Regierungsbildung in Italien: Fünf Sterne stimmen für Koalition
Bei der Suche nach einer neuen Regierung in Italien hing alles von einer Abstimmung im Internet ab. Nun dürfte der neuen Regierung kaum noch etwas im Wege stehen.

Damit kann Conte nun sein Kabinett bei Staatschef Sergio Mattarella präsentieren. Der muss es dann noch absegnen. Es wird erwartet, dass dies am Mittwoch geschieht. Nach der Vereidigung müssen noch beide Parlamentskammern einer neuen Regierung zustimmen. Die beiden Parteien haben dort eine Mehrheit. Der Pakt war zustanden gekommen, nachdem das europakritische Bündnis zwischen Sternen und der rechten Lega von Matteo Salvini – ebenfalls mit Conte als Premier – im August zerbrochen war.
Auf dem Onlineportal „Roussau“ stimmten nun 79,3 Prozent für das neue Bündnis mit dem ehemaligen Erzfeind PD, 20,7 Prozent dagegen. „Jetzt sind wir auf den letzten Metern angekommen“, sagte Sterne-Chef Luigi Di Maio. Nun müsse eine Regierungsmannschaft ans Werk, die das Leben der Italiener verbessern müsse.
Di Maio verteidigte das umstrittene Abstimmungsportal als Instrument der Basisdemokratie. Kritiker bemängeln bei „Rousseau“ aber fehlende Transparenz und Sicherheit. Am Dienstag stürzte es mehrmals ab. Das Ergebnis verzögerte sich, während ganz Italien auf eine Entscheidung einiger Zehntausend Sterne-Aktivisten wartete. Nun kann Italien nach wochenlanger Krise also bald eine neue Regierung mit den europafreundlicheren Sozialdemokraten bekommen.
Wer folgt auf Salvini?
Conte hatte davon gesprochen, dass nun „Träume“ wahr werden könnten. „Wir haben große und gute Ideen für dieses Land.“ Mit Spannung wird auf die Besetzung der Ministerposten geschaut. Um das wirtschaftlich angeschlagene Land zu reformieren, „braucht man keine Superhelden, die meinem Sohn so gefallen“, sagte Conte. „Es reichen normale Personen, die aber verantwortungsbewusst und entschlossen sind.“
In der EU und auch in Deutschland sind die Hoffnungen groß, dass Italien mit dem Bündnis wieder näher an Brüssel heranrückt. Rechtspopulist Salvini war auf extremen Konfrontationskurs gegangen. Sterne-Chef Di Maio hatte sich zuletzt gemäßigter gezeigt. „Das Ziel ist sehr klar: In der EU und im Euro zu bleiben, aber mit Italien als einem der Protagonisten.“
In einem Programmentwurf für die geplante Regierung ist von einer „expansiven Wirtschaftspolitik“ die Rede, die jedoch das Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen nicht aufs Spiel setzen soll. Beim Thema Haushaltsdisziplin gab es regelmäßig Streit mit Brüssel über die ausufernden Schulden Italiens.
Entscheidend bei Migrationsfragen wird vor allem, wer Salvini im Innenministerium folgt. Er hatte einen harten Kurs gegen Einwanderer gefahren und damit viele Stimmen im Volk geholt. In einem Entwurf des Regierungsprogramms von Sternen und PD wird das Streitthema weitestgehend ausgespart – es heißt lediglich, dass die illegale Einwanderung bekämpft und die sogenannte Dublin-Regel in der EU geändert werden soll. Diese besagt, dass Flüchtlinge in dem Land ihr Asylverfahren durchlaufen sollen, wo sie zuerst die EU betreten haben. Das ist wegen seiner Mittelmeerküsten häufig Italien.
Nach den mühsamen Verhandlungen der letzten Tage zwischen den beiden zerstrittenen Parteien steht ein großes Fragezeichen hinter der Stabilität einer solchen Koalition. Denn: „Für einen Aktivisten der Fünf Sterne ist der Name PD das gleiche wie für einen Stier ein rotes Tuch“, sagte Politanalyst Francesco Galietti von der Denkfabrik Policy Sonar der Deutschen Presse-Agentur.
Die Fünf-Sterne-Bewegung war aus der Parlamentswahl vom März 2018 mit mehr als 32 Prozent der Stimmen als die mit Abstand stärkste Partei hervorgegangen. Die PD hatte Italien in der Legislaturperiode 2013-2018 regiert, bei der Wahl aber kräftig Stimmen verloren.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren