Rechte von Transsexuellen: Heilige Ehe nur für Mann und Frau
Gleichgeschlechtliche Ehe? So etwas gibt es hierzulande nicht, zumindest nicht rechtlich. Die Regierung rät einem Paar, sich scheiden zu lassen.
BERLIN taz | Ein Fall wie der von Pamela und Sabine Halling ist in der deutschen Verwaltung nicht so richtig vorgesehen. Als Pamela Halling im Januar 2011 zum zweiten Mal heiratete, war sie noch Guido. Damals sagte er Ja zu Sabine. Doch zehn Monate später wurde aus Guido Pamela, aus dem Mann also eine Frau. Aus dem heterosexuellen Paar wurde damit ein gleichgeschlechtliches, das jetzt miteinander verheiratet ist.
Und darin liegt die Crux. Gleichgeschlechtliche Paare können hierzulande nicht heiraten, sondern nur eine eingetragene Partnerschaft eingehen, eine Art Ehe light. Die Ehe selbst ist nach traditionellem Verständnis eine Verbindung von Mann und Frau. Pamela und Sabine Halling sind etwas dazwischen: eine gleichgeschlechtliche Ehe. Und die kommt in amtlichen Urkunden, Dokumenten und Formularen in der Regel nicht vor.
Deshalb haben Pamela und Sabine Halling Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Brief geschrieben und auf das Problem aufmerksam gemacht. Das Paar bekam Antwort, sagt Pamela Halling zur taz: „Uns wurde empfohlen, uns scheiden zu lassen.“ Danach könnte das Paar dann eine Eingetragene Partnerschaft eingehen. Doch genau das wollten Pamela und Sabine Halling nicht.
Pamela und Sabine Halling, die vor drei Monaten von Essen nach Ibbenbüren bei Osnabrück gezogen sind, dürften nicht die einzige gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland sein. 2008 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich verheiratete Transsexuelle nicht mehr scheiden lassen müssen, bevor sie rechtlich ihr Geschlecht ändern können. Ein Jahr später, 2009, hat der Bundestag dieses Urteil im Transsexuellengesetz umgesetzt. Seitdem sind gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland zwar legal möglich – allerdings nur im Zusammenhang mit einer Änderung des Geschlechts bei einem Ehepartner.
„Frechheit“, sagt Pamela Halling
Demnach können die Angaben im Personalausweis jetzt problemlos umgeschrieben werden. Bei Dokumenten wie beispielsweise einer Eheurkunde ist das schwieriger.
Das zumindest geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervor. Probleme bei der Ausstellung solcher Dokumente seien zwar bekannt, räumt die Bundesregierung ein. Aber sie verweist unter anderem auf eine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz, wonach Bezeichnungen wie „Ehemann“ und „Ehefrau“ entfallen, sobald sich das Geschlecht geändert hat. Das genügt, findet die Bundesregierung: „Weitere Änderungen sind nicht geplant.“
Pamela Halling, 41, empfindet dies als „Frechheit“. Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, nennt es „Scheinheiligkeit pur“. Er sagt: „Anstatt sicherzustellen, dass nach einer Geschlechtsanpassung eines Ehegatten aktualisierte Eheurkunden ausgestellt werden, verschließt die Bundesregierung lieber die Augen.“
Pamela Halling wundert sich, wie schwierig mitunter etwas ist, was „mittlerweile ganz normal sein sollte“. So verfügte beispielsweise das Standesamt in Essen nicht über die Software, die mit der Personenstandsänderung aus dem „Ehemann Guido“ eine „Ehefrau Pamela“ machen sollte. Doch die Beamten dort seien rührig gewesen, sagt Pamela Halling, „die haben das dann irgendwie hingekriegt“.
Grüner Beck: Regierung ist unentschieden
Zwei Männer und zwei Frauen als Ehegatten sind in amtlichen Dokumenten gemeinhin nicht vorgesehen. Nun kann man die Bundesregierung nicht für Softwareprobleme von Behörden verantwortlich machen. Der Grüne Beck findet trotzdem, dass die schwarz-rote Regierung es sich zu einfach mache: „Der besondere Schutz von Ehen gilt für die Bundesregierung offensichtlich nicht für alle Verheirateten.“
Er findet, dass die Bundesregierung sich nicht entscheiden könne, „ob sie Lesben und Schwule oder Transsexuelle mehr diskriminieren will“: „Zwar dürfen die letzten in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben, werden aber in Urkunden und Statistiken schlicht ignoriert. Den Lesben und Schwulen wird hingegen das Heiraten verboten, dafür haben sie keine Probleme mit Lebenspartnerschaftsurkunden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit