Korruption in Brasilien: Geld statt Urteil
In die Korruptionsskandale verwickelte Konzerne zahlen nun Millionen in die Staatskasse. Damit wollen sie einer Strafe entgehen.
Der bisher größte Deal kam Ende vergangener Woche zustande: Das Bauunternehmen Camargo Corrêa einigte sich mit der Bundesstaatsanwaltschaft auf die Zahlung von umgerechnet knapp 200 Millionen Euro – für Brasilien eine Rekordsumme.
Fast bedeutender als die Zahlung ist das Geständnis der Unternehmensführung: Ja, wir haben mehrere Verbrechen begangen, unter anderem Kartellbildung, Bestechung und Geldwäsche. Aufgrund der Rückzahlung muss sich Camargo Corrêa für diese Vergehen nicht mehr juristisch verantworten. Aber Beihilfe zur Aufklärung des Korruptionsskandals ist Teil der Abmachung. Der Konzern soll der Staatsanwaltschaft Informationen über die Beteiligung der anderen 15 Unternehmen am sogenannten Kartell der 16 zukommen lassen.
Die Korruptionsfälle, die eine schwere politische Krise auslösten und zu einer ernsthaften Bedrohung für die Präsidentin Dilma Rousseff sowie ihre Arbeiterpartei PT geworden sind, liefen alle nach demselben Schema ab. Halbstaatliche Unternehmen wie der Ölkonzern Petrobras und Energiekonzerne wie Eletrobras und Eletronuclear vergaben überteuerte Großaufträge an das Kartell von Bauunternehmen. Der illegale Preisaufschlag, der im Endeffekt zulasten der Staatskassen ging, wurde zwischen den Kartellmitgliedern, den korrupten Managern der Staatsunternehmen und den politischen Parteien, die diese Manager auf ihre Posten hoben, aufgeteilt.
Die Ermittlungen des Bundesrichters Sergio Moro im Bundesstaat Paraná machten die Skandalserie vor gut eineinhalb Jahren publik. Die Rede ist von umgerechnet mehreren Milliarden Euro, die allein bei Petrobras veruntreut worden sein sollen. Einige hochrangige Manager sind bereits zu hohen Haftstrafen verurteilt worden, gegen mehr als 50 Abgeordnete und Senatoren wird ermittelt.
Grundlage sind meist die Aussagen von Kronzeugen – ehemaligen Managern, die dadurch erheblichen Straferlass erwarten können. Obwohl diese Art Parteienfinanzierung offenbar schon vor der aktuellen Regierung praktiziert wurde, bringen die Enthüllungen jetzt die Regierung Rousseff in die Bredrouille. Das gewaschene Geld floss meist an Parteien der Regierungskoalition und die PT selbst.
Für den geschröpften Staatshaushalt, der derzeit von einer schweren Wirtschaftskrise in Mitleidenschaft gezogen wird, ist die Rückzahlung eine willkommene Finanzspritze. Laut Bundesstaatsanwaltschaft sind umgerechnet bereits an die 250 Millionen Euro zurückgezahlt worden.
Weitere 700 Millionen ließ die Staatsanwaltschaft auf den Konten der Bauunternehmen blockieren. Insgesamt fordert sie in fünf Korruptionsprozessen fast zwei Milliarden Euro zurück. Zu den überteuerten Aufträgen gehörte neben den Petrobras-Raffinerien auch der umstrittene Bau des Stauwerks Belo Monte im Amazonasstaat Pará sowie der dritte Meiler des Atomkraftwerks Angra südlich von Rio de Janeiro.
Im Gegensatz zum ungewohnt konsequenten Umgang der Justiz mit den Managern kommt der Prozess gegen die Politiker nur schleppend voran. Der oberste Staatsanwalt hat in der vergangenen Woche erstmals Anklage gegen zwei amtierende Politiker erhoben – den Senator und ehemaligen Präsidenten Fernando Collor, der bereits 1992 wegen Korruptionsvorwürfen von seinem Präsidentenamt zurücktreten musste, sowie gegen Parlamentspräsident Eduardo Cunha.
Der evangelikale Rechtsaußen Cunha gehört zwar zur Koalitionspartei PMDB, hat sich aber offiziell auf die Seite der Opposition geschlagen. Einen Rücktritt schließt er aus. Die rechten Oppositionsparteien, die vehement einen Rücktritt von Präsidentin Rousseff fordern, halten ihm die Stange – obwohl er für das Zustandekommen von Geschäften mit Petrobras mehrere Millionen kassiert haben soll.
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