Sie lieber!

Nun gut, alles begann in einer Pizzeria in Kopenhagen, in den frühen Achtzigerjahren. Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht mehr sagen. Jedenfalls saß ich mit zwei finnischen Kollegen zusammen. Am nächsten Tag wollten wir mit Experten aus Dänemark, Norwegen und Schweden darüber diskutieren, wie die mobile Kommunikation der Zukunft aussehen soll. Also redeten wir darüber auch schon am Abend, bei einem dänischen Bier. Dann kam uns die Idee …

"Uns"? - Ihr Kollege Seppo Tiainen sagt, Sie hatten den Einfall?

Ja, aber ich sage lieber "wir", weil es Ergebnis eines längeren Gesprächs war. Wir dachten also: Man muss von einem Mobiltelefon zum anderen Texte schicken können. Zu der Zeit konnten nämlich nur diese kleinen Funkmeldeempfänger Textnachrichten empfangen.

Was? Also haben die Funker die SMS erfunden?

Nein, denn Ihre sogenannten Beeper hatten ein Problem: Sie konnten damit zwar eine Nachricht empfangen, aber nicht einfach verschicken. Dazu musste man erst einen Operator anrufen und ihm den Text erzählen, damit er ihn dann mit einer speziellen Technik sendet. Das war kompliziert, teuer, ohne Privatsphäre und darum auch nicht populär. Künftig sollte aber eine kleine Box in der Tasche Texte senden und erhalten können. Hinter dieser Idee steckte ein echter Aha-Effekt. Wir erfanden auch ein finnisches Wort dafür: "tekstinäppelin".

Der Begriff mag einzigartig sein, aber Fachleute arbeiteten weltweit daran, die Telekommunikation zu verbessern. Die SMS-Idee lag überall irgendwie in der Luft?

Tatsächlich kommt man auf ungefähr fünf Namen, wenn man im Internet nach dem Erfinder der SMS sucht. Der ein oder andere hat zum Beispiel die Details der Technik entwickelt. Mit der eigentlichen Idee steht da aber keiner.

Friedhelm Hillebrand war in den Achtzigerjahren Mitarbeiter der Deutschen Telekom. Er sagt, er habe mit Kollegen 1985 den ersten Anstoß für die Entwicklung der SMS gegeben - und anders als Sie legt er Dokumente vor.

Ja, und ich habe auch großen Respekt vor ihm und allen anderen in den europäischen Expertengruppen, die sich darum gekümmert haben, dass SMS europaweit Wirklichkeit wurde. Aber unsere Kopenhagen-Runde, in der die Idee geboren wurde, war einfach früher.

Können Sie das beweisen?

Das ist wohl nicht mehr möglich. Wir haben unser Brainstorming nicht dokumentiert. Macht aber auch nichts. In der Telekommunikation gibt es hunderte Innovationen, die auf der Arbeit von hunderten von unbekannten Personen basieren.

Entwickler des britischen Telekommunikationskonzerns Vodafone sollen im Dezember 1992 jedenfalls die erste SMS verschickt haben. Warum hat das so lange gedauert?

SMS war keine große Sache damals. Wir haben unsere Idee hier und da zum Beispiel mal am Kaffeetisch bei Treffen mit anderen Experten erzählt. Aber so richtig sprang keiner darauf an. Die Ansprüche der Kunden an die mobile Kommunikation waren zunächst andere: unterwegs reden können.

Das war wirklich der einzige Grund?

Natürlich brauchen Entwickler auch Zeit. Zwar haben wir uns schon in der Pizzeria zum Beispiel Gedanken darüber gemacht, wie viele Knöpfe ein Mobiltelefon haben könnte. Etwa so viele wie das Abc? Aber auf die Lösung kommt man nicht sofort. Wir dachten nur: Das geht! Schließlich gab es schon Taschenrechner für die Hosentasche. Ich bin jedenfalls glücklich über jede SMS.

Würden Sie denn gerne per SMS von einer Frau hören, dass sie Schluss mit Ihnen macht?

