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Pro und Contra BeschneidungsgesetzIst das Beschneidungsgesetz gut?

Kommentar von M. Lohre und C. Rath

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zu Beschneidungen vorgelegt. Erfüllt dieses den Zweck, Religionsfreiheit und Kindeswohl in Einklang zu bringen?

Rechtssicherheit schaffen will das Bundeskabinett mit seinem Gesetzentwurf zu Beschneidungen. Bild: dpa

D ie Bundespolitik duckt sich weg. Das ist die eigentliche Botschaft, die das Kabinett durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Beschneidung von Jungen aussendet. Die Regelung suggeriert lediglich besseren Schutz muslimischer und jüdischer Jungen, de facto aber schafft sie dafür keine Rahmenbedingungen.

Die Debatte über die Frage, ob Beschneidungen Körperverletzungen sind oder zu schützende religiöse Tradition, verlief hysterisch. Grotesk waren Äußerungen wie die des niedersächsischen Verbandsvorsitzenden des Zentralrats der Juden: „Selbst im Dritten Reich gab es kein Verbot der Beschneidung.“ Aus Furcht vor religiös begründeter Hysterie sind Union und FDP eingeknickt. Schmallippig freuen sie sich über die durch „Beseitigung rechtlicher Unsicherheit“ geschaffene „Klarheit“. Das ist kein Lob für den Inhalt eines Gesetzes, sondern für seine Funktion. Bloß weg mit der Debatte.

Matthias Lohre

ist politischer Reporter der taz.

Dafür nehmen die Gesetzesmacher argumentative Pirouetten in Kauf. Die Beschneidungsfrage wird nicht übers Staatskirchen- oder Religionsrecht geregelt, sondern übers Familienrecht. Dahinter steckt der Gedanke, Eltern wüssten schon am besten, was das Beste für ihr Kind sei.

Folgt man der Logik der neuen Paragrafen, heißt das: Eine Handlung kann keine Körperverletzung sein, wenn die Eltern des betroffenen Kindes dazu ihren Segen geben. Auch der Hinweis, bei Beschneidungen dürfe das Kindeswohl nicht gefährdet werden, ist lächerlich. Die Sorge ums Kindeswohl ist eine ohnehin gesetzlich verankerte Aufgabe. Ihre spät eingefügte Erwähnung ist eine rhetorische Nebelkerze. Sie nutzt keinem Kind.

Was wäre die Alternative gewesen? Zumindest hätten Regierung und Opposition das Ersetzen der Beschneidung durch einen unblutigen, symbolischen Akt zum Thema machen können. Diese Debatte gibt es unter Muslimen und Juden, aller behaupteten Absolutheit des Beschneidungsgebots zum Trotz. Den Beteiligten fehlte dazu der Mut. Verlierer sind Hunderttausende Jungen. Ihnen wird vorenthalten, was Politiker aller Parteien hatten: eine Wahl. MATTHIAS LOHRE

Ein Drittel aller Männer weltweit ist beschnitten. Nirgendwo in der Welt ist die Beschneidung von Knaben verboten. Deutschland wäre das erste Land mit einem solchen Verbot. Das allein stellt die Inbrunst infrage, mit der in Deutschland seit wenigen Wochen diskutiert wird. Und es ist nach dem singulären Urteil aus Köln richtig, wenn der Gesetzgeber nun klarstellt, dass in Deutschland die Beschneidung von Knaben weiterhin straffrei bleibt.

Ein Verbot von Beschneidungen würde im Übrigen nur zu gefährlichen Nebeneffekten führen: Beschneidungstourismus, Hinterhofpfuschereien. Den Kindern wäre damit gerade nicht gedient.

Auch Regelungen, die vor allem Juden treffen, etwa das Verbot von Beschneidungen durch nichtärztliche Mohel, stünden Deutschland nicht gut an. Nach allem, was Juden von Deutschen angetan wurde, sollte sich der Einsatz für jüdische Säuglinge nicht gerade gegen jüdische Eltern richten.

Eine Beschneidung ist ein einfacher komplikationsarmer Eingriff, wenn er nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt wird. Und genau das schreibt der Gesetzentwurf vor. Wer in dieser Zurückhaltung des Bundestags ein Zeichen von Feigheit sieht, hat von der deutschen Geschichte nur wenig verstanden.

Der US-Antibeschneidungsaktivist Dan Bollinger behauptet zwar, dass in den Vereinigten Staaten jährlich mehr als hundert Kinder an Beschneidungen sterben. Doch gibt es keine unabhängige Studie, die auch nur ansatzweise zu ähnlichen Ergebnissen kommt.

Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Im Gegenteil: Die US-Vereinigung der Kinderärzte hat erst vor wenigen Wochen erklärt, dass die medizinischen Vorteile der Beschneidung (als Vorbeugung gegen Harnwegsinfektionen und andere Krankheiten) die Risiken überwiegen.

Deutsche Kinderärzte sehen das zwar mehrheitlich anders. Aber solange die Faktenlage so umstritten ist (wie im Übrigen auch zu den sexuellen und psychischen Folgen), ist es das gute Recht der Eltern selbst zu entscheiden, ob sie ihren Sohn beschneiden lassen wollen oder nicht. CHRISTIAN RATH

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58 Kommentare

 / 
  • HO
    Herbert Olejnik

    Es ist eine Schande was sich die Eltern und die Regierung in diesem Punkt erlauben,Was Alles schon für Schindluder mit kleinen Menschen getrieben wurde,daher muss als oberste Premisse gelten.dem Kind gehört sein Geschlecht und nicht den Eltern und schon garnicht einem "GOTT"

  • F
    Falmine

    @ Hansi

     

    Leider ist nicht davon auszugehen, dass Bundestagsabgeordnete sich korrigieren werden. Ich kenne bisher nur einen einzigen, Mehmet Kilic, der durch zusätzliche Informationen seine ursprüngliche Meinung geändert hat.

     

    Prof. Rolf Dietrich Herzberg wiegt hier die derzeit vorgebrachten Pro- und Contra-Argumente sorgsam gegeneinander ab. Wie ich finde, sehr überzeugend!

    http://www.zis-online.com/dat/artikel/2012_10_705.pdf

  • MF
    Markus Freidenker

    Ich finde es gut, dass die TAZ sich entschlossen hat, einen PRO und CONTRA Artikel zum Beschneidungsgesetz zu veröffentlichen.

    Wenn man allerdings die Diskussionsforern bei den verschiedenen Zeitungen und anderswo verfolgt, dann hätte man in diesem Artikel noch viel mehr Information und Argumente stecken können.

     

    Ich möchte mal einen Vorschlag unterbreiten:

     

    Man sollte bei den in Deutschland lebenden Juden eine Befragung durchführen, ob sie "mit einem Verbot der Beschneidung Minderjähriger zugunsten des Rechts der Kinder auf körperliche Unversehrtheit" in Deutschland leben könnten oder dann gezwungen wären, in andere Länder auszuwandern.

    Wenn dabei herauskommen würde, dass die meisten in Deutschland lebenden Juden sehr wohl mit einem Verbot der Beschneidung Minderjähriger leben könnten, dann könnte das die polarisierende Diskussion beruhigen und würde offenbaren, dass eine Minderheit von religiös motivierten Fanatikern hier ihre Regeln allen anderen aufzwingen will.

     

    Für diese Minderheit von religiös motivierten Fanatikern bräuchte man dann auch kein Sondergesetz.

    Und wenn dann die Minderheit von religiös motivierten Fanatikern Deutschland verlassen würde ? Dann wäre Platz für andere, die hoffentlich die Deutschen Gesetze respektieren würden.

     

    Selbstverständlich sollte man eine Befragung auch bei den in Deutschland lebenden Muslimen machen, ob es möglich wäre, die Beschneidung auf das Erreichen der Volljährigkeit zu verschieben.

  • H
    Hansi

    Beide, Herr Lohre und Herr Rath, haben aus meiner Sicht nicht gut argumentiert.

     

    1. Beide schreiben von "muslimischen und jüdischen Jungen". Es geht hier um kleine Kinder, die sind bestimmt nicht "jüdisch" oder "muslimisch", wie sie auch nicht "christlich" oder "atheistisch" sind. Allenfalls deren Eltern sind es, die Kinder entscheiden sich vielleicht für die Weltanschauung der Eltern - oder nicht.

     

    2. Beide gehen auf den entscheidenden Punkt nicht ein: Die potentiellen Auswirkungen der Beschneidung auf die männliche Sexualität. Diese ist vielen Fällen gleich null, in anderen Fällen (die taz berichtete) leider katastrophal. Gerade bei muslimisch geprägten Männern ist es mit Scham besetzt über Probleme mit dem eigenen Penis zu sprechen. Darum erfährt man nur von wenigen, die aufgrund der Beschneidung zum Teil gravierende sexuelle Probleme haben. Es mag eine Minderheit sein, aber das sollte reichen, die Beschneidung auf die Volljährigkeit und somit eigene Entscheidung des Betroffenen zu verschieben.

     

    3. Beide Autoren erwähnen einen grundsätzlichen Fehler des Gesetzentwurfes nicht: Die Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen. Der Mythos des angeblichen Unterschiedes zwischen Typ-1-Beschneidung bei Mädchen und der Beschneidung bei Jungen sollte sich mittlerweile in Luft aufgelöst haben. Warum nun ein Gesetz die Beschneidung bei Jungen explizit legalisieren soll, während sie bei Mädchen bekanntlich explizit verboten wurde, ist unverständlich.

  • S
    Swilly

    Herr Rath, sagen Sie mir bitte EINEN rationalen Grund, warum unmittelbar nach der Geburt an einem gesunden männlichen Kleinstkind herumgeschnippelt werden muss?

  • I
    Isnogod

    @ ToniR: 15.10.2012 10:12 Uhr

     

    >>>Bei der Bebilderung sollte die Taz schon sorgfältiger vorgehen: KEIN KIND WIRD MIT SOLCHEN SCHEREN BESCHNITTEN! (Wie vermutlich die Hälfte der Leserschaft nun denken mag).

  • HR
    HP Remmler

    Christopher Hitchens hat schon recht: Die "Kombination aus religiöser Barbarei und sexueller Unterdrückung" manifestiert sich wohl nirgendwo klarer als in diesem blutigen, perversen Ritual, verübt an hilflosen Schutzbefohlenen.

  • F
    Falmine

    @ ToniR

    Niemand ist gezwungen, sich hier als beschnitten oder als Partnerin eines Beschnittenen zu outen. Es geht hier eben NICHT um die Erwachsenen. Sondern um die Empathie für kleine männliche Kinder und das Engagement für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit! So, wie es in unserem Grundgesetz steht. Dass einige Beschneidungsbefürworter das elterliche Sorgerecht auch auf Genitalverstümmelung ausgeweitet sehen wollen, ändert nichts daran, dass die überwältigende Mehrheit hier in Deutschland das ablehnt!

     

    Ich hätte mir von Muslimen und Juden gewünscht, dass sie sich nicht ausschließlich von ihrer fundamentalistischen Orthodoxie leiten lassen und zumindest über die Heraufsetzung des Alters diskutieren. So wird der Entwurf sicher nicht Gesetz! Zumindest keines, das Bestand hat! Ich wusste bisher nicht, dass auch Juden sehr wohl religiöse Entscheidungsspielräume haben: http://verfassungsblog.de/das-klner-beschneidungsurteil-und-das-judentum-teil-2-jdische-beschneidungspraxis/ Bitte nutzen Sie sie!

  • D
    Doroina

    Der renommierte Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther von der Universität Göttingen: „Wir wissen heute, dass unsere Kinder mit einem noch sehr unfertigen Gehirn zur Welt kommen. Die endgültigen Verschaltungen zwischen den Fortsätzen der Nervenzellen werden erst später durch die von jedem Kind in seiner jeweiligen Lebenswelt selbst gesammelten Erfahrungen in einer bestimmten, nutzungsabhängigen Weise herausgeformt und stabilisiert.“ (Hüther/Krens 2010). Das heißt: JEDE Erfahrung, die das Kind macht - ob es diese bewusst wahrnehmen kann oder nicht - wirkt sich auf die Verschaltungsmuster des Gehirns aus.

     

    Die Amputation der Vorhaut stellt für das Neugeborene (aber auch für ältere Kinder) einen neuartigen, unbekannten und unerwarteten Stimulus dar, was im Körper eine neuroendokrine Stressreaktion hervorruft. Die Nebennierenrinden entleeren ihre Vorräte an Adrenalin, das Herz beginnt wie wild zu schlagen, die Blutgefäße werden eng gestellt, die Muskulatur zum Sprung (Flucht) vorbereitet, Energiereserven der Leber mobilisiert, die Pupillen weit aufgemacht, die Haare richten sich auf, usw. (Hüther). Damit hat die Beschneidung *gute* Voraussetzungen, sich im Gehirn UND im Körper des Kindes als negative Erfahrung festzusetzen.

