Landeseigenes Stadtwerk: Vorbild aus dem Norden

Berlin will ein eigenes Stadtwerk aufbauen, das Ökostrom liefern soll. Keine schlechte Idee, wie ein Blick nach Hamburg zeigt: Beim dortigen Versorger brummt's.

Der Berliner Strom soll bald auch öko und stadteigen fließen. Bild: dapd

Es war als Kampfansage gedacht: „Hamburg wird einen eigenen Energieversorger mit dem Namen ’Hamburg Energie‘ gründen“, verkündete Hamburgs damalige grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk im Oktober 2008. Gerade hatte sie das umstrittene Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg genehmigen müssen, das der Koalitionspartner CDU in das seit fünf Monaten regierende schwarz-grüne Bündnis eingebracht hatte. Der seitdem ausgetragene „Konflikt“ mit dem Betreiber Vattenfall habe gezeigt, so Hajduk damals, „dass Hamburg einen Energieversorger braucht, der sich an den Interessen des Klimaschutzes und der Allgemeinheit orientiert“.

Ein Jahr später nahm Hamburg Energie als Tochterfirma der städtischen Wasserwerke Hamburg Wasser den Betrieb auf, heute beliefert das Unternehmen etwa 85.000 Strom- und 11.000 Gaskunden in der Hansestadt. In den ersten beiden Geschäftsjahren fielen die Anlaufverluste geringer aus als gedacht: 2011 waren es 1,4 Millionen Euro statt prognostizierter 1,7 Millionen. Für das laufende Jahr erwartet Geschäftsführer Michael Beckereit bei einem Umsatz von etwa 115 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von rund 700.000 Euro, für 2013 rechnet er mit etwa 1,6 Millionen Euro Gewinn. Die Tarife von Hamburg Energie sind vergleichbar mit denen anderer bundesdeutscher Ökostromanbieter.

Ab dem kommenden Jahr bezieht auch die Stadt Hamburg Ökostrom von seiner Enkelfirma. Denn die hatte sich im September in einer europaweiten Ausschreibung durchgesetzt und die bisherigen Versorger RWE und Dong Energy ausgebootet. Hamburg Energie übernimmt damit die Versorgung von Behörden, Schulen, Theatern und öffentlichen Unternehmen, die Strommenge entspricht dem Jahresverbrauch von rund 135.000 Haushalten.

Mit der Gründung von Stadtwerken wollen die rot-schwarzen Regierungsfraktionen Stromproduktion und -vertrieb in Berlin wieder in kommunale Hand übernehmen. Dazu soll das Land eine Tochtergesellschaft der landeseigenen Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) gründen, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt. Mit den Stadtwerken soll die Stromproduktion unter einem Dach gebündelt werden. Dieser Weg der Stromproduktion und Vertriebs sei in Hamburg bereits sehr erfolgreich erprobt worden, erklärte SPD-Fraktionschef Raed Saleh bei der Vorstellung der Pläne am Mittwoch.

Mit diesem Modell versucht Rot-Schwarz, die Initiative Berliner Energietisch zuzugehen. Diese hatte im Juli erfolgreich ein Volksbegehren dazu abgeschlossen. Der Energietisch will, dass Berlin sein Stromnetz wieder in die eigene Hand nimmt und Stadtwerke gründet. (dpa)

CDU und FDP in Hamburg ist eben das ein Dorn im Auge. Sie unterstellen eine Quersubvention des Versorgers durch die Stadt. In der Bürgerschaft haben sie durchgesetzt, dass der Landesrechnungshof die Geschäftsbeziehungen zwischen Hamburg und dem Hamburger Unternehmen durchleuchtet. Der Bericht steht noch aus.

Mit der Gründung des Versorgers sollten die Privatisierungsfehler der 1990er Jahre korrigiert werden, als die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) an Vattenfall und die Gaswerke Hein Gas an Eon verkauft wurden. Der Aufbau eines kompletten Stadtwerks für Strom, Gas und Fernwärme allerdings steht in den Sternen. Denn der neue SPD-Senat unter Bürgermeister Olaf Scholz hat neue Netzgesellschaften gegründet, an denen die Stadt lediglich 25,1 Prozent hält, die Konzerne Vattenfall und Eon aber knapp drei Viertel. Ein vollständiger Rückkauf der Netze ist nach SPD-Meinung mit über drei Milliarden Euro nicht zu finanzieren. Ebendas aber will eine Volksinitiative mit einem Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl im nächsten September durchsetzen – Ausgang völlig offen.

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