Papiere von US-Thinktank geleakt: Ölfirmen finanzieren Klimaskeptiker
In den USA sind interne Papiere eines konservativen Thinktanks veröffentlicht worden. Demnach werden klimaskeptische Autoren verdeckt von großen Firmen finanziert.
BERLIN taz/afp | Die wissenschaftliche Szene in den USA wird von einem neuen Skandal um die "Klimaskeptiker" und seriöse Wissenschaftler erschüttert. Peter Gleick, ausgezeichneter Hydrologe und Leiter des "Pacific Institute", hat eingestanden, sich interne Informationen des klimaskeptischen Thinktanks Heartland Institute illegal beschafft und veröffentlicht zu haben.
Damit hat nun auch ein seriöser US-Wissenschaftler im Kampf um die Deutungsmacht im Klimakrieg zu "dreckigen Tricks" gegriffen, die bisher den Skeptikern vorbehalten waren. Das Heartland Institute wiederum behauptet, eines der fraglichen Dokumente, das eine Strategie zur Beeinflussung der Öffentlichkeit belegen soll, sei gefälscht.
Gleick erklärte, ihm sei anonym ein internes Heartland-Dokument zugesandt worden. Darauf habe er sich mit einer falschen Identität an das Institut gewandt und weitere Unterlagen bekommen. Denen zufolge sammelt Heartland Spenden aus der Großindustrie und verteilt sie an Forscher und Publizisten, die sich klimaskeptisch äußern.
Der demokratische Abgeordnete Raul Grijalva fordert sogar eine Anhörung im zuständigen Parlamentsausschuss, um Vorwürfe zu prüfen, wonach ein beim Innenministerium angestellter Forscher für ein Kapitel in einem klimaskeptischen Buch 1.000 Dollar im Monat vom Heartland bekommen haben soll. Ein Mitarbeiter des Energieministeriums bekam den Dokumenten zufolge sogar vierteljährlich 25.000 Dollar für Entwürfe für Schulmaterial.
Zurück in eine "dunkle Ära"
Außerdem erwähnen die Papiere, es gebe finanzielle Unterstützung für eine alternative Gruppe zum UN-Klimarat IPCC, das NIPCC, "um die offiziellen IPCC-Berichte zu unterminieren". Die Dokumente, die auf der Website DeSmog Blog einsehbar sind, vermitteln Details über die Großspender (unter anderem Koch Enterprises, ein Unternehmen aus dem Ölgeschäft), die Summen, die fließen (mehrere hunderttausend Dollar) und die Strategien für 2012, die Skeptiker-Agenda wachzuhalten - schließlich ist in den USA Wahlkampf und alle republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaft zweifeln an der wissenschaftlich gestützten Theorie des Klimawandels.
Das Heartland Institute sieht eine Verschwörung am Werk. Sein Präsident Joseph Bast erklärte der Financial Times, das geleakte Papier mit der Strategie für 2012 sei eine Fälschung. Seine Veröffentlichung habe "dem Ruf des Instituts großen und bleibenden Schaden zugefügt". Er hat Redaktionen und Blogs anwaltliche Schreiben zukommen lassen, in denen diese aufgefordert werden, die "gestohlenen und gefälschten" Papiere nicht zu veröffentlichen.
Die Debatte findet in einem Umfeld statt, wo Klimaskeptiker und seriöse Wissenschaftler heftig aneinandergeraten. Gerade hat Nina Fedoroff, die Präsidentin der US-Wissenschaftsvereinigung American Association for the Advancement of Science darauf hingewiesen, die Freiheit der Wissenschaften in den USA sei massiv bedroht.
Sie sei "zu Tode geängstigt", dass die Attacken auf Wissenschaft und Forscher sich in den USA und in der ganzen Welt ausbreiteten. Klimaforscher würden bedroht und beschimpft, wenn sie ihrer Arbeit nachgingen. "Wir rutschen zurück in eine dunkle Ära", sagte Fedoroff. Sie sie schwer getroffen, wie schwierig es heutzutage sei, "eine realistische Unterhaltung über Klimawandel oder Gentechnik zu führen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Nach Hinrichtung von Jamshid Sharmahd
„Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist?“
Strategien gegen Fake-News
Das Dilemma der freien Rede