piwik no script img

NSU-Prozess in MünchenMutter Zschäpe schweigt

Auf ihren Auftritt hatten alle gewartet, doch Annerose Zschäpe sagte - nichts. Sie beruft sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.

„Party gemacht“: Zschäpes Cousin Stefan A. im Oberlandesgericht München. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Diese Vernehmung wurde von den Prozessbeteiligten lange erwartet. Der Auftritt von Annerose Zschäpe fiel dann allerdings am Ende sehr kurz aus. Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München verweigerte die Mutter der Hauptbeschuldigten, Beate Zschäpe, die Aussage. Sie berief sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.


Nach der Mittagspause war sie am Mittwoch als Zeugin geladen. In der Öffentlichkeit hatte sich die frühere Buchhalterin bisher weder zu ihrer Tochter noch zu den mutmaßlichen Verbrechen, darunter zehn Morde, des NSU geäußert.

Während ihres kurzen Auftritts schaute die Mutter nicht zu ihrer Tochter. Das Verhältnis der beiden soll bereits lange vor dem Abtauchen des Jenaer NSU-Trios 1998 belastet gewesen sein. Zschäpe bezeichnete sich selbst als „Omakind“: Den Polizeibeamten hatte Zschäpe, als sie sich 2011 nach dem Selbstmord der beiden übrigen NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gestellt hatte, gesagt, sie „bedaure“ es, ihre Oma nicht noch besucht zu haben. 


Im Saal widersprach Annerose Zschäpe zudem der Verwertung ihrer bisher gegenüber der Polizei gemachten Aussagen. Am 11. November 2011 hatte sie zu Hause gegenüber BKA-Ermittlern ausgesagt.

Am Nachmittag wurde der Cousin von Beate Zschäpe vernommen. Schon am Vormittag war Stefan A. geladen. In kurzen Sätzen sprach er, räumte ein: „Wir waren schon rechtsgerichtet." Der 39-Jährige war in der Jenaer rechten Szene aktiv: „Gegen den Staat, gegen Ausländer, gegen Linke, gegen alles.“

Erinnerungslücken

Irgendwann habe er aber der Kontakt zum dem Jenaer Trio abgebrochen. „Uwe Mundlos war mit meiner Lebenseinstellung nicht einverstanden, ich habe getrunken und Party gemacht – er hat mich als Asi bezeichnet.“ Wie bereits andere dem Trio ehemals nahestehende Zeugen kann sich auch A., der vor acht Jahren nach Mallorca zog, an vieles nicht mehr erinnern.

Er bestätigte jedoch, dass die Großeltern „wichtig für Beate“ waren. Der Großvater sei der „Chef der Familie" gewesen, die Großmutter aber die „wichtigere Bezugsperson“. In der Kindheit, sagte er, hätte für Zschäpe, die vor allen bei den Großeltern lebte, die Mutter nur eine „nebensächliche Rolle“ gespielt.

A. bestätigte zudem, das die drei politisch extreme Ansichten vertraten – und auch gewaltbereit waren. Auch Zschäpe soll in einer Disco einem Einlasser ein Glas über den Kopf geschlagen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • S
    Störtebekker

    Es wär gut, wenn hier mal wieder richtig BERICHTET wird, als uns hier die vorgefasste Meinung eines Redakteurs zu präsentieren. Das interessiert nämlich inzwischen niemand mehr.

    • G
      Gast
      @Störtebekker:

      ? Es wird doch hier berichtet, ich kann keine Wertung seitens des Autors erkennen. Vermag Ihren Einwand nicht nachzuvollziehen.

  • S
    Störtebekker

    Warum sollte diese Frau ihre Tochter in die Pfanne hauen? Die Anklage steht sowieso auf sehr, sehr tönerenen Füßen. Mich überzeugt sie langen nicht. Wohl keinen der halbwegs logisch denken kann.

    • S
      Starrrost
      @Störtebekker:

      Nee, ist klar.

       

      Ist komisch, dass in den diversen Foren immer wieder zu lesen ist, dass es keine richtigen Beweise gegen die Zschäpe gibt usw. Diese Litanei wird nicht dadurch glaubwürdiger, dass die gleichen Leute sie immer wieder herunterleiern. Sonst wären wir alle Schafe, wie in George Orwells "Farm der Tiere".

       

      Und warum sollte Annerose ihre Beate in die Pfanne hauen, wenn sie nur die Wahrheit sagt, und nichts als die Wahrheit, damit Recht gesprochen werden kann und der Gerechtigkeit genüge getan wird?

      • S
        Störtebekker
        @Starrrost:

        Sind Sie wirklich sooooooo naiv?

        Alles was diese Frau sagt, kann gegen ihre Tochter verwendet werden. Nicht einmal die Frauen der Nürnberger Kriegsverbrechen brauchten gegen ihre Männer aussagen. Ist Ihnen etwa ein Fall bekannt?

        • G
          Gast
          @Störtebekker:

          Jemand der das Leid nachempfinden kann, dass über diese 10 Familien hereingebraucht worden ist, wird aussagen, damit der Gerechtigkeit genüge getan wird, auch wenn damit das eigene Kind belastet würde.

           

          Nichtsdestoweniger steht für Annerose Zschäpe die Frage im Raum, was sie falsch gemacht hat, dass ihre Tochter in eine solche Gesellschaft geriet. Um für sich selbst sauber zu unterscheiden, was wessen Verantwortlichkeit ist, hätte sie besser ausgesagt. Als Mutter wäre das eine Frage, die mich mit brennender Sorge erfüllen müsste.

           

          Sonst bedeutete es, dass das eigene Kind etwas Besseres sein soll als all die anderen arglosen Opfer, die feige gemeuchelt wurden. Hier bedingen Biophilie und Empathie einander. Aber letztendlich ist es eine müßige Frage, weil Beate Zschäpes Mutter nunmahl ihre Aussage bzw. die Verwertung ihres Vernehmungsprotokolls verweigerte. Der Prozess geht weiter, es wird so oder so Recht gesprochen werden.

           

          Es ist nur komisch, dass diejenigen, die sonst immer für Anstand und Moral, für Recht und Ordnung eintreten, auffällige Erinnerungslücken haben, wenn es darum geht dies zu finden.

           

          Im Übrigen verwundert und hinkt Ihr Vergleich mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen: Er ist unlogisch, naiv und steht auf tönernen Füßen. Hätten Anklage bzw. Verteidigung gewollt, dass die Frauen der nachweislichen Kriegsverbrecher aussagen, hätten sie es wohl getan bzw. beantragt. Aber auch dies ist letztendlich eine müßige Frage in einer intendierten Metadiskussion; sie hat mit dem jetzigen Prozess rein gar nichts zu tun, außer dass die angeklagten Taten vielleicht in einem gewissen, nennen wir es mal Mentalitätskontinuum zu stehen scheinen.