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Rüstungsforschung in Baden-WürttembergVielfältig nutzbare Ergebnisse

Die grüne Politikerin Bauer forderte als Oppositionelle, die Rüstungsforschung abzuschaffen. Als Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg sieht sie das anders.

Lehnt eine „gesetzliche Beschränkung von Forschungsaktivitäten“ ab: die baden-württembergische Wissenschaftministerin Theresia Bauer. Bild: dpa

KARLSRUHE/STUTTGART dapd | Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) darf voraussichtlich weiter für die Waffenindustrie geforscht werden. Damit wird es auch unwahrscheinlicher, dass Baden-Württemberg als erstes Bundesland die Rüstungsforschung an sämtlichen Hochschulen gesetzlich verbietet. Friedensaktivisten werfen Grünen und SPD bereits Wahlbetrug vor.

Am Mittwoch (9. Mai) wollen sie demonstrieren, wenn der Landtag über einen Gesetz zur Weiterentwicklung des KIT entscheidet. Eine sogenannte Zivilklausel - die Rüstungsforschung ausschließen soll - fehlt in dem Entwurf. Dabei hatte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) als Oppositionspolitikerin genau diese gefordert.

Inzwischen hört sich das anders an: „Es ist ein Unterschied, ob man für Zivilklauseln im Sinne einer Selbstverpflichtung eintritt, wie ich es immer bevorzugt habe, oder ob man ein Verbot durch den Gesetzgeber will“, sagte Bauer im November vergangenen Jahres, rund ein halbes Jahr nach dem Antritt der grün-roten Landesregierung. Eine „gesetzliche Beschränkung von Forschungsaktivitäten“ lehne sie ab.

Auch ein Sprecher der Ministerin sagte nun, Bauer habe „seit jeher betont, dass es ihr um eine Selbstbindung geht, um eine Diskussion auf Hochschulebene“. Als im Jahr 2009 die Universität Karlsruhe mit dem Kernforschungszentrum zum KIT verschmolzen wurde, wollte Bauer die Zivilklausel aber noch vorschreiben. Die schwarz-gelbe Landtagsmehrheit lehnte den Antrag von SPD und Grünen jedoch ab.

Grundsätzlich erlaubt

Friedensaktivisten setzten daher Hoffnungen in die neue Landesregierung, fordern Vorgaben im Landeshochschulgesetz. Damit könnte Baden-Württemberg zum bundesweiten „Vorreiter“ werden, wie Dietrich Schulze von der „Initiative gegen Militärforschung an Universitäten“ sagt. In Bremen werde ebenfalls über die Zivilklausel diskutiert, in den übrigen Bundesländern sei Rüstungsforschung an den Hochschulen derzeit grundsätzlich erlaubt.

Umso schwerer wiegt die Enttäuschung über die Landesregierung in Baden-Württemberg. „Damit wird ein Wahlversprechen gebrochen“, sagt Schulze. In der Tat können die Wahlprogramme von Grünen und SPD Hoffnung machen auf ein Verbot von Rüstungsforschung. Die Sozialdemokraten schreiben etwa: „Die Forschung in Baden-Württemberg soll ausschließlich friedlichen Zwecken dienen.“

Und bei den Grünen heißt es, sie würden die Einführung von Zivilklauseln „befürworten“. Dass die Landesregierung Rüstungsforschung am KIT nun erlauben will, erklärt sich Schulze damit, „dass die führenden Leute vor den Mächtigen aus Rüstung und Wirtschaft in die Knie gehen“. Auch die Hochschulen seien unterfinanziert und würden dadurch stärker abhängig von der Waffenindustrie.

Das KIT selbst möchte in den kommenden Wochen ethische Leitlinien verabschieden, wie eine Sprecherin des Instituts sagt. „Die Leitlinien respektieren die Freiheit der Wissenschaft und appellieren gleichzeitig an die Verantwortung jedes Einzelnen.“ Schulze reicht das nicht. Er fordert eine verbindliche Vorgabe.

„Keine Rüstungsforschung im engen Sinne“

Von 1996 bis 2005 arbeitete Schulze selbst als Elektrotechniker im Kernforschungszentrum, für das eine Zivilklausel gilt. Durch die Zusammenlegung zum KIT könne Rüstungsforschung bequem an der Universität betrieben werden, die Zivilklausel werde so „ausgehöhlt und damit abgeschafft“.

Am KIT gibt es laut Sprecherin gar keine „Rüstungsforschung im engen Sinne“. Dass die Forschungsergebnisse „vielfältig genutzt werden können“, lasse sich jedoch generell nicht ausschließen. So könnten Leichtbaumaterialien etwa für Verkehrsflugzeuge oder auch für Kampfjets verwendet werden.

Der ehemalige Forscher Schulze sieht dennoch Zeichen für Rüstungsforschung. Automatisch gesteuerte Autos seien von einem KIT-Mitarbeiter Anfang des Jahres auf einer Wehrtechniktagung vorgestellt worden. Und die Entwicklung eines Breitband-Nachrichtensystems werde vom Verteidigungsministerium finanziert.

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13 Kommentare

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  • P
    PeterWolf

    @origin83

    "Forschung sollte in alle Richtungen frei sein, solange sie einem eth(n)ischen und moralischen Leitfaden folgt."

     

    Da benennen Sie völlig zutreffend ein weiteres Problem:

    Wie ist der Leitfaden definiert, und wie verhindert man, dass die Forschungsergebnisse auch nur nach diesem weiter verwendet werden?

     

    Ist es verwerflich, die selbe Technologie, mit der Bomben in ihr Ziel gesteuert werden, in einem modernen Mobiltelefon zur Orientierung zu verwenden oder gar in einem Rettungssystem?

     

    Wäre es in Ordnung, diese militärisch entwickelte Technik zivil zu nutzen, aber nicht, zivile Technik zu entwickeln, die auch militärisch benutzt werden kann? (einen militärischen "Missbrauch" dieses Wissens zu verhindern ist nämlich vollkommen aussichtslos!)

     

    Die Forschung der Rüstungsindustrie für die eigentlichen "Waffen" macht nicht mal ein Prozent aus und findet auch nicht in öffentlich zugänglichen Einrichtungen statt.

     

    P.S. Bei der "VEBEG" werden unter der Ausschreibungsnummer 1221181.002 10 Stück Rettungsfallschirmkappen GQ 5000 für Schleudersitz WS PA200 Tornado angeboten. (natürlich ohne den Schleudersitz, der wird demilitarisiert separat angeboten)

    Hinweis: Leinen gekappt, nur für Dekorationszwecke!

     

    ABER: Ausfuhrgenehmigungspflichtig!

     

    Ich freue mich über jede Anregung, was man damit schlimmes machen kann. Ich habe nämlich keine Idee.

    Mit dem Stoff kann man nicht mal eine blickdichte Burkha schneidern.

    Und ein Hochzeitskleid in orange und olivegrün?????

  • A
    AntiFunt

    Ich erinnere mich mit großer Freude daran, wie Hitler und seine bewaffneten Schlächter vor rund 67 Jahren von den Moskauer Friedensaktivisten durch Lichterketten und das Absingen revolutionärer Lieder (begleitet von der Stalinorgel) bezwungen wurden.

     

    Sollte sowas wieder mal vorkommen, kann man sich drauf verlassen, dass Frau Bauer ("Krieg ist pfuibäh!") in erster Reihe steht und mit dagegen ansingt?

  • P
    Pim

    Ein Satz wie etwa der aus dem SPD-Programm („Die Forschung in Baden-Württemberg soll ausschließlich friedlichen Zwecken dienen.“) ist doch ohnehin, sagen wir mal so, sehr poetisch formuliert.

     

    Es werden ja auch Kriege zu 'friedlichen Zwecken' geführt und Waffen verteilt zu 'friedlichen Zwecken'.

     

    Irgendwie treffend, dass der riesige Unterschied zwischen 'ohne Gewähr' und 'ohne Gewehr' ein einziger kleiner Buchstabe ist... Was lange wehrt wird endlich gut ;)

  • O
    Origin83

    Ich kann PeterWolf hier nur zustimmen.

     

    Erschreckender finde ich, dass man damit Forschung beschneiden will. Forschung sollte in alle Richtungen frei sein, solange sie einem ethnischen und moralischen Leitfaden folgt.

  • SB
    Sebastian Braun

    Muss man eigentlich tatsächlich daran erinnern, dass in Deutschland die Freihei der Forschung herrscht? Das ist immerhin ein in der Verfassung garantiertes Grundrecht!

    Abgesehen davon wäre es ja auch nicht nur bigott, sondern auch unverantwortlich gegenüber den Soldaten der Bundeswehr, wenn sie von (u.a. grünen!) Politikern in Kriege geschickt werde, ihnen aber dieselben Politiker eine möglichst optimale technische Ausrüstung verwehren würden.

  • J
    JoJo

    Ich bin ja mal gespannt, mit welchen ihren Wählern es sich die Landesregierung in BW noch alles verscherzen will, indem sie ihre Wahlversprechen bricht...

     

    Zuerst die S21-Gegner, da der Bahnhof jetzt doch gebaut wird.

     

    Dann die Beamten, weil deren Gehaltserhöhung verschoben wurde, obwohl von der SPD vor der Wahl ein schriftliches Versprechen gegeben wurde, dies nicht zu tun.

     

    Dann die - ich nenn sie mal wertungsfrei - "Friedensaktivisten", indem doch kein gesetzliches Verbot der Rüstungsforschung kommt.

     

    Ich kann nur sagen, zum Glück habe ich weder Grün noch Rot gewählt!

     

    MP Kretschmann sagte bei der Protestkundgebung am 03.03.2012 des Beamtenbundes BW (http://www.bbw.dbb.de/navi/index_c.htm): "Wenn es Ihnen nicht passt, dann können Sie mich in vier Jahren abwählen!"

     

    Herr Ministerpräsident, Ihr Wunsch sein mir Befehl!!!

  • J
    Jared

    Frau... wer nochmal?? ist ein weiteres Beispiel für die Machtvergessenheit unserer Politikdarsteller.

     

    Die ihr von den Wählern verliehene Macht hat sie tatsächlich vergessen, weil sie sich so verhält, wie es die Waffenaffen von ihr verlangen und wie es alle - außer vielleicht einigen idealistischen (ehemaligen) Grün-Wählern - resignierend von ihr erwartet haben.

     

    Macht auszuüben heisst, große Entscheidungsspielräume zu haben, zu erweitern und zu nutzen. Frau B. verschenkt ihren bereitwillig an Heckler & Koch - in ein paar Jahren schon wird man sie vergessen haben.

  • GF
    Gerhard Fontangier

    fragt sich, ob die taz es nötig hat einen agenturbericht mit diesem bild in den kontext zu stellen. es handelt sich nämlich um den ladestecker für ein elektroauto.

     

    http://www.maschinenmarkt.vogel.de/imgserver/bdb/289700/289705/4.jpg

  • S
    Sander

    Und mit dem richtigen Bildausschnitt kann man sogar suggerieren, dass die gute Frau dort eine Waffe in der Hand hält. Welch Berichtsniveau! Es dürfte aber wohl eher eine Stromkontakt sein. Oder kann mich wer aufklären?

  • T
    tageslicht

    "Die grüne Politikerin Bauer forderte als Oppositionelle, die Rüstungsforschung abzuschaffen. Als Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg sieht sie das anders."

     

    Überrascht das jetzt eigentlich wen? Also außer Taz-Redakteure, deren Weltbild jetzt erschüttert ist.

  • P
    PeterWolf

    "Der ehemalige Forscher Schulze sieht dennoch Zeichen für Rüstungsforschung. Automatisch gesteuerte Autos seien von einem KIT-Mitarbeiter Anfang des Jahres auf einer Wehrtechniktagung vorgestellt worden. Und die Entwicklung eines Breitband-Nachrichtensystems werde vom Verteidigungsministerium finanziert."

     

    Damit benennt er ja selbst das eigentliche Problem in der praktischen Umsetzung eines Rüstungsforschungsverbots.

    Der sogenannte "dual use".

    Und das sind fast alle auch militärisch nutzbaren Forschungen.

     

    Würde es um ein (sowieso nur symbolisches) Verbot z.B. der Entwicklung von Nuklearwaffen gehen, wäre es kein Problem.

     

    Aber ohne z.B. ein "Breitband-Nachrichtensystem" hätte ich weder diesen Artikel gelesen noch diesen Kommentar geschrieben.

     

    Ergo leider ein untauglicher Ansatz, um Kriege zu verhindern.

  • V
    viccy

    Selbstverpflichtung funktioniert ja immer prächtig.

  • B
    Bärbel

    Tja, wer PolitikerInnen der Grünen vertraut, hat schon verloren.

     

    Sobald die regieren machen sie meist das Gegenteil von dem, was sie vorher versprochen haben.

     

    Deshalb sind auch die S 21 - GegnerInnen in BaWü unzufrieden: Die Grünen machen nutzen ihren vorhandnenen Spielraum gegen das Milliardenprojekt

    S 21 überhaupt nicht. Und bei der Voksabstimmung bestand ein finanzielles und medienmachtmäßiges Ungleichgewicht zugunsten der Deutschen Bahn/den S 21 -Befürwortern.

     

    Übrigens: 2004 hatten die Grünen im Bundestag noch selbst für das unsinnige Milliardenprojekt Stuttgart 21 gestimmt. Und heute verwirklichen sie es mit Ministerpräsident Kretschmann, obwohl sie überhaupt nur wegen des Protests gegen S21 in Ba Wü an die Macht gekommen sind.

     

    Auf die Grünen kann man sich inhaltlich nicht verlassen.

     

    Sicher ist nur: Sobald sie regieren machen sie dieselbe umweltzerstörende, Steuergelder verschwendende Lobbypolitik gegen die kleinen Leute wie die anderen Parteien auch - siehe Frau "Rüstungsindustrie" Bauer.

     

    Also: Nie die Grünen wählen, dann muss man sich hinterher auch nicht schwarz ärgern!