Rassismus in Videospielen: „Die Leute flippen immer gleich aus“
Die Helden in Videospielen sind häufig braunhaarige, weiße Männer, meint die Bloggerin Latoya Peterson. In 22 Jahren konnte sie nur vier Figuren spielen, die ihr ähnlich sehen.
![](https://taz.de/picture/201460/14/12073106_shevaalomar_promo_web.jpg)
taz.de: Frau Peterson, sie beschäftigen sich rassismuskritisch mit Videospielen. Warum ist es überhaupt wichtig, sich kritisch mit Videospielen auseinanderzusetzen?
Latoya Peterson: Ich halte es für genauso wichtig wie eine kritische Analyse von Filmen oder Büchern. Man sollte Videospiele nicht mehr ignorieren, sondern als Teil der Popkultur ernst nehmen. Wir verbringen viel Zeit mit ihnen: Ein Rollenspiel dauert um die 40 Stunden. Im Vergleich zu einem zwei Stunden langen Film ist das ganz schön viel.
Für fast alle Jugendlichen gehören Videospiele zu ihren Hobbys, immer mehr Menschen identifizieren sich als Gamer_innen, die Spiele dehnen sich auf andere Bereiche aus und werden zum Beispiel verfilmt. Deswegen ist es wichtig deren Inhalte kritisch zu betrachten, da dort wie in allen anderen popkulturellen Produkten auch Rassismus und Sexismus reproduziert werden.
Aber steckt in Videospielen nicht auch Veränderungspotential?
Natürlich, mit einem Spiel können die unterschiedlichsten Welten geschaffen werden, ohne an Schwerkraft oder andere Gesetze gebunden zu sein – alles ist möglich. Deswegen finde ich es so enttäuschend, dass die immer gleichen Dinge immer wieder auftauchen. Videospiele sind seit den frühen Achtzigern verbreitet, das heißt erst in einer multikulturellen, rassismus- und feminismussensibilisierten Gesellschaft beliebt geworden und spiegeln trotzdem so viele soziale Ungerechtigkeiten wieder. Computerspiele hätten es besser machen können – diese Chance wurde aber nicht wahrgenommen.
Was stört Sie an Videospielen?
Wenn man sieht, wer als Held_in in Videospielen auftritt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Spieler_innen am liebsten braunhaarige, weiße, um die Dreißigjährige Männer spielen. Komisch aber, dass diese Typen nicht den Durchschnitt der Spieler_innen, jedoch aber den der Spiele-Entwickler_innen darstellen.
ist Redakteurin und Inhaberin von Racialicious.com, einem US-Amerikanischen Blog der sich mit Rassismus und Popkultur beschäftigt. Im Alter von sechs Jahren begann sie Super Mario Brothers zu spielen – auch um ihre kleine Schwester vom Schreien abzuhalten. Heute schreibt sie unter anderem für den Guardian, Spin oder das Bitch Magazine.
Und welche Figuren spielen Sie?
Als schwarze, weibliche Spielerin habe ich schon sehr viele Charaktere gespielt: einen Beuteldachs, Aliens, unterschiedlichste weiße Typen. Aber wenn ich jemanden spielen wollte, der so aussah wie ich, hatte ich in meinen 22 Spiel-Jahren vier Möglichkeiten. Darunter zum Beispiel Sheva Alomar aus dem kontrovers diskutierten Resident Evil 5, in dem schwarze Zombies in einem fiktionalen afrikanischen Dorf umgebracht werden müssen.
Haben Sie mögliche Erklärungen für die große Unterrepräsentation?
Ich nehme an, dass es an den lächerlichen Vorstellungen vom Publikum liegt. Spiele-Entwickler_innen gehen einfach davon aus, dass ihre Zielgruppe rassistisch ist. Ich erinnere mich an die Kontroversen um Grand Theft Auto: San Andreas. Es hieß: Wer will schon einen schwarzen Hauptcharakter spielen? Aber San Andreas wurde ein großer Erfolg der Serie.
Viele Spieler_innen haben Spaß mit Videospielen, obwohl ihnen manche Aspekte wie stereotype Charakterzeichnungen nicht gefallen. Wie groß ist die Handlungsmacht der Spieler_innen?
Als aller erstes sollten die Spielehersteller die Differenziertheit ihrer Zielgruppe reflektieren und endlich anfangen darüber nachzudenken, das beim Charakterdesign zu berücksichtigen. Ich bin besonders gespannt was junge oder neue Leute in der Spieleindustrie genauso wie Indie-Spiele-Entwickler_innen sich ausdenken, da die eher bereit sind weiterzudenken. Trotzdem sind wir als Spieler_innen in der Lage unterschiedliche Aspekte der Spiele zu trennen – mir macht das Spiel trotz Sexismus Spaß. Manche Fans interpretieren die Spielegeschichten auch neu und entwickeln ihre eigene Version von Spielen.
Mit Blick auf Rassismus oder Sexismus, gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen der Spiele-Community und der Mainstream-Gesellschaft?
Nein, da gibt es keinen. Anzunehmen die Videospielszene wäre besonders schlimm, wäre falsch. Ich glaube auch daran, dass sich diese Probleme lösen lassen. Man kann nur nicht erwarten, dass sich die Spiele-Community schneller ändert als der Rest der Gesellschaft. Sie kommuniziert auf härtere, aggressivere Weise und ist natürlich sehr beschützend, was ihre Lieblingsspiele angeht, aber die Verleugnung von Rassismus funktioniert auf die gleiche Art.
Ich bin schon zu lange in der Spieleszene unterwegs, um einerseits überrascht von dem Umgang mit Anita Sarkeesian von Feminist Frequency zu sein. Andererseits nervt es mich aber, dass die Leute immer gleich ausflippen, wenn man auf rassistische Aspekte zu sprechen kommt. Wenn mehr Gitarren oder unterschiedliche Instrumente für Guitar Hero gefordert werden, ist das kein Ding. Aber möchte man mehr Auswahlmöglichkeiten für die Charaktere, ist das unmöglich.
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