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Neues Kabinett in GriechenlandEntspannt vor hohem Besuch

Wie tritt Athen bei den ersten Kontakten mit der EU auf? Martin Schulz besucht Griechenland, Außenminister Kotzias Brüssel. Finanzminister Varoufakis indes beschwichtigt.

Finanzminister Yanis Varoufakis bemüht sich um Beruhigung: Sein Land wolle kein Veto gegen weitere Russland-Sanktionen einlegen. Bild: dpa

BRÜSSEL/ATHEN rtr/dpa | Spannung vor dem ersten hohen Besuch aus der EU nach dem Regierungswechsel in Athen: Mit dem neuen Regierungschef Alexis Tsipras werde er „Tacheles“ reden, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz vor dem am Donnerstagnachmittag geplanten Gespräch.

Athen reagierte gelassen auf die Ankündigung. Man habe seine eigenen Ansichten, wie man aus der Finanzkrise herauskommt, und diese sollten Schulz unterbreitet werden, hieß es aus Kreisen der Regierung.

Tsipras wolle dem EU-Parlamentspräsidenten erklären, wie der Teufelskreis immer neuer Kredite, in dem sich Griechenland befinde, durchbrochen werden könne. „Wir werden sachlich und nicht im Stil der Boulevardpresse miteinander reden“, sagte ein hoher Funktionär der neuen Regierung in Athen.

Zugleich distanzierte er sich von den alten Gewohnheiten der abgewählten Regierung, zu allem Ja und Amen zu sagen. „In Athen gibt es keine Merkelisten mehr“, sagte der Chef der Syriza-Parteizeitung, Nikos Filis, im griechischen Rundfunk.

Die neue Links-Rechts-Regierung in Athen strebe eine Neuregelung beim Schuldenabbau an und möchte diesen mit einer Wachstumsklausel verbunden sehen, verlautete aus Kreisen des Finanzministeriums.

Vom neuen griechischen Außenminister Nikos Kotzias erwartet die EU Informationen aus erster Hand zur Haltung Griechenlands zu weiteren Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise. Kotzias sollte am Donnerstag erstmals an einem Treffen der Außenminister in Brüssel teilnehmen.

Doch kein Veto gegen Russland-Sanktionen

Indes ist der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis dem Eindruck entgegengetreten, sein Land wolle ein Veto gegen weitere Russland-Sanktionen der Europäischen Union einlegen. In Medienberichten sei die Position der neuen linksgerichteten Regierung verzerrt worden, schrieb Varoufakis am Donnerstag in einem Blogeintrag.

Die Regierung habe sich lediglich über die mangelnde Unterrichtung durch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini beschwert, nicht über die Sanktionen selbst. Das griechische Außenministerium wollte zu der Sache bisher keine Stellung nehmen.

Die EU-Außenminister beraten am Donnerstag in Brüssel über neue Strafmaßnahmen gegen Russland. Einem Entwurf zufolge soll die EU-Kommission beauftragt werden, neue Personen zu benennen, gegen die Sanktionen verhängt werden können.

Die Position der von Syriza geführten Regierung in Athen gegenüber Russland ist bisher unklar. Anders als Finanzminister Varoufakis hatte Energieminister Panagiotis Lafazanis am Vortag einem Bericht der Nachrichtenagentur Athen zufolge erklärt, seine Regierung sei gegen Sanktionen und habe „keine Probleme mit Russland.“ Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte sich am Tag seiner Amtseinführung am Montag mit dem russischen Botschafter getroffen.

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6 Kommentare

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  • [R. S.:] Im (ungeschminkten) Wortlaut an die spezialdemokratische und bundesdeutsche GroKo-Administration und deren rechts-sozialdemokratische EU-europäische Adresse:

     

    "Im Zweiten Weltkrieg wollten die Deutschen Europa erobern. Das ging schief. Man hat ihnen nach der Niederlage dennoch die Hälfte ihrer Schulden erlassen und beim Wiederaufbau geholfen. Die Griechen, denen man von Korruption bis Schlamperei alles Mögliche vorwerfen kann, sind nicht einmal in die Nähe solcher Schuld geraten. Dennoch wurde ihnen ein Sozialvernichtungsprogramm zugemutet, das keine demokratische Gesellschaft aushalten kann." --

     

    Und "{...} Was haben wir denn von den griechischen Wählern erwartet? Dass sie sich von Merkel und Schäuble weiter brav zur Sparschlachtbank führen lassen?"

     

    Vgl. mit Kommentar von Jakob Augstein, auf Spiegel.de, am heutigen Donnerstag, 29.01.2015: "Linksschwenk in Griechenland: Merkels Gift für Europa"

     

    Merke: Das (herrschende) deutsch-europäische EU-Kapital und GroKo-Deutschlands "Sozialvernichtungsprogramm" für Griechenland.

    • @Reinhold Schramm:

      Herr Schramm, Sie sollten es wissen. Das Geld nach dem 2'ten WK hab es nur unter der Bedingung, dass ein finanz-kapitalistisches System errichtet wurde. Sie wollen doch nicht, dass sich das wiederholt?

  • Martin Schulz wird der Griechischen Regierung klarmachen, dass ein kleiner Schuldenstaat wie Griechenland bei den Entscheidungen der EU nichts zu melden hat, dass das Veto nur auf dem Papier steht. Er wird den Griechen die Folterwerkzeuge zeigen, die den Großen in der EU zur Verfügung stehen. Die Starken tun was sie können, die Schwachen tun was sie müssen. Das ist Schulz' Vorstellung von Vernunft.

     

    Die Haltung zu den EU-Sanktionen ist die erste Nagelprobe für die Regierung Tsipras. Dass ausgerechnet der Finanzminister in Sachen Veto gegen die Russlandsanktionen zurückrudert, dürfte bedeuten, dass er diese Frage als Verhandlungsmasse in der Frage der griechischen Schulden - und übrigens auch der deutschen Reparationszahlungen - betrachtet. Ein Fehler.

     

    Das Ergebnis in diesem Fall dürfte sein, dass die Verhandlungen von der EU ergebnislos so weit wie möglich in die Länge gezogen werden, während Griechenland außenpolitisch Wohlverhalten an den Tag legt.

     

    Bei einem Austritt Griechenlands aus dem Euroraum und einem eventuellen griechischen Default verliert die EU und insbesondere Deutschland mehr als Griechenland. Aber dieses Pokerspiel gewinnt Griechenland nicht durch Wohlverhalten sondern nur durch die Demonstration von Konsequenz. Ein Standhalten Griechenlands in der Sanktionsfrage würde aber nicht nur Griechenland russische Sympathien sichern. Der Fall der Sanktionen wäre auch ökonomisch ein Segen für die EU.

     

    Die Regierung Tsipras sollte sich nicht der Illusion hingeben, sich Freunde in der neoliberalen EU-Führung machen zu können. Ganz unabhängig von ihrem "Wohlverhalten" hat sie dort keine. Deutschland, Frankreich und England werden diese Regierung zu Fall bringen, wenn sie nur die Gelegenheit dazu haben.

  • vielleicht sollte man malmit den Schulzes dieser Welt Tacheles reden...

  • Der rechte SPD-Spezialdemokrat, Martin Schulz, der EU-Administration, der herrschenden bundesdeutschen Finanz- und Monopolbourgeoisie, will mit Griechenland Tacheles reden?

    • @Reinhold Schramm:

      Warum nicht? Dort sind doch Ultrarechte in der Regierung? Mit denen haben Sie doch auch kein Problem.