Krieg in Syrien: Der Sturm vor der Ruhe
Die USA und Russland haben eine Waffenruhe in Syrien vereinbart – ab Montagabend. Doch zuvor eskaliert der Krieg noch einmal.
Wegen zahlreicher Unwägbarkeiten und ungelöster Detailfragen ist die Skepsis allerdings groß, zumal die Konfliktparteien ihre Kriegshandlungen am Wochenende eskalieren ließen, um noch militärische Geländegewinne zu erringen. In Aleppo kam es nur Stunden nach Bekanntgabe der russisch-amerikanischen Vereinbarung zu heftigen Kämpfen zwischen syrischen Regierungstruppen und Oppositionsmilizen mit mindestens 45 Toten. Die schwersten Luftangriffe am Samstag ereigneten sich in der Stadt Idlib im Nordwesten Syriens.
Aktivisten machten dafür russische Kampfjets verantwortlich. Sie hätten einen Markt bombardiert und dabei mindestens 24 Menschen getötet, viele von ihnen Zivilisten.
Syrische Staatsmedien wiederum berichteten, Rebellen hätten Regierungsviertel in Aleppo beschossen und dabei mindestens einen Menschen getötet. Zudem hätten Kämpfer des „Islamischen Staats“ Geschosse auf ein Viertel in Dair as-Saur gefeuert und dabei neun Menschen getötet. Alle diese Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Bei einem türkischen Luftangriff auf die grenznahe syrische Stadt Tel al-Haua wurden nach einem Bericht des Fernsehsenders CNN Turk 20 IS-Kämpfer getötet.
Fast 13-stündiger Gesprächsmarathon
Laut der russisch-amerikanischen Vereinbarung, die die Außenminister Sergey Lawrow und John Kerry in der Nacht zum Samstag nach einem fast 13-stündigen Gesprächsmarathon in Genf verkündeten, soll die Waffenruhe am Montag bei Sonnenuntergang – mit Beginn des viertägigen islamischen Opferfestes – in Kraft treten. Danach könnten die humanitären Organisationen der UNO mit der Versorgung von über 600.000 notleidenden Menschen in Aleppo und anderen umkämpften, belagerten oder schwer zugänglichen Städten und Regionen des Landes beginnen.
Sollte die Waffenruhe mindestens sieben Tage halten, wollen die USA und Russland ihre militärischen Angriffe gegen den „Islamischen Staat“ und den syrischen Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front koordinieren, die von Washington und Moskau als Terrororganisationen eingestuft werden.
Die Vereinbarung zwischen Moskau und Washington umfasst fünf Dokumente, die die Regierungen Putin und Obama allerdings nicht veröffentlichten. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärten Lawrow und Kerry, die von Russland unterstützte syrische Regierung sowie die von den USA unterstützten Oppositionsmilizen hätten der Waffenruhe zugestimmt. Entsprechende Erklärungen gaben die Regierung Assad und das Oppositionsbündnis am Wochenende auch öffentlich ab, allerdings jeweils mit der ausdrücklichen Bedingung, dass sich zunächst die andere Seite an die Vereinbarungen halten müsse.
Lawrow und Kerry äußerten die Hoffnung, dass eine Umsetzung aller von ihnen getroffenen Details zu einer Wiederaufnahme der UNO-Gespräche zwischen der syrischen Regierung und dem Oppositionsbündnis über die politische Zukunft des Landes führen werden. Die im Februar nach einer ersten Waffenruhe in Syrien begonnenen Gespräche waren nach drei ergebnislos verlaufenden Runden und dem Zusammenbruch der Waffenruhe im April ausgesetzt worden.
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