     

    Darüber hinaus deuten auch Erkenntnisse der Bindungstheorie (Bowlby u.a.) darauf hin, dass ein solcher Eingriff sich entsprechend negativ auf die Bindung zu den frühen Bezugspersonen und das Urvertrauen des Kindes auswirken können.

     

    Insofern gibt es mehr als genug gute Gründe, die Folgen eines solchen unnötigen Eingriffs für das gesamte weitere Leben des Kindes nicht mit den alten Vorurteilen („Kinder vergessen sowas“) oder durch Beschränkung auf die rein organischen Konsequenzen zu bagatellisieren. Auch deshalb wäre eine gründliche und differenzierte Auseinandersetzung mit allen Aspekten dieser Frage auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse mehr als angeraten.

  • F
    Falmine

    Hier habe ich einen Beitrag gefunden, der zumindest die Nachdenklichen unter den Beschneidungsbefürwortern eigentlich zu einer Ablehnung des jetzigen Gesetzesentwurfs veranlassen müsste:

    http://verfassungsblog.de/das-klner-beschneidungsurteil-und-das-judentum-teil-2-jdische-beschneidungspraxis/

  • J
    Jan

    Die Unversehrtheit des Kindes hat höchste Priorität. Kompromisse darf es nicht geben. Erst der mündige Mensch kann über einen so bedeutenden Eingriff entscheiden. Ich finde eine Politik beschämend, die die Menschenrechte mit Füßen tritt.

  • T
    ToniR

    Bei der Bebilderung sollte die Taz schon sorgfältiger vorgehen: KEIN KIND WIRD MIT SOLCHEN SCHEREN BESCHNITTEN! (Wie vermutlich die Hälfte der Leserschaft nun denken mag).

     

    Es ist in der gesamnten Debatte nach wie vor erschreckend, wie wenig Leute tatsächlich Ahnung vom tatsächlichen Vorgang der Beschneidung haben - aber alle haben eine Meinung dazu. Wie kommen Leute dazu, sich derart aus dem Fenster zu hängen, die - in der Regel! - weder selbst beschnitten, noch jemals bei Beschneidungen zugegen, noch beschnittene Partner/ Freunde haben, noch sich tatsächlich intensiv mit dem technischen Vorgängen der Beschneidung auseinandergesetzt haben?

  • HR
    Hans Reimann

    Tolle Gesetzesinitiative. Jetzt kann ich klagen, wenn ich meiner Tochter und meinem Sohn die Ohrläppchen abschneiden lassen möchte. Ist ne Tradition! Nen harmloser Eingriff und noch dazu viel Gleichberechtigter als das diskriminierende und einseitige Beschneidungsurteil. Weg mit den Ohrläppchen!

  • S
    SANDRA

    Diese Debatte geht mir regelrecht unter die Haut und lässt mich nicht mehr los. Die Argumente gegen ein Beschneidungsverbot entfachen in mir wütende Erregungszustände und lassen mich am Ende traurig und fast mutlos zurück.

    Wie lange zieht Deutschland noch den Kopf zwischen die Schultern? Ja, es war ein unfassbares, grausames Unrecht was im Dritten Reich mit Menschen geschehen ist. Das haben mitlerweile fast alle verstanden.

    Doch ich bin der absoluten der Meinung, daß schluß sein muß mit der Angst vor kritischen Äußerungen - egal wem gegenüber. Wer heute noch mit dem Finger auf uns zeigt, der soll mal in seine eigene Geschichtsbücher gucken. Welches Land ist denn ohne Schuld?

    Eine Beschneidung ist in doppelter Hinsicht ein Vergehen an Wehrlosen. Zum einen wird hier ein Grundrecht misachtet, das wichtigste und umfassenste Recht überhaupt: die Unantastbarkeit der Unversehrtheit. Vielleicht ist so manchem die Bedeutung des Wortes nicht ganz klar. Denn sonst ist absolut unverständlich wie auch nur ein einziger Politiker mit ruhigem Gewissen eine Beschneidung befürworten kann. Und das Argument, das Ansehen der Republik in der Welt würde durch ein Verbot wanken, oder noch schlimmer: wir kämen ins Visier des islamistischen Terrors, verschlägt mir im ersten Moment die Sprache! Soll das denn heißen, daß wir immer nur soweit eigene Entscheidungen treffen, solange diese vom Rest der Welt als genehm abgezeichnet werden?

    Die Aufhebung des Beschneidungsverbots wirft uns zurück in die Zeit der Besatzungszone und des menschlichen Unrechts.

     

    Ich bin seit vielen Jahren selbständige Tantramasseurin. Eine Beschneidung verändert die Sensibilisierung des Penis unabstreitbar. Ob eine solche Veränderung gewünscht ist, muß jeder selbst entscheiden dürfen. Alles andere ist tiefstes Mittelalter und ein Rückschritt in Sachen Humanität.

     

    Ich wünsche mir von ganzem Herzen, daß Deutschland mutiger und selbstbewusster wird.

    Es braucht immer mehr den Einzelnen - Courage sollte das IN Wort werden...

  • HA
    Hans Adler

    Natürlich ist Beschneidung eine erhebliche, ursprünglich sexualfeindlich motivierte, Körperverletzung - die männliche Variante der weiblichen Genitalverstümmelung vom Typ 1a (Klitorisvorhautbeschneidung). Schon Maimonides zu Folge war die Verhinderung der Selbstbefriedigung ein Hauptgrund, und später ebenso bei der 'medizinischen' Indikation im späten 19. Jahrhundert. (Die veringerte Sensibilität erleichtert zudem die - für beide schmerzhafte - Penetration beschnitener Frauen.)

     

    Natürlich müssen sich Religionen den zunehmenden Menschenrechtssrandards anpassen. Beispiel: Selbst in Israel werden heute keine Sabbatbrecher mehr gesteinigt - obwohl ursprünglich genauso vorgeschrieben.

     

    Und natürlich ist es ein Problem, eine seit Jahrtausenden übliche, ohne Unrechtsbewusstsein ausgeführte religiöse Praxis plötzlich zu verbieten.

     

    Die Lösung? Wie bei der Abtreibung. Nicht Legalisierung, sondern Duldung unter Auflagen. Außerdem Aufklärungskampagnen über die Funktion dieses Organs und die Traumatisierung von Säuglingen und Kindern sowie gesetzliche Regelung des Schadensersatzes für die Opfer durch die Täter (Eltern und Ausführende), unabhängig vom Tatort. So wird das Unrechtsbewusstsein schnell entstehen.

