Manipulation bei „Deutschlands Beste“: Fernsehen aus Kleinpupsdorf
Das ZDF hat Umfrageergebnisse verfälscht. Intern sucht der Sender nun nach Schuldigen. Aber ist die Manipulation tatsächlich ein Einzelfall?
![](https://taz.de/picture/100981/14/deutschlands_beste_16072014.jpg)
Manche Interviews klingen im Nachhinein besonders pikant. Am 2. Juli saß Johannes B. Kerner bei „Volle Kanne“ und warb für seine Abendshow „Deutschlands Beste“. Moderator Ingo Nommsen kumpelte ihn an, er möge doch mal Ergebnisse ausplaudern. Wer sind denn nun die Besten? „Ich könnte jetzt einfach sagen: Ich weiß es ja nicht?“, schwadronierte Kerner. „Aber du weißt es natürlich schon?“, hakte Nommsen ein. „Ich ahne es“, antwortete Kerner mit einem breiten Lächeln.
Einige Tage später teilt das ZDF kleinlaut mit: Die Redaktion der Show ahnte die Ergebnisse nicht nur, sie hat sie zum Teil selbst gemacht. Eine Forsa-Umfrage unter 1016 Menschen nahm sie lediglich als Empfehlung. Eine Abstimmung von Lesern der Programmzeitschrift Hörzu spülte sie gleich im Klo runter. Nachdem der NDR-Journalist Boris Rosenkranz tagelang das ZDF mit Fragen nervte, musste der Sender endlich zugeben, Mist gebaut zu haben.
Sieben Männer und drei Frauen wurden von der Redaktion gezielt hoch- oder abgestuft. Die SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier und Hannelore Kraft verbesserten sich, abwärts ging es für Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen von der CDU. Angeblich schummelten die Redakteure aber nicht aus politischen Gründen, sondern nur, um ihren Studiogästen zu schmeicheln. „Idioten“, polterte heute-journal-Moderator Claus Kleber auf Twitter, als das bekannt wurde. Ihn selbst mogelten sie von Platz 39 auf 28. „Unfassbar. Täter: I hate you!“
Interne Untersuchung
Jetzt läuft die Aufarbeitung. Ruprecht Polenz, Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates, legte einen Fragenkatalog vor. Acht Punkte listete Polenz auf. Ein Ausschuss des Fernsehrates wird sie in den kommenden Wochen klären. Parallel läuft im Sender eine interne Untersuchung, betroffenen Mitarbeitern drohen Konsequenzen für ihren Verstoß. „Das untergräbt die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und schadet der Akzeptanz der Gebührenfinanzierung“, sagt die Grünen-Vorsitzende Simone Peter der taz. Auch sie ist Mitglied im Fernsehrat und drängt auf eine baldige Sondersitzung des Ausschusses Programmdirektion.
Die jüngste Affäre beim ZDF lehrt: Es braucht nicht viel, um eine große deutsche Fernsehanstalt richtig bescheuert aussehen zu lassen. Man nehme eine mittelmäßige Abendshow, eine Fälschung wie bei der Tombola des FC Kleinpupsdorf und einen polternden Nachrichtenmoderator – fertig ist der gewaltige Imageschaden.
Zu viel Wind um eine total egale Show? Das kann man so sehen. Aber es geht doch um mehr: die Integrität eines öffentlich-rechtlichen Senders. Auf dessen Facebook-Seite lassen Zuschauer Dampf ab. „Wenn bei solch leichter Kost schon manipuliert wird, möchte ich mir andere Dinge nicht mehr vorstellen“, schreibt einer und der nächste: „Ich bin mir sicher, die Nachrichten und vieles andere in diesem Sender wird ebenfalls gefälscht.“
Wer nun meint, dass die Zeitschrift Hörzu total sauer über die Missachtung der Leserumfrage sei, hat sich getäuscht. Chefredakteur Christian Hellmann wertete den schweren Fehler des ZDF als „ein singuläres Ereignis“. Man habe schon „bei vielen Aktionen gut zusammengearbeitet“. Die Entschuldigungen der ZDF-Chefs habe Hörzu zur Kenntnis genommen. „Für uns ist die Angelegenheit damit erledigt, wir nehmen die Entschuldigung an und werden keine rechtlichen Schritte einleiten.“ Die konstruierte Realität des Gute-Laune-Fernsehens ist scheinbar eine allgemein akzeptierte Konstante.
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