Sicher, wenn es um Emotionen geht, sind SMS gefährlich. Niemand will solche Nachrichten bekommen. Sie werden zu leicht falsch verstanden, sie können verletzen. Dennoch, das Positive überwiegt: Die Menschen kommunizieren intensiver miteinander. Eine SMS ist schnell verschickt. Die Hemmschwelle, miteinander zu reden, sinkt.

Was verstehen Sie unter "intensiver kommunizieren"?

Jungen zum Beispiel können ihre Gefühle besser mit SMS ausdrücken. Sie würden vielleicht nie sagen: "Ich liebe dich", aber sie schreiben es per Handy. Das ist doch prima. SMS ist spontan …

und oft respektlos. Termine werden kurzfristig abgesagt, Grammatikregeln spielen keine Rolle. Haben Sie Ihre Idee noch nie bedauert?

Die SMS hat die Kommunikation verändert, aber das hat die alte Post auch. Vor vielen Jahren gab es diese Postkarten, auf denen die Briefmarken schon drauf waren. Sie haben dann nur noch schnell den Text hingekritzelt. Oder: Mädchen und Jungen haben sich früher in der Schule kleine Zettelchen geschrieben. Manchmal stand nur die richtige Lösung für die Matheaufgabe drauf. Die soziale Funktion ist bei allen Mitteilungen dieselbe. Die SMS ist einfach nur effizienter. Man kann sie an jeden verschicken, egal wo er ist.

Bekommen Sie für jede SMS Geld?

Tja, theoretisch könnten wir Milliardäre sein. Aber wir haben kein Patent beantragt. Damals war das nicht üblich. Wir wollten die Telekommunikation weltweit entwickeln - nach dem Open-Source-Prinzip. Jeder durfte jede Idee kopieren, nutzen und verändern. Und jetzt ist es zu spät. Natürlich hätte ich anders gehandelt, wenn ich damals gewusst hätte, was für ein kommerzieller Erfolg SMS ist. Ich denke darüber einfach nicht nach, das ist zu deprimierend.

Sie haben nicht damit gerechnet, dass eines Tages gut drei Milliarden Menschen SMS verschicken?

Anfangs sicher nicht. Allerdings waren wir fürchterlich aufgeregt, als wir die Idee hatten. Wir haben damals Späße gemacht darüber, was heute gang und gäbe ist: dass man in Konferenzen SMS unter dem Tisch schreiben könnte, dass man unbemerkt lästern könnte und dass man heimlich Infos anfordern könnte, wenn man selbst nicht mehr weiterweiß in einer Diskussion. Im Ernst: Wir dachten, SMS sei gut für Geschäftsleute, aber uns war nicht klar, dass jeden Tag jedes Kind SMS verschicken wird.

Und warum reden Sie erst zwanzig Jahre nach Ihrer Idee über Ihre Idee?

Damals wussten wir nicht, welche Idee genau, den großen Fortschritt bringen wird. Unsere Idee war nur eine unter vielen. Aber heute bin ich ein wenig stolz, dabei gewesen zu sein. SMS ist eine höfliche Art der Kommunikation geworden. Sie können sich mitteilen, ohne andere zu stören. Niemand muss sofort antworten. Es gibt nur ein Problem. Zu viele Leute stellen ihr Handy nicht auf leise. So nerven sie andere in der U-Bahn, im Bus oder im Theater durch ihre vielen Nachrichten.

Wieso ist eine SMS eigentlich auf 160 Buchstaben beschränkt?

Das hat technische Gründe. Die SMS wird über Signale des sogenannten GSM-Systems, des Global System for Mobile Commuications weitergeleitet - und da ist nur Platz für 160 Zeichen. Zum Glück. Wäre eine SMS so lang wie eine E-Mail, dann würde sie dem ursprünglichen Sinn nicht mehr entsprechen - nur das Wichtige mitzuteilen. Fassen Sie sich kurz!

INTERVIEW: HANNA GERSMANN

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