  • GG
    Günter Gruse

    Und wieder einmal wird, wie von CHRISTIAN RATH, die Holocaustkeule rausgeholt und draufgeschlagen. Rafael Seligmann erdreistet sich sogar in der BILD, den Überfall auf einen Rabbiner in Berlin in einem Kontext mit dem Urteil des Kölner Amtsgericht zu stellen. Merkel versteigt sich sogar zu der abstrusen Behauptung, dass sich Deutschland zur "Komiker-Nation" machen würde, wenn die vorsätzliche Körperverletzung an wehrlosen muslimischen und jüdischen Jungen in unserem Lande verboten würde. So wurde von vornherein jede sachliche Diskussion über dieses Thema kaputt polemisiert. Wir werden sehen, ob die staatlich sanktionierte Genitialverstümmelung wehrloser Kinder durch religiöse Fundamentalisten vor dem Verfassungsgericht Stand halten wird. Ich möchte nicht, dass in unserem Land Kinder vor dem Gesetz schlechter dastehen als Hunde. Schliesslich ist in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern das Kupieren von Hunden (Ohren und Schwanz) wegen Tierquälerei verboten.

  • S
    syrdal

    Da wird einem überführten Mörder nach geltendem Recht ein Schmerzensgeld zugebilligt, nur weil man ihm lediglich schmerzhafte Folter angedroht, aber niemals angetan hat. - Und nun billigt das Kabinett unseres ach so modernen, demokratischen und gesetzesbewussten Landes einen Gesetzesentwurf, nach dem wehrlose Säuglinge und Kinder straffrei mit Pomp und Tanz und feiernden "Gläubigen" auf bestialische Weise vorsätzlich gequält, blutig verletzt und irreversibel verstümmelt werden.

     

    Was für "Menschen" sind das, die ein solches Gesetz formulieren und beschließen? Was für Eltern sind das, die ihre Kinder derart quälen und verstümmeln lassen?

    Hätten mich meine Eltern beschneiden lassen, ich hätte sie am Tag meiner Volljährigkeit verklagt auf ein lebenslang zu zahlendes Schmerzensgeld. Nur leider könnte Geld den Schaden nicht beheben!

    Aber: Ich hätte sie unwiderruflich aus meinem Herzen und Denken verstoßen, ohne jemals wieder mit ihnen in Kontakt zu gelangen, denn die Beschneidung ist ein unverzeihlicher Akt der Verstümmelung, den man nun mal lebenslang nicht rückgängig und damit auch nicht verzeihen kann.

  • G
    gewe

    Ich glaube, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Eltern ihren Kindern ein solches Ritual ersparen und eine Willkommensfeier entwickeln werden, an der auch ihr Baby Freude hat. Die Welt dreht sich vorwärts. Im Zeitalter von Internet und praktisch überall verfügbarer Informationen wird man den Eltern nicht mehr das Märchen auftischen können, dass ihr Baby am 8. Tag nach seiner Geburt kein Schmerzempfinden hat. Auch Youtube wird sicherlich zu dieser Erkenntnis beitragen. Für die Übergangszeit schlage ich vor, die sogenannten Beschneider umzuschulen oder von mir aus auch entsprechend abzufinden, damit sichergestellt ist, dass nur noch approbierte Ärzte diesen Eingriff unter sterilen Bedingungen mit adäquater Schmerzprophylaxe durchführen.

  • HR
    Helmur Rond

    Pro und Kontra ist bis zum Erbrechen durchgekaut.

     

    Beschneidung ist Körperverletzung. Basta!

  • P
    Peter

    Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechtes sind lt. GG verboten.

    Sogar die blose Benachteiligung.

    Der Gesetzgeber sagt nun Knaben darf man Beschneiden bzw. Koerperverletzungen zufuegen,Maedchen nicht.

    Keiner der Autoren geht darauf ein.

  • G
    Gast

    Eine echt bestechende Logik. So lange wir nicht sicher sind, dass Beschneidung nicht schdet, beschneiden wir weiter.

     

    Und was ist mit den Stimmen derer, die sich trauen das Stigma an die Öffentlichkeit bringen? Sie werden einfach ignoriert.

  • PD
    Philipp Derne

    "Ein Drittel aller Männer weltweit ist beschnitten."

     

    Belanglos. X % der Kinder sind verprügelt worden.

     

    "Nirgendwo in der Welt ist die Beschneidung von Knaben verboten."

     

    Doch in Luxemburg. Mädchenbeschneidung ist in allen westlichen Staaten verboten. Ansonsten belanglos. Das Verprügeln von Kindern war nirgends verboten.

     

    "Deutschland wäre das erste Land mit einem solchen Verbot."

     

    Belanglos. Deutschland wäre das erste Land, das die Prügelstrafe verbietet. So: Deutschland ist das erste und einzige Land, dass Genitalverstümmelung explizit erlaubt. Das schafft noch nicht einmal Somalia.

     

    "Das allein stellt die Inbrunst infrage, mit der in Deutschland seit wenigen Wochen diskutiert wird."

     

    Kein Stück. Das stellt die Inbrunst infrage, mit der ein Verbot der Prügelstrafe gefordert wird.

     

    Und es ist nach dem singulären Urteil aus Köln richtig, wenn der Gesetzgeber nun klarstellt, dass in Deutschland die Beschneidung von Knaben weiterhin straffrei bleibt."

     

    Na, wenn Sie das sagen...

     

    "Ein Verbot von Beschneidungen würde im Übrigen nur zu gefährlichen Nebeneffekten führen: Beschneidungstourismus, Hinterhofpfuschereien. Den Kindern wäre damit gerade nicht gedient."

     

    Also sind die Eltern so wenig am Wohl ihrer Kinder interessiert, dass sie es auch mit rostigen Rasierklingen machen lassen? Wenn Sie das sagen...

  • D
    Daniela

    Wenn die Beschneidung von Jungen erst gesetzlich erlaubt ist, wird auch die von kleinen Mädchen folgen.

    Denn erstens gilt hier das Gleichheitsgebot, sowie keine Diskriminierung auf Grund von Geschlecht. Und Herrn Raths Argumentation folgend könnte den Afrikaner (welche das ab meisten praktizieren) mit Blick auf die Kollonialverbrechen der Deutschen und des 2.WK (Rommels Afrikakrieg), das nicht verwert weden.

    Weitere grenzwertige Praktiken können dann folgen und schupp die wupp sind wir wieder im Mittelalter.

  • D
    Daniela

    Wenn die Beschneidung von Jungen erst gesetzlich erlaubt ist, wird auch die von kleinen Mädchen folgen.

