NPD-Aussteiger integrieren: Nazis rein!

Die NPD und andere Neonazis gehören geächtet. Aber Aussteiger sollten von Parteien und Verbänden eingebunden werden - auch von den Piraten. Ein radikales Plädoyer.

Paradoxer Umgang: Nazis sollen aussteigen – aber dann will sie keiner haben. Bild: imago/Bernd Friedel

Wie kann man eigentlich die NPD gut finden? Wie kann man Ausländer rauswerfen wollen, Holocaustleugner zu seinen Kameraden zählen und sich einer autoritären Führung unterordnen? Wie muss ein Mensch ticken, der dabei einmal mitgemacht hat? Und warum sollte man so jemanden noch bei Attac, bei der SPD, bei Amnesty International und dem Bund für Umwelt und Naturschutz, bei den Grünen oder als Mitglied der taz-Redaktion aufnehmen?

Gerade diskutiert die Piratenpartei über den Umgang mit ehemaligen NPD-Mitgliedern. Anlass: Matthias Bahner und Valentin Seipt. Der eine war bis vor Kurzem Mitglied des Landesvorstandes Mecklenburg-Vorpommern, der andere war der Kreisvorsitzende der Freisinger Piraten. Beide mussten von diesen Ämtern zurücktreten, nachdem ihre NPD-Vergangenheit ans Licht kam.

Der Umgang vieler Linker mit NPD-Mitgliedern ist verlogen und hochgradig paradox. Solange sie in der Partei sind, fordert man sie auf, unverzüglich auszusteigen und sich von ihrem rechtsextremen Freundeskreis loszusagen. Die rot-grüne Bundesregierung finanzierte 2001 sogar aus dem Bundeshaushalt ein Aussteigerprogramm für Mitglieder der rechten Szene, inklusive Unterstützung bei der Suche nach neuer Wohnung und neuem Job. Das gleiche Ziel verfolgt die private Initiative "Exit", finanziert unter anderem über Spenden und Zuschüsse der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Rechte Vergangenheit verjährt nicht

Wer aber endlich ausgestiegen ist, wird keineswegs freudig aufgenommen. Das Strafrecht kennt die Verjährung - doch wer eine Vergangenheit bei den Rechtsextremen hatte, muss ein Leben lang damit rechnen, sich Vorwürfe anzuhören und ausgegrenzt zu werden. Egal ob jemand auf die linke oder auf die bürgerliche Seite wechselt. Die taz zum Beispiel schreibt in ihren Artikeln über Braunschweig immer mal wieder, dass der dortige CDU-Oberbürgermeister Gert Hoffmann früher in der NPD war. Oft ohne zu erwähnen, dass das während seines Studiums war und inzwischen 42 Jahre her ist.

Wenn ehemalige Nazis sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und begründen können, warum sie die damaligen Positionen heute für falsch halten - warum sollte man sie nicht mit offenen Armen empfangen? Als Basismitglieder, aber auch als Stadtratsabgeordnete, Landesvorstandsmitglieder, Bürgermeister, Parlamentarier und Minister?

Das ist auch die Voraussetzung dafür, dass für Nazis der Ausstieg aus der rechten Szene überhaupt als Alternative erscheint. Wer diesen Schritt geht, verliert schließlich sein bisheriges Umfeld. Warum sollte man das tun, wenn man weiß, dass man nur sehr schwer wieder irgendwo anders aufgenommen wird? Wer ehemalige Nazis ausgrenzt, setzt also die falschen Anreize für die Nazis, die noch über den Ausstieg nachdenken.

Die beiden Piraten Matthias Bahner und Valentin Seipt haben nicht von sich aus über ihre Vergangenheit bei der NPD informiert. Bahner hatte sogar explizit die Frage verneint, ob er schon einmal in einer anderen Partei war. Erst auf Druck von außen offenbarten die beiden sich. Das war ihr Fehler.

Wahrheit muss sich lohnen

Bei Bahner kam dazu, dass er die Wahrheit erst nach und nach eingestand. In einer ersten Stellungnahme sagte er noch: "Meine Aktivitäten dort beschränkten sich ausschließlich auf Freizeitaktivitäten mit meinen damaligen Schulfreunden." Er habe die Partei im Jahr 2004 verlassen.

Bahner bot damit der NPD eine Steilvorlage, um sich an ihrem Aussteiger zu rächen. Die Partei teilte auf ihrer Webseite mit, dass Bahner "an zahlreichen Kreisverbandssitzungen teilgenommen hat, sich an den Protesten gegen die Anti-Wehrmachtsausstellung in Peenemünde beteiligte". Zudem sei Bahner erst 2006 von der Mitgliederliste gestrichen worden - aber nicht wegen eines Austritts, sondern weil er ein Jahr lang seinen Mitgliedsbeitrag nicht mehr gezahlt hatte. Damit hat die NPD erreicht, was sie wollte: Innerhalb der Piratenpartei laufen derzeit die Vorbereitungen für ein Ausschlussverfahren gegen Bahner. "Tugenden wie Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit, für die wir Piraten stehen, wurden massiv verraten", heißt es darin zur Begründung.

Natürlich muss man von Politikern erwarten, dass sie über ihre Vergangenheit nicht lügen. Valentin Seipt begründete sein Schweigen: Er habe Vorurteile gefürchtet und deshalb auch seinem neuen Freundeskreis nichts gesagt. Das kann man feige finden. Oder man überlegt, wie man es NPD-Aussteigern leichter macht - damit es möglichst viele von ihnen gibt.

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