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Kommentar zur Pisa-StudieDanke, Drei, weitermachen

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Hurra, hurra, die Pisa-Studie ist da! Und Deutschland sieht gar nicht so schlecht aus. Die Mädchen-Problematik im Fach Mathematik aber bleibt.

Die Hauptstadt von Italien? Bild: dpa

D ie gerade erschienene Pisa-Studie verbreitetet einen Hauch von Vorweihnachtsfreude in den Stuben der deutschen Kultusminister: Deutschland hat in allen drei Disziplinen überdurchschnittlich abgeschnitten. Und liegt im Bereich der Mathematik, auf dem diesmal der Fokus der Pisa-Forschung lag, in einer Gruppe mit den gepriesenen Finnen. Es hat sich tatsächlich etwas bewegt in Deutschland in den letzten zwölf Jahren. Selbst die Ungerechtigkeiten im deutschen Bildungssystem sind nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor einem Jahrzehnt.

Schaut man auf mögliche Ursachen, fallen zwei große Veränderungen ins Auge: Alle Bundesländer haben in den letzten Jahren begonnen, ihre als Restschulen geschmähten Hauptschulen zu schließen. Das Aussortieren von zehnjährigen Schülern, die es angeblich mehr in den Händen als im Kopf haben, ist politisch nicht mehr opportun. Neben den Gymnasien haben alle Länder Schulen eröffnet, die Kindern eine Vielzahl von Abschlüssen ermöglichen und sie nicht mehr sechs Jahre lang auf einen für sie geeigneten Schulweg reduzieren.

Gleichzeitig hat sich überall der Anteil der Kinder, die Gymnasien besuchen, erhöht. Über manches Gymnasium in Bochum oder Berlin-Neukölln würde ein altgedienter Oberstudienrat heute die Nase rümpfen. Die Gymnasien sind die beliebteste weiterführende Schulform, sie sind im Wortsinn die neuen "Haupt"-schulen.

Pisa-Ergebnisse

Die 15-jährigen Schüler in Deutschland haben sich beim weltweiten Pisa-Schultest mit ihren Leistungen im oberen Mittelfeld behauptet. In Mathematik, Naturwissenschaften sowie im Lesen und Textverständnis erreichten sie Werte oberhalb des Durchschnitts der anderen Industrienationen. Auch die Zahl der leistungsschwachen Schüler ging in Deutschland leicht zurück.

Eindeutige Pisa-Sieger sind allerdings nach den am Dienstag veröffentlichen Ergebnissen erneut die