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Politisches GeschachereDie liberale Unterwanderung

Nicht nur Dirk Niebel versorgt seine Parteikollegen mit Führungsposten. Auch in anderen Ressorts schaffen die Liberalen neue Posten.

Glücklich, wenigstens noch dabei zu sein. Die Spitze der FDP. Bild: dpa

Der Vermerk aus der FDP-Fraktion spricht eine klare Sprache: "Es soll Amt und Stelle eines ,Direktors beim Sachverständigenrat für Umweltfragen' (SRU) geschaffen werden, der die Geschäftsstelle des SRU leitet, dessen Arbeit als Programmdirektor koordiniert und den Rat nach außen vertritt". Das Ziel sei, dass der Rat "auch in seiner Außendarstellung dem unmittelbaren politischen Einfluss von Rot-Grün entwunden und dauerhaft in den … Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen" gebracht werde.

Die Entscheidung stand damit: Der neue Direktor soll kommen, voraussichtlich wird es Siegfried Gelbhaar. Ein FDP-Mann, ehemaliger Fraktionsreferent. Mit rund 7.900 Euro im Monat hochdotiert - und fachlich nicht benötigt.

Das Beispiel aus dem Bereich der Umweltpolitik zeigt, dass die FDP nicht nur im Entwicklungsministerium eigene Parteileute mit Posten versorgt, solange sie noch an der Regierung ist und die Ämter verteilen kann. Auch in anderen Bereichen ist die Politik mittlerweile unter Liberalen üblich.

Und wenn keine neuen Posten geschaffen werden können, werden wenigstens Beförderungen durchgebracht, oder das Geld für die Zeit des Ruhestands wird erhöht.Und das fast zwei Jahre vor der kommenden Bundestagswahl.

Beispiel Gesundheitspolitik: Dort wurde die Besoldung der Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott, von Stufe B3 auf B4 aufgestockt. Pott ist aktive FDP-Parteigängerin.

Stellen wurden ohne Ausschreibung vergeben

Beispiel Wirtschaftsministerium: Auch dort wurden Stellen ohne Ausschreibungen vergeben, berichtete die ZDF-Sendung "Report München". Auf Anfrage redete sich das Wirtschaftsressort heraus: Man habe nur langfristige Pläne der Legislaturperiode umgesetzt. Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte diese Maßnahmen als "parteipolitisch motivierte Ämterpatronage". Die Stellen würden für "Parteizwecke missbraucht". Das alles sei "zum großen Teil rechts- und verfassungswidrig".

Damit es allen gut geht, wurde kurz vor Weihnachten auch noch das Vorruhestandsgehalt für politische Beamte, also Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, erhöht - um mehrere hundert Euro im Monat. Das alles wurde gut versteckt, in den letzten Absätzen eines Gesetzentwurfs.

Besonders skurril dabei: Die Regelung hatte bis 1998 bereits einmal als Gesetz bestanden. Sie wurde gestrichen, weil sie als ungerechte Bevorzugung von Beamten angesehen wurde. Die FDP scheint das mittlerweile nicht mehr zu interessieren - im Niedergang rückt man enger zusammen.

Hintergründe und Motive sind nicht nachvollziehbar

Im Umweltbereich erschien die neu geschaffene Direktorenstelle beim Sachverständigenrat für Umweltfragen dem Vorsitzenden Martin Faulstich so sinnlos, dass er sich in einem Brief an die Koalitionspolitiker Gisela Piltz (FDP) und Hans-Peter Uhl (CSU) wandte. "Weder sachgerecht noch wirtschaftlich" sei die Entscheidung, klagte Faulstich.

An den gesamten Haushaltsausschuss schrieb er: "Hintergründe und Motive für die Einrichtung der Stelle sind somit nicht nachvollziehbar. Weder Bedarf noch Begründung sind erkennbar."

Geändert hat auch der Protest nichts. In einem Änderungsantrag zum "Gesetz zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung" wurde die neue SRU-Direktorenstelle ins Gesetz aufgenommen. Das alles, um die "Farbechtheit" des neuen Jobs zu gewährleisten, wie dem FDP-Sprechzettel zu entnehmen ist.

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15 Kommentare

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  • KS
    Karola Schramm

    Da können wir alle sehen, wessen Geistes Kind diese Menschen sind. Sie sind da und holen sich, was sie kriegen können. Freibeuter in der Regierung und keine/r ist in der Lage, diese zu stoppen, auch wenn der Verfassungsrichter von Armin sagt:"Alles verboten".

    Da gibt es doch eine Kanzlerin, die letztendlich doch die Verantwortung für diesen Sauladen hat. Wo bleibt sie und räumt auf?

     

    Da geht es doch mit den Banken, Friede Springer und Liz Mohn im Rücken, besser, andere Länder unter Druck zu setzen, in die Armut zu zwingen und zu sagen, was sie tun und lassen müssen, als im eigenen Haus Recht und Ordnung herzustellen.

     

    Einfach nur würdelos diese ganze Politik.