    Denn erstens gilt hier das Gleichheitsgebot, sowie keine Diskriminierung auf Grund von Geschlecht. Und Herrn Raths Argumentation folgend könnte den Afrikaner (welche das ab meisten praktizieren) mit Blick auf die Kollonialverbrechen der Deutschen und des 2.WK (Rommels Afrikakrieg), das nicht verwert weden.

    Weitere grenzwertige Praktiken können dann folgen und schupp die wupp sind wir wieder im Mittelalter.

  • V
    vic

    "Nach allem, was Juden von Deutschen angetan wurde, sollte sich der Einsatz für jüdische Säuglinge nicht gerade gegen jüdische Eltern richten."

    Das üble Argument schlechthin.

    Muss man deshalb lebenslang jeden klerikalen Unsinn abnicken?

    Zurück zur Frage: Ich bin für körperliche Unversehrtheit- auch für Kinder von Eltern jeder Glaubensrichtung.

  • P
    ProKinder

    Genitalverstümmelung ohne gesundheitliche Notwendigkeit an Kleinkindern ist ein Verbrechen!

    Wenn Religionen das fordern, dann sind sollten diese beschnitten werden, und zwar in ihren Rechten!

  • J
    Juri

    Diese Regierung wird das Grundgesetz nie verstehen, oder wollen Sie nicht.

  • N
    name

    erbärmliche pro Darstellung. Keinen Einfluss auf die Sexualität? Haben sie mal berichte von manchen Männern gelesen die schwer darunter leiden? Unerträglich sowas hier zu lesen.

  • K
    Katharer

    Wie weit sich die 4.te Gewalt im Staat von der vox populi entfernt hat, kann man an diesem Thema gut erkennen. Es grenzt schon an ein Wunder, dass ueberhaupt die kommentarfunktion freigeschaltet ist..

  • G
    Gunter

    Durch solche "Gesetze" die nichts anderes sind als Körperverletzung an Minderjährigen zu legalisieren nur weil es verkrustete religiöse Fundamentalist so wollen, wird der Graben zwischen den Kulturen noch weiter zementiert. Leidtragende sind wie immer die Schwächsten in dem Fall vor allem muselemische Kinder in Deutschland.

  • CW
    Christian Wolf

    Eigentlich hätte Christian Rath seinen PRO-Artikel erheblich kürzer fassen können. Das wiederholte Aufzählen altbekannter Pro-"Argumente" wäre für sein Ré­su­mé gar nicht nötig gewesen:

    Das nämlich die Faktenlage (zumindest) umstritten ist, zweifelt wohl niemand ernstlich an.

    Aber allein daraus den Schluß zu ziehen, solange dies so sei, sei es einfach das "gute Recht" der Eltern zu entscheiden, ob ihr Sohn beschnitten werden soll oder nicht, lässt mir dann doch die Kinnlade runterklappen.

    Wie wäre es den mit einem "guten Recht" auf körperliche Unversehrtheit des Kindes "solange die Faktenlage so umstritten ist"?

  • L
    luxypsi

    Komisch, dass immer wieder behauptet wird, dass die Beschneidung keinen nachweisbaren Einfluss auf die Sexualität habe, so auch in diesem Artikel.

    Dem ist einfach nicht so, und das kann jeder Beschnittene bestätigen. Ob jetzt besser oder schlechter ist eine andere Frage, die jeder Mensch für sich selbst beantworten muss, wenn man ihn denn lässt.

  • M
    Micha

    Also die Contra-Argumente erstrecken sich auf nichts inhaltlich Relevantes sondern lediglich auf "Nazis!!!!!!!!!!", "Die anderen verbieten das ja auch nicht!" und "So schlimm ist das mit der Beschneidung ja auch nicht." Großartig.

    Klar, es ist total geschichtsvergessen, zu meinen, dass die medizinisch unnötige, dauerhafte, symbolische Verstümmelung als Zeichen der Bindung an eine bestimmte Religionsgemeinschaft, die Religionsfreiheit und die körperliche Unversehrtheit des Kindes verletzt. Denn wir wissen ja: Die Nazis fanden sowas ja auch doof! und daher ist jeder, der Beschneidung kritisiert ein ganz doller Antisemit. Und weil es Antisemiten natürlich auch nur in Deutschland gibt und man hier nicht auf eine Geschichte von Religionskriegen und Konflikten, die auf Religion basierten, zurückblicken kann, ist ja auch klar, dass es hier nicht etwa um die Betonung der Religionsfreiheit - also auch um die freie Entscheidung, Jude, Christ oder Muslim zu sein - geht und weshalb es so ein Verbot in anderen Ländern nicht gibt und überhaupt nicht darüber diskutiert wird.

    Mit Kinderrechten hat das Ganze glücklicherweise auch nichts zu tun, es geht schließlich nur um die Eltern! Die armen Eltern die ihr Kind nicht wegen ihrer persönlichen Einbildung über Gott für immer verstümmeln dürfen! Das ist wirklich traurig.

  • UK
    Ulrich Kimmig

    Religionsrecht ist bisher immer Erwachsenenrecht und toppt die Kinderrechte. Die Unversehrtheit von Kindern muss vor dem Religionsrecht stehen. Wenn Gläubige überzeugt wären, dass ihr Glaube so überzeugend ist, dass sich Kinder im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und ihres Bewusstseins immer noch dafür entscheiden, würden sie religiöse Handlungen nicht an wehrlosen Schutzbefohlenen durchführen. Die Beschneidung der Vorhaut bei Säuglingen ist ebenso absurd wie wenn mein Glaube vorschreiben würde, dass nur das Beschneiden entweder der Nasenspitze oder des Ohrläppchens oder der Brustwarze oder ähnlichem das Überleben meines Glaubens gewährleisten würde. Der Gestzgeber darf nicht davor zurückscheuen, den Anhängern der Religionen klarzumachen, dass unser irdisches Grund- und Strafrecht über jedem göttlichen Gebot steht und Zuwiderhandlungen unter Strafe stehen.

  • G
    grim

    Schließe mich meinem Vorredner "ion" voll an. Besonders die Contra-Argumentation ist größtenteils frei von wahren Argumenten. Beispiel: Einen ärzlichen Eingriff mit der niedrigen Komplikationsrate zu Begründen ist wirr. Einen kleinen Zeh zu Amputieren ist nämlich auch ein einfacher, komplikationsarmer Eingriff. Und wer braucht den schon.

    Und das Holocaustargument.... also Bitte!

  • A
    Andreas

    @CHRISTIAN RATH: Die Empfehlung der US Vereinigung der Kinderärzte wird nicht nur von den deutschen Kinderärzten sondern von bisher 30 internationalen Kinderarztverbänden zurückgewiesen und zwar wegen erwiesener Unwissenschaftlichkeit. Und was die langfristigen Folgen für das sexuelle Empfinden angeht, so hat es auch in der taz diesbezüglich ausgezeichnete Berichte von Betroffenen gegeben. Die Auswirkungen sind erheblich und auch für jeden Mann leicht nachzuempfinden, wenn die Eichel deutlich unempfindlicher wird. Wenn man schon pro Beschenidung argumentiert, dann solte man vorher seine Hausaufgaben machen.

  • H
    HamburgerX

    Schöne Pro- und Contra-Darstellung dieses interessanten Themas.

  • V
    vantast

    Der politische Opportunismus, auch politische Korrektheit genannt, wird natürlich gewinnen, auch wenn das wieder, natürlich, auf Kosten der Schwächsten geht. Dabei ist es eigentlich, nach dem Wortlaut des GG Art.2/2, ganz einfach.

  • I
    ion

    Welches Beschneidungs-GESETZ ?!

     

    Bislang gibt ’s meines Wissens lediglich einen:

    «RegE: Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes»;

    Hilfreich wäre ein Downloadlink gewesen, deshalb hier:

    [http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/RegE%20Gesetz_ueber_den_Umfang_der_Personensorge_bei_einer_Beschneidung_des_maennlichen_Kindes.html?nn=1356288]

     

    Pressemitteilung des BMJ v. 10.10.2012, Exzerpt:

    “Das Bundeskabinett hat am 10.10.2012 einen Gesetzentwurf beschlossen, der die rechtliche Verunsicherung, die durch das Urteil des LG Köln [FamRZ 2012, 1421, m. Anm. Spickhoff] entstanden ist, beseitigen soll. Im BGB wird künftig in einem neuen § 1631d klar gestellt, dass die Beschneidung in Deutschland auch künftig möglich ist.”

     

    Herrn C. Raths’ Pros sind (antizipierbar) gaga und unter allem Niveau; Vermutlich würde selbst jemand, der seine themenkontextuellen Infos aus der Bild bezöge, sich inzwischen nicht mehr wagen, solch komprimierten Unsinn vermengt mit vorsätzlicher Des- u./o. tendenziös verkürzter Halb-information zu behaupten.

  • MC
    Manfred Corte

    Beschneidung ist Blasphemie: An einem Geschenk Gottes herumschnibblen heißt, daß das Gotteswerk einer Korrektur durch den Menschen bedarf. Wie lange läßt sich Gott (Allah) diese Beleidigung durch Genitalverstümmelung seiner Kinder noch gefallen?

  • KG
    karin grinda

    Dieses Gesetz ist eine historisch und menschenrechtlich einmalige Katastrophe. Hier wird erstmalig in Deutschland eine Körperverletzung von Säuglingen und kleinen Jungen legalisiert. Wenn man dieses einzigartige und beliebige Gesetzeskonstrukt liest, glaubt man nicht, dass man in einem modernen Rechtsstaat lebt

  • UR
    Uwe Roos

    Was ist gut? Es bedient conträre Interessen und führt zu einem gewissen Ausgleich. Soweit man kulturelle und religiöse Fragen in komplexen Sachverhalten mit den Mitteln jutistischer Institutionen klären kann. Das Urteil erfüllt den kleinsten gemeinsamen Konsens, ohne die abschließenden Fragen beantwortet zu haben oder beantworten zu wollen.

  • F
    Falmine

    Der Kommentar von Matthias Lohre hätte auch sehr gut für sich alleine stehen können! Da hat die taz Schiss gehabt und die bekannte Position von Christian Rath erneut daneben gestellt. Dabei geht dem allmählich die argumentative Puste aus.

     

    Besonders auffällig wird das, wenn Christian Rath wie einige Beschneidungsbefürworter etwas von "historischer Verantwortung" schwurbelt. Was könnte das sein? Weil bei den Nazis im Holocaust Millionen beschnittener Juden verfolgt, drangsaliert, ermordet wurden, müssen wir jetzt die Beschneidung für alle kleinen Jungen straffrei stellen? Das ist eine Pervertierung des Schutzgedankens, der mich atemlos macht. Beschneidung als eine Art "Wiedergutmachung" - darauf muss man erst mal kommen! SCHÄMT EUCH!

     

    Wie nennt Ihr, geschätzte tazler, diese Art Kommentar? "Embedded"? Das ist eine mich beunruhigende Entwicklung. Haltet ein!

  • W
    Weinberg

    Genitalverstümmelung per Gesetz soll gut sein?

     

    Im welchem Jahrtausend leben die Beschneidungsfans?

    Offenbar immer noch in der Steinzeit!

  • J
    JaneO.

    Mit welcher Begründung erheben sich Gläubige über ihren Schöpfer?

    Mit welcher Begründung erheben sich sich Menschen über die Natur?

    Hätte der Schöpfer/die Natur gewollt, dass Jungen ohne Vorhaut zur Welt kommen - oder Mädchen ohne komplette Scham, dann würden sie doch nicht mit dieser "Ausstattung" geboren werden.

     

    Wieso glauben Menschen sich das Recht herausnehmen zu können sich über den Schöpfer/ die Natur erheben zu dürfen?

     

    JaneO.

  • N
    nwt

    Was mir an diesem Gesetz so aufstößt, ist dass es die nicht-indizierte Zwangsbeschneidung nicht wenigstens ausdrücklich auf religiöse Motivation beschränkt.

     

    Andernfalls gibt es keinen hinreichenden Grund, diesen irreversiblen Eingriff einen Jungen einzuschneiden. Da kann sich Herr Rath noch so sehr an die im Westen sonst von keiner (also nicht bloß deutschen) Ärztevereinigung geteilten AAP-Meinung klammern. So kam etwa die niederländische Ärztevereinigung 2010 genau zum gegenteiligen Ergebnis.

     

    (Der Urologe im AAP-Team, Andrew Freedman, gab in The Jewish Week ganz unvoreingenommen an, seinen achttägigen Sohn eigenhändig auf den großelterlichen Küchentisch beschnitten zu haben.)

     

    Babies haben keinen Geschlechtsverkehr, für die eh bereits äußerst seltenen und weiterhin möglichen Harnwegsinfektionen (die in Mädchen sehr viel häufiger auftreten, ohne das man an ihnen herum schneiden müsste) gibt es nahezu immer wirksame Antibiotika, und auch für ältere Minderjährige ersetzt Beschneidung niemals Safer Sex, geschweige ein Minimum an Hygiene — zumal diese über ihren Körper selbst entscheiden dürfen.

     

    Stattdessen soll man sich auf die "Harmlosigkeit" verlassen, völlig gleich dass zig Beschnittene — auch weibliche Partner — von einer mitunter krassen Minderung berichten, und die Beteuerungen freudig als Kind Beschnittener letztlich auf nicht mehr als Ignoranz zurückzuführen sind, denn wie sollten sie den Unterschied kennen.

     

    Weiter kann insb. in Sachen Masturbation, wogegen sie in der Anglosphäre ja eingeführt wurde — und auch hierzulande heute beliebt ist: http://bit.ly/UDIldX — von einer klaren Schädigung ausgegangen werden. (Siehe auch Kim&Pang, neben Solinis und Sorrells eine der auffällig wenigen Studien, die sich in Gegensatz zur zahlreichen Vorteilssucherei mit der Schattenseite beschäftigten.)

     

    Gegen solch elterliche Sexualfeindlichkeit, im Judentum etwa durch Maimonides und Philon vertreten, gelten laut Gesetzgeber in Zukunft wohl weiter nur Mädchen als schützenswert.

  • L
    liva2lox

    Die Begründung der Befürwotung ist für mich zahnlos.

     

    Dass eine Körperverletzung in keinem anderen Land verboten ist, ist kein Argument dafür, sie zu legalisieren. Es klingt nach: Es war schon immer so, das haben wir noch nie anders gemacht... (Wir erinnern uns unsrerer Eltern: und wenn alle von der Brücke springen, springst Du dann auch?)

     

    Dass wir in Deutschland sind, ist kein Grund, alles Jüdische per se nicht in Frage zu stellen. Ja, wir haben eine historische Last hier, und daraus auch die Verntwortung, zu zeigen, dass wir bereit sind, zu lernen.

     

    Es wird angeführt, dass es auch medizinische Vorteile der Beschneidugn von Jungen gibt (wenn auch umstrittene). Aber das lenkt vom eigentlichen Gegenstand ab:

     

    Wollen wir - heute, nicht historisch gesehen - religiösen Geboten gestatten, Rechtsnormen zu verändern?

    Oder wollen wir von religiösen Geboten fordern, sich den Rechtsnormen anzupassen?

     

    Das wurde zu wenig theamtisiert.

  • P
    Pizarro

    Lieber Herr Rath!

    Ich fasse mal Ihre Thesen zusammen:

    1. Da von Deutschland der Holocost ausgegangen ist, ist es untersagt, jüdische Riten einer Bewerung nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterziehen.

    2. Dass ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung vorhautamputiert ist, ist nicht das Ergebnis von freiwilliger sexueller Selbstbestimmung, sondern fast ausschließlich das Ergebnis von Gewalt gegen Kinder- Ihr Argument stützt als in Wahrheit nicht die Legalisierung, sondern nennt ein himmelschreiendes Unrecht.

    3. Sie geben sogar zu, dass von Todesfällen im Zusammenhang mit Vorhautamputationen die Rede ist und das es höchst umstrittene Thesen über Spätfolgen gibt - obwohl Sie in einem Absatz davor die Vorhautamputaionen einen kleinen komplikationslosen Eingriff nennen. Höchst widersprüchlich. Das führt bei Ihnen aber seltsamerweise nicht zu einer kritischen Überprüfung der Legalisierung, sondern zu einer Forderung, männliche Genitalverstümmelung als banale Erziehungsangelegenheit zu zu bagatellisieren. Finden Sie nicht, die Befürworter seien vielmehr in der Beweispflicht, sicherzustellen, dass keine Folgen möglich sind, bevor man weiter wehrlose Kinder vorhautamputiert?

    Halten Sie als Mann männliche Genitalien für grundsätzlich weniger schützenswert als weibliche? Lesen Sie bitte die Stellungnahme von www.terre-des-femmes.de zu dem Thema und informieren Sie sich über betroffene Männer unter www.mogis-verein.de , bevor Sie sich weiter zu einem Handlanger von aus genannten Gründen klar grundgesetzwidrigen schwarz-gelben Gesetzentwürfen machen.

    Dass Sie zu guter letzt auch noch die American Academy of Pediatrics zitieren- die amerikanische Ärztevereiniung, die noch 2010 eine Form weiblicher Genitalverstümmelung aus hygienischenn Gründen legalisieren wollte - und diese vor allem auch noch für glaubwürdiger halten als die von Ihnen ja genannte Mehrheit deutscher Kinder- und Jugendärzte (warum?) krönt Ihren Kommentar auch noch mit richtig schlechter Recherche. Die FAZ berichtete schon vor zwei Wochen über diese Organisiation.

    Es steht der taz sehr schlecht zu Gesicht, solch zweifelhafte Quellen anzuführen.

  • AO
    Angelika Oetken

    Dass Deutschland das erste Land auf der Welt wäre, dass Beschneidungen verbietet, ist kein Argument für Beschneidungen. Es zeigt nur, dass wir weltweit bislang die Rechte von Jungen auf körperliche Unversehrtheit zu wenig im Blick hatten und dass die Sicht auf männliche Sexualität doch ziemlich eindimensional ist.

     

    Das ist allerdings kein Wunder, weil monotheistische Religionen auf der ganzen Welt vorherrschend und kulturprägend sind und allen gemeinsam ihre patronale Ausrichtung ist. Und die hat einen ganz wesentlichen Bestandteil: die Reduktion der Sexualität auf den Aspekt der kontrollierten Reproduktion. Und die Trennung von Mann und Frau dadurch, dass die Sexualität auf das Triebhafte, Mechanische beschränkt bleibt.

     

    Diese Sicht auf Sexualität hat sich auf der ganzen Welt durchgesetzt, mit überwiegend verheerenden Folgen, was unsere Sexualkultur angeht.

     

    Insofern ist es doch eigentlich ganz erfreulich, dass die Diskussion um die rituelle Beschneidung auf so viel Interesse stößt.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

  • EV
    Edward von Roy

    Die bekanntermaßen beschneidungsfreundliche AAP (American Academy of Pediatrics) spricht sich 2012 nicht pauschal für eine Routinebeschneidung aus, sondern, ganz wie unsere Regierung, für den tolerierten Elternwunsch auf Vorhautamputation, für die familiäre Wunschbeschneidung am wehrlosen Einwilligungsunfähigen:

     

    ”We’re not pushing everybody to circumcise their babies,” Dr. Douglas S. Diekema, a member of the academy’s task force on circumcision and an author of the new policy, said in an interview. ”This is not really pro-circumcision. It falls in the middle. It’s pro-choice, for lack of a better word. Really, what we’re saying is, ‘This ought to be a choice that’s available to parents.’ ”

     

    THE NEW YORK TIMES

    August 27, 2012

     

    http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9D03E2D8103DF934A1575BC0A9649D8B63&ref=americanacademyofpediatrics

     

    Noch am selben Tag konterte Intact America mit guten Argumenten und ergänzte: "Anscheinend verhält sich die AAP eher wie ein ärztlicher Verband für Wirtschaftsinteressen" :

     

    Even as the AAP purports to find that the benefits of non-medical neonatal male circumcision outweigh its risks, not even its own Task Force can unequivocally recommend this surgery, but instead states that the health benefits are not great enough to recommend routine circumcision for all male newborns. Instead, it focuses much of its argument on urging that health insurance plans and state Medicaid plans cover the costs of the surgery, which is currently not the case in many states.

     

    It appears that the AAP is acting more as a trade association for doctors ...

     

    INTACT AMERICA’S RESPONSE TO THE AMERICAN ACADEMY OF PEDIATRICS 2012 REPORT ON CIRCUMCISION

    August 27, 2012

     

    http://www.intactamerica.org/aap2012_response

     

    Diese beiden Quellen waren Bundesregierung und Parlamentariern vor dem 10. Oktober 2012 bekannt.

  • HS
    Hartmut Schnarre

    Es gibt kein Beschneidungsgesetz. Es soll (wird?) ein Gesetz geben, das die Körperverletzung durch Beschneidung straf-frei stellen soll. Und der "rechtspolitische Korrespondent" der taz, Christian Rath akzeptiert obskure Nicht-Statistiken mit denen die möglichen Folgen solcher Körperverletzungen verharmlost werden. Da ist ja sogar die Ministerin für Justiz besser aufgeklärt, die von "nur" ca. ein Prozent Komplikationen berichtet. Aber auch ihr sollte mal jemand helfen, dieses eine Prozent auf absolute Zahlen umzurechnen, damit sie zur Kenntnis nehmen (könnte), wie viele betroffene Menschen (Männer) es gibt.

     

    Die Aussagen der amerikanischen Kinderärzte sind doch der Versuch, eine medizinische Indikation

    herbei zu argumentieren, womit die Körperverletzung einfacher zu rechtfertigen wäre. Herr Rath, bitte lassen Sie sich beschneiden (ohne Betäubung) und berichten Sie anschließend darüber. Und um Ihnen die Absurdität ihres Beitrags noch mal drastisch klar zu machen: Falls Sie unter eingewachsenen Fußnägeln leiden, lassen Sie die auch gleich weg machen.

  • UH
    Ulrich Hegemann

    Die Rasanz der Kabinettsentscheidung zu diesem Thema ist wirklich erstaunlich. Es kann mit der Verstümmelung von unmündigen Kindern weitergehen, einzig und allein um die Inbesitznahme von Gläubigen durch ihre Kirchen zu sichern.

  • V
    viccy

    Mit Abstand das Schlechteste, was ich je von Christian Rath gelesen habe; und das, obwohl ich seine Artikel zumeist sehr schätze.

     

    "Nirgendwo in der Welt ist die Beschneidung von Knaben verboten. (...) Das allein stellt die Inbrunst infrage, mit der in Deutschland seit wenigen Wochen diskutiert wird."

     

    Klassischer naturalistischer Fehlschluss.

     

    "Nach allem, was Juden von Deutschen angetan wurde, sollte sich der Einsatz für jüdische Säuglinge nicht gerade gegen jüdische Eltern richten."

     

    Heißt im Grunde: Weil zur Nazi-Zeit Juden unter widerwärtigsten Umständen getötet worden sind, hat der deutsche Staat heute in Bezug auf die genitale Traumatisierung von Kleinstkindern untätig zu bleiben. Welche traurige Pervertierung!

     

    Eine Beschneidung ist ein einfacher komplikationsarmer Eingriff, wenn er nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausgeführt wird. Und genau das schreibt der Gesetzentwurf vor. Wer in dieser Zurückhaltung des Bundestags ein Zeichen von Feigheit sieht, hat von der deutschen Geschichte nur wenig verstanden.

  • SK
    Sebastian Kreibig

    Ich habe bislang kein substantielles Argument pro Genitalverstümmelung von Jungen gehört. Dagegen unerhört viel Propaganda, Verweise auf vieltausend Jahre Brauchtum, die Verfolgung der Juden im dritten Reich oder angebliche hygienische Vorteile. Meine Prognose ist: In 20 Jahren werden wir über diese Debatte nur den Kopf schütteln und insbesondere darüber, dass es Menschen gab, die Kinderrechte für teilbar hielten.

  • TS
    Thomas Sch.

    Eine Beschneidung ist ein irreversibler Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. Fakt. Punkt. Daß man diesen nun aufgrund "unserer Geschichte" freigibt, ist nachvollziehbar, aber deswegen nicht automatisch weniger problematisch, als die Frage zu beantworten, was passieren würde, wenn ein beschnittener Jugendlicher später seine Eltern (oder diejenigen, die die Beschneidung beauftragt haben) verklagt eben gerade wegen dieses nicht genehmigten Eingiffes. Was denn dann ?

  • A
    aurorua

    Da sich unsere Politkasper ja ständig von Minderheiten im Lande zum Affen machen lassen, kann ich den Zeugen Jehovas nur empfehlen auf eine entsprechende Ausnahmeregelung in Sachen Verfassung und Strafrecht zu drängen. Prügelstrafe als Erziehungsmaßnahme ist bei den Zeugen unter Berufung auf die Bibel nämlich durchaus legitim.

    Ein Verweis auf historische Geschehnisse zur Durchsetzung von Rechtsbeugung zugunsten religiöser Minderheiten in der BRD ist geradezu lächerlich.

  • H
    Horsti

    Herr Rath, es gibt weltweit auch massenhaft beschnittene Frauen und Mädchen. Gelten für die auch Ihre Argumente? Ach nee, vermutlich nicht, obwohl die Entfernung der weiblichen Klitorisvorhaut der Entfernung der männlichen Vorhaut entspricht.

    Folgt man Ihrer Argumentation müßte man in Deutschland künftig die Entfernung der Klitorisvorhaut zulassen um Beschneidungstourismus und Hinterhofpfuschereien zu verhindern. Wollen Sie das?

  • AS
    Abwarten statt debattieren

    Wozu debattieren wenn das Ergebnis feststeht? Alles was Multikulti oder anderen Dogmen der 70/80er im Weg steht wird plattgewalzt. Humanismus, Frauenrechte, Kinderrechte oder Logik.