Protest gegen Anhörungen: Flüchtlinge besetzen Botschaft
Flüchtlingsaktivisten haben am Montag die nigerianische Botschaft besetzt. Ihr Protest richtet sich gegen die Praxis der „Botschaftsanhörungen“ von Flüchtlingen.
BERLIN taz | Im Innenhof der nigerianischen Botschaft in Berlin stehen Mütter mit Kinderwagen, die ihre neuen Pässe abholen wollten. Doch aus einem Fenster schreit ihnen ein Mann mit Megafon entgegen, der mehr Rechte für Flüchtlinge fordert, und von draußen sind noch weitere Männer zu erkennen, die Fahnen schwenken.
Zehn Aktivisten des Berliner Flüchtlingscamps am Oranienplatz, darunter sechs Nigerianer aus Baden-Württemberg, haben am Montag die Botschaft Nigerias in der deutschen Hauptstadt besetzt. Ungefähr dreißig weitere Unterstützer entrollten davor ihre Transparente und riefen Parolen wie „No border, no nation – Stop deportation“.
Einer der Besetzer in der Botschaft ist Charles Enoruwa. „Wir wollen mit der Besetzung gegen die Botschaftsanhörungen protestieren“, sagt er. Bei den sogenannten Botschaftsanhörungen werden Flüchtlinge, deren Nationalität nicht eindeutig feststellbar ist, auf die Botschaften geladen. Meist sind es Delegationen aus dem jeweiligen Land, die dann die Dialekte der Flüchtlinge analysieren und ihnen gegebenenfalls ein Ausreisevisum ins eigene Land ausstellen. Deutschland unterstützt diese Praxis.
Obwohl es bereits im Sommer zu Protesten vor der nigerianischen Botschaft kam, zeigten sich deren Mitarbeiter am Montag von den Protesten überrumpelt. „Die sind einfach hereingestürmt und haben einen Haufen Lärm gemacht“, klagte einer. Auch die Polizei schien nicht vorbereitet. Als der Treck der Aktivisten bei der Botschaft eintraf, traten die zehn Besetzer einfach ein – und blieben.
Dafür war das Auftreten danach umso massiver: Mehr als zwanzig Mannschaftswagen rückten an, um die zehn Besetzer aus dem Haus zu tragen, unter lautem Protest der vor der Botschaft versammelten Demonstranten. Vereinzelt wurden auch von ihnen einige vorläufig fest genommen. Laut Alexander Tönnies von der Berliner Polizei gab es bis Redaktionsschluss der taz zwanzig vorläufige Festnahmen, darunter waren auch die zehn Botschaftsbesetzer: Ihnen wird Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen.
Viele der Botschaftsbesucher können das Motiv der Proteste nur zum Teil nachvollziehen. „Ich verstehe das, aber dann müssen die bei der deutschen Regierung protestieren“, so eine der Frauen mit Kinderwagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“