  • J
    jps-mm

    FDP billigt Bürgerrechtsverletzungen

     

    Im Herbst 2009 hat Westerwelle - auf Druck von Schäuble und Merkel - die Duldung von Bürgerrechtsverletzungen schwerster Art gebilligt. Für Westerwelle war schon die vage Aussicht auf Steuersenkungen ausreichend, um der drastischen Verschlechterung der Menschenrechte seit Merkels Amtsantritt seine Zustimmung zu erteilen.

     

    Mit Billigung der FDP werden damit die dafür verantwortlichen Rechtsbrecher systematisch der Strafverfolgung entzogen,

     

    mittels Vorratsdatenspeicherung sämtliche Verbindungsdaten von Internet- und Handy-Verbindungen über einen Zeitraum von 6 Monaten gespeichert, eigenmächtige - ohne Beaufsichtigung durch einen Staatsanwalt - präventive Ermittlungen des BKA ohne konkreten Tatverdacht zugelassen, die Befugnisse des BKA zu Lauschangriffen auf Wohnungen nochmals deutlich ausgeweitet, dem BKA auch die Befugnis für Video-Überwachungen von Wohnungen erteilt.

     

    Und wann kommt der Autor dieses Artikels endlich seiner journalistischen Berichtspflicht nach? Sprechen Sie diesen Straftäter gegen Bürgerrechte doch öffentlich auf die Menschenrechtsverletzungen an!

  • D
    DasPferd

    Vielleicht ist es kein gesondertes Problem der FDP, dass Stellen geschaffen werden, um die Kontrolle über das Ministerium zu gewährleisten, aber dass zur Verteidigung anzuführen ist doch albern. Ist ein ähnlicher Stil wie wenn man Kritik an Wulff übt und zu hören bekommt, da gibt es aber noch ganz andere in anderen Parteien, die sind doch nichts besser. Ja, stimmt, macht es aber auch nicht besser. Bitte verteidigt doch nicht immer einen Missbrauch mit dem Deuten auf andere. Das macht die Sache doch nicht besser. Und vor allem kommt nicht mit Sätzen wie "So ist es nunmal" oder "Ist doch üblich". Wenn das so ist und ihr euch drüber ärgert, dann tut was dagegen und regt entsprechende Änderungen an. Z.B. das Abschaffen von Beamten in Ministerien.

  • M
    Marcus

    Ich kann Heinz da nur zustimmen. Das Verhalten mag an sich Kretikwürdig sein, ist aber üblich bei allen Parteien. Weiterhin zu einen gewissengrad schon dadurch notwendig da die betroffenen Stellen großteils zur Zeit mit Kadern der Vorgängerregierungen besetzt sind. Insofern ist es schlicht Notwendig wenigstens die Führungsebene auszuwechslen um die Kontrolle über den Beamtenapperat zu erlangen. Anderenfalls könnte der Minister machen was er will, die Beamten würden in allen nicht direckt geregelten den Stil der Vorgängerregierung weiterverfollgen. Da einen Reihe von Posten aber nicht ohne Weiteres auszutauschen sind, was bestimmt nicht an einer vorrangegangenen betonierungspolitik liegt, bleibt nur die Option den ein oder anderen neuen übergeordneten Posten zu schaffen.

  • K
    Kayo

    Das ist nicht wie bei Münteferings Abschied! Hier versorgt Herr Minister Niebel "sein" Ministerium mit FDPlern, die überwiegend in der Entwicklungspolitik vollkommen unfähig sind und viel viel Geld kosten. Was berichtet wird ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Wenn Journalisten ein wenig Ausdauer hätten, fänden Sie noch viel mehr Missbrauch, auch in den nachgeordneten Behörden des BMZ. Ein Rücktritt sollte hier gefordert werden, des Staatssekretärs, der dies plant und die Fäden zieht zuerst und am besten auch gleich dieses scheinheiligen Ministers, der imer noch die Medien täuschen kann. Pfui!

  • H
    Heinz

    Man muss die FDP nicht mögen, aber das ist wirklich Unsinn. Man denke nur an die Beamtungsorgien bei Münteferings Abschied. Die Kaderpolitik der SPD in Ministerien ist immer noch unübertroffen. Selbst die Pförtner sind Genossen. Von der CDU in Bayern oder Baden Württemberg ganz zu schweigen. Die Großparteien übernehmen neben jedem kleinen Referntenposten im Ministerium sogar regionale Energieversorger, Schulrektorate und Intendantenplätze. Alles bitte bloß den Ball flach halten....

  • H
    Himbeer-Bubis

    Ein Haufen unfähiger, uneinsichtiger "Spekulanten". Unerwünschte Maden im Speck, die das Geld des Steuerzahlers auffressen und trotzdem nichts bewegen, was dem Volk zugute käme.

  • WD
    Walther Döring

    Dieser scheinheilige Artikel mit seinen scheinheiligen Kommentaren passt zum FDP Bashing.

     

    Wenn ich für jeden Politbeamten von der SPD, der CDU und der Dagegenpartei einen Fuffi kassieren dürfte, wäre ich steinreich.

     

    Miniterien und öffentliche Institutionen sind bis unters Dach angefüllt mit Freunden der etablierten Parteien. Die Mehrheit der Posten sind so überflüssig wie ein Kropf.

     

    Also bitte erst verurteilen, wenn die anderen ihre Leute aus den Ämtern gefeuert haben.

  • A
    axel

    Da kommen doch Erinnerungen an die Mauscheleien, Verbandelungen, Geldtransfers, Beschäftigungsverhältnisse etc. im Saarland zwischen FDP und Grünen hoch.

  • B
    Branko

    Also ich plädiere ja mitlerweile dafür, daß für jeden Artikel, der von Deutschlands Club schlechtester BWLer handelt, (wenn's die Besten wären, wären sie in der Wirtschaft, nicht in der Politik.),

    ein Artikel von/aus/über eine andere Partei geschrieben wird:

     

    ÖDP, GRAUE, PBC, BP, DIE FRAUEN, BüSo, FAMILIE, MLPD, ... und so viele, viele neue, bunte, spannende Artikel warten darauf geschrieben zu werden....

     

    Nicht daß ich mich deswegen gleich politisch hinter eine solche stellen würde - ich bin einfach nur für Fairness.

    Denn ich befürchte nämlich, daß wir immer noch von disen "Liberalen" lesen müssen, wenn die in keinem Parlament mehr vertreten sein werden.

  • S
    Sella

    Die FDP, schlimmer als seinerzeit die SED.

  • T
    Thomas

    Wo ist hier die Neuigkeit? Neue, unsinnige Stellen für verdiente Parteikämpen, dubiose Beförderungen etc. sind bei allen Parteien gang und gäbe, sofern ein Zugriff auf solche Stellen möglich ist. Besonders heftig wird es immer in Zeiten vor Neuwahlen

  • H
    herakles

    Ich frage mich wirklich, was die FDP

    mit liberaler Geisteshaltung zu tun hat.

    Normalerweise müßten Liberale das Arbeitsleben

    nach einer Wahlkarriere mit Freuden entgegenfiebern.

     

    Offenbar bevorzugen Sie aber ähnlich, wie

    die Kommunistenbonzen der DDR ein Rundumsorglospaket auf Kosten der Allgemeinheit und der

    Aushebelung der grunddemokratischen

    Beschlussbildung.

     

     

    Der Machtmißbrauch der FDP macht deutlich,

    dass die Mitarbeiter in den öffentlichen Behörden

    einen stärkeren Arbeitsplatzschutz brauchen.

    Für alle operativen Stellen in den Behörden,

    muß zwingend Parteienneutralität gefordert werden.

    Sonst finden sich mehrheitlich nur noch Drittbrettfahrer

    der Parteikader in den Entscheidungsgremien

    zusammen.

     

    Niebel betreibt keine liberale Politik, sondern

    eine die diskrimiert!

    Griechenland läßt grüßen.

    Offenbar heißt für ihn Aufbauhilfe,

    die kapputten politischen Strukturen der

    Krisenländer in Deutschland aufzubauen-

    mit der FDP an der Spitze.

    Er gehört zwingend abgesetzt.

  • S
    Sly

    Ich verstehe gar nicht, was die ganze Aufregung soll. Am Vorgehen der FDP ist meiner Ansicht nach absolut nichts ungewöhnliches zu erkennen. Schließlich wechseln ALLE Parteien die Führungsposten in den Ministerien aus und besetzen sie mit eigenen Leuten, nachdem sie an die Schalthebel der Macht gelangt sind. Man schaue bloß mal auf die Hansestadt Hamburg, wo die Grünen (in der Koalition mit der rechts-konservativen CDU und gegen deren Widerstand!!!) eine Arbeitsstelle gegen Diskriminierung geschaffen haben, und kaum, dass das Ding einigermaßen gut lief, zerbrach die Koalition, Schwarz-Grün wurde von der SPD abgelöst, und alle Posten der Arbeitstelle wurden durch SPD-Leute neubesetzt. Seitdem läuft da gar nichts mehr mit Anti-Diskriminierung, aber die SPDler sind wenigstens versorgt. Sollten ehemalige Koalitionsfreunde so miteinander umgehen? Und tut man der Gesellschaft damit einen Gefallen? Wohl eher nicht. Und trotzdem, die Politik scheint Gefallen an diesem Spielchen zu finden. Jeder kennt die Spielregeln und ALLE scheinen mitzumachen...

  • P
    Paint.Black

    aha.

     

    und wie kann es sein, dass der Satz: Das alles sei "zum großen Teil rechts- und verfassungswidrig"

    offenbar keine Auswirkung hat?

    Oder ist "Rechtswidrigkeit" für die politische "Klasse" keine gültige und anwendbare Kategorie mehr?

     

    Und warum steht im Artikel nicht: Um diese und ähnliche Entscheidungen zu verhindern bzw. entsprechend auf Zulässigkeit prüfen zu lassen müßten Bürger xy tun?

    Wo ist die konkrete Handlungsaufforderung? Mißstände aufzuzeigen ist ja ganz hübsch - aber was dagegen zu tun ist scheint für das Gros der "missing link" zu sein, oder?