Medienforscher über Bundeswehrwerbung: „Vom Kampf ist nie die Rede“
Die Bundeswehr umwirbt Jugendliche mit Emotionen und Träumen statt mit Argumenten. Es fehlt der realistische Blick auf die Armee, kritisiert Friedemann Vogel.
taz: Herr Vogel, fast jeder dritte freiwillige Wehrdienstleistende bricht in der Probezeit ab. Vermittelt die Bundeswehr ein falsches Bild von sich?
Friedemann Vogel: Sie versucht, die Jugendlichen mit Emotionen zu umwerben. Und thematisiert nicht das Risiko, das ein Einsatz birgt. Stattdessen spricht sie Gefühle an wie Kameradschaft und Abenteuerlust.
Sie dockt an Träume an?
Natürlich, etwa an den Traum vom Fliegen. Oder an das Gender-Stereotyp vom Pferdezüchten: Sie zeigt eine junge Frau mit einem Pferd, daneben steht: „Josephine Wernike erfüllt sich einen Kindheitstraum. Sie arbeitet mit Mulis und Haflingern.“
„Pferde“ statt „Panzer“ – sie vermeidet Militär-Begriffe?
Nein, aber sie werden positiv eingekleidet, etwa in der Redewendung: „Die Zukunft im Visier.“ Damit verknüpft die Bundeswehr militärische Genauigkeit und Weitblick. Das macht sie auch auf der Bildebene: Unter einem Panzer, der Truppen transportiert, steht „Taxi bitte“ – der militärische Transport wird zur zivilen Normalität stilisiert.
Werden Schmerz und Kampf gar nicht angesprochen?
Von Kampf ist nie die Rede, sondern meist von Übungen. Assoziationen von Gefahr und Angst sollen erst gar nicht geweckt werden. Maschinen und Fahrzeuge werden ästhetisch inszeniert. Sie werden häufig schräg von unten fotografiert, wirken imposanter.
29, ist Juniorprofessor für Medienlinguistik an der Uni Freiburg. In der Studie „Zukunft im Visier“ hat er die Jugend-Informationsseite der Bundeswehr analysiert.
Jugendlichen wird nicht klar, dass sie eventuell Menschen töten müssen?
Auf der //treff.bundeswehr.de/:Homepage wird darauf zumindest nicht hingewiesen. Da geht es um Ästhetik und um die Arbeit mit großen Maschinen: Als Handwerker bei der Bundeswehr, da reparierst du nicht Autos, sondern Panzer. Da kannst du was erleben.
Wen spricht das an?
Viele Jugendliche, die beschränkte Berufs- und Arbeitsmöglichkeiten haben, wünschen sich, aus ihrem Alltag auszubrechen. Ihnen wird finanzielle Sicherheit versprochen – hier kannst du was verdienen und was werden, auch wenn du nur einen Hauptschulabschluss hast. Die Bundeswehr will das Gefühl vermitteln, die Truppe sei füreinander da und jeder habe die Kontrolle über sein Leben.
Ist die Bundeswehr ein Auffangbecken für schlecht ausgebildete Jugendliche – wie oft gesagt wird?
Bei Menschen mit einem bildungsnahen Familienhintergrund werden viele der Bedürfnisse, auf die die Bundeswehr anspielt, jedenfalls weniger vorliegen.
Welche Darstellung auf den Jugendseiten der Bundeswehr hielten Sie für angemessen?
Zunächst sollten wir darüber diskutieren, ob die Bundeswehr überhaupt Jugendliche anwerben darf – mit dem Aussetzen der Wehrpflicht haben wir das hingenommen. Wenn ja, dann sollte zumindest auf der Webseite nicht nur das Pro sondern auch das Contra von militärischen Einsätzen nachzulesen sein.
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