Luftverschmutzung: Brüssel findet Hamburg zu dreckig
Die EU rügt Hamburgs Gesundheits- und Verkehrspolitik, weil Maßnahmen gegen Schadstoffe in der Atemluft fehlen. Grenzwerte werden weiter überschritten.
Die Atemluft in Hamburg ist dreckig und gesundheitsschädlich. Das hat jetzt die EU-Kommission der Hansestadt schriftlich gegeben. In dem Beschluss vom 20. Februar, welcher der taz vorliegt, wird der Hamburger Antrag abgelehnt, die Frist für die Umsetzung von Luftreinhalte-Maßnahmen um fünf Jahre zu verlängern. In der Konsequenz drohen Hamburg nun Strafzahlungen in sechsstelliger Höhe – pro Tag.
Seit 2010 gilt EU-weit für das hochgiftige Stickstoffdioxid (NO2) ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft. Dieser wurde auch in Hamburg jahrlang überschritten. Deshalb beantragte die Hansestadt bei der EU eine Ausnahmegenehmigung bis 2015, um Maßnahmen zur Minderung der Emissionen einleiten zu können. Dieses hat Brüssel nun verneint.
Nach Prüfung zusätzlicher Unterlagen, die Hamburg im Herbst 2012 nachgereicht hatte, vertritt die Kommission „weiterhin die Auffassung, dass der NO2-Jahresmittelwert im Jahr 2015 trotz der mitgeteilten zusätzlichen Maßnahmen weiterhin über dem zulässigen Wert liegen wird“. Damit erklärt die Kommission auch den im September vorgelegten Luftreinhalteplan für wirkungslos.
„Hamburg setzt auf Innovation und Bewusstseinswandel der Bevölkerung, um den Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich zu halten“, kommentiert Kerstin Graupner, Sprecherin der Umweltbehörde, den blauen Brief aus Brüssel. Der Luftreinhalteplan enthalte „80 Maßnahmen, die verursachergerecht und verhältnismäßig“ seien. Durch einen attraktiveren öffentlichen Nahverkehr, emissionsärmere Autos und eine wachsende Elektromobilität werde sich, so die Hoffnung, „die verkehrsinduzierte Immissionssituation an den Hauptverkehrsachsen aber deutlich verbessern“.
Allerdings hatte die Behörde im internen ersten Entwurf des Lufreinhalteplans im August 2012 bereits eingeräumt, dass „für 2015 weiterhin deutliche NO2-Grenzwertüberschreitungen gutachterlich prognostiziert werden“. Hauptursache sei „eindeutig der Kfz-Verkehr“. Danach lag an innerstädtischen Messpunkten wie der Max-Brauer-Allee in Altona der Mittelwert der Verschmutzung bei 67 Mikrogramm, in der Spitze mit 74 Mikrogramm sogar mehr als 60 Prozent über dem erlaubten Grenzwert.
Dessen Einhaltung sei nur „mit sehr einschneidenden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen möglich“, hieß es in dem von der taz veröffentlichten vertraulichen Entwurf, ohne Begriffe wie Umweltzone, City-Maut oder Tempo 30 ausdrücklich zu nennen. Im schließlich einen Monat später vom Senat verabschiedeten Plan stand davon jedoch kein Wort mehr – weshalb er jetzt auch nach Einschätzung der EU-Kommission wirkungslos ist.
Von einer „verdienten Quittung für die verfehlte Politik der Umweltbehörde“ spricht deshalb Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Nach dessen Einschätzung leben etwa 220.000 Menschen in Hamburg in Stadtteilen mit gesundheitsschädlicher Atemluft. Unter Berufung auf den EU-Beschluss könnten diese jetzt „ihr Recht auf saubere Luft einklagen“, so Braasch. Auch der BUND prüfe nunmehr eine Klage gegen Hamburg.
Wenn der SPD-Senat nicht endlich im Sinne der Gesundheit seiner BürgerInnen handele, drohe zusätzlich „ein Vertragsverletzungsverfahren der EU mit millionenschweren Strafzahlungen“, sagt Jens Kerstan, Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft. „Das kann teuer werden.“
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