Pressefreiheit: Frontalangriff auf den NDR

Wegen einer Umfrage mit schlechtem Ergebnis für die CDU ist Niedersachsens Fraktionschef Björn Thümler sauer - und wittert beim NDR Interesse an einem Regierungswechsel.

Nicht einverstanden mit schlechten Umfragewerten für seine CDU: Niedersachsens Fraktionschef Björn Thümler. Bild: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsens CDU-Fraktionschef Björn Thümler kommt über das schlechte Abschneiden seiner Partei in der jüngsten Wählerumfrage des NDR offenkundig nicht hinweg – und geht zum Frontalangriff gegen die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt über.

Ob es sich bei dem Termin der drei Tage nach der für die CDU desaströsen Wahl in Nordrhein-Westfalen veröffentlichten Umfrage um einen Zufall handele, könne „man glauben oder nicht“, wird er in der Donnerstagsausgabe der Nordwest-Zeitung (NWZ) zitiert. Er aber könne sich „vorstellen, dass der NDR ein Interesse daran hat, dass es zu einem Regierungswechsel kommt“, so Thümler weiter.

Vorwürfe, für die es aus der Opposition am Donnerstag umgehend Kritik hagelte: „Ungeheuerlich“ sei die Attacke, ein „Affront gegen die Unabhängigkeit der Medien“, erklärt Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel – und fordert Thümler auf, sich für diese Entgleisung zu entschuldigen. „Hände weg von den Medien“, verlangt auch die SPD-Medienpolitikerin Daniela Behrens. Politiker aller Parteien betonten stets die Bedeutung einer freien Berichterstattung für eine funktionierende Demokratie. „Erst dann, wenn sie in schweres Fahrwasser geraten, zeigt sich, ob sie es auch ernst meinen“, sagt sie.

Auch beim NDR selbst weist man die Vorwürfe deutlich zurück: „Ziel von Umfragen ist es selbstverständlich nie, Parteien zu nutzen oder zu schaden“, sagt Thorsten Hapke, Leiter der Landespolitik beim NDR Fernsehen in Hannover, wo man seit 2002 regelmäßig Umfragen vom Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap erheben lässt. Allein vor der letzten Landtagswahl in Niedersachsen 2008 waren es vier, auch der jüngste Ländertrend dürfte nicht der letzte vor der Wahl im Januar 2013 sein.

Von 36 auf 32 Prozent fällt Niedersachsens CDU darin im Vergleich zur letzten Umfrage vom Januar. Die SPD ist bei der Sonntagsfrage mit 36 Prozent – erstmals seit zehn Jahren – stärkste Kraft. 1.000 zufällig ausgewählte Niedersachsen hat Infratest dafür an den beiden Tagen nach der NRW-Wahl interviewt. Ein organisatorisch aufwendiges Unterfangen mit mehreren Tagen Vorlauf – spontan nach dem Ergebnis aus dem Nachbarland dürfte eine solche Umfrage kaum zu realisieren sein.

Eben das vermuten aber Niedersachsens Christdemokraten und lassen erahnen, wie blank ihre Nerven schon acht Monate vor der Landtagswahl liegen: Einen „kurzfristigen Einfluss“ der NRW-Wahl attestierte CDU-Generalsekretär Ulf Thiele der Umfrage schon wenige Stunden nach der Veröffentlichung. Und legte ein eigenes Meinungsbild vor, das seine Partei Ende April erheben lassen hat – in dem die CDU mit 37 Prozent stärkste Partei ist. Tags darauf verwies Thiele auf Interviews mit Infratest-Chef Richard Hilmer, in denen er einen möglichen Einfluss der Wahl im Nachbarland auf die Umfrage einräumt.

So weit wie Thümler, der dem NDR jetzt unterstellt, mit seiner Umfrage Stimmung für einen Politikwechsel zu machen, ist bislang aber kein CDUler öffentlich gegangen. Bei der Landespartei mag man die Vorwürfe des Fraktionschefs auch nicht kommentieren. Man habe sich zu der Umfrage an sich bereits geäußert, damit sei das Thema erledigt, erklärt ein Parteisprecher. Und verweist für alles weitere an Thümler selbst.

Der gibt sich am Tag nach seinem Interview wortkarg: Er habe „keine Schelte betreiben wollen“, lässt er mitteilen. Und betont: Redakteure seien in ihrer Arbeit „selbstverständlich frei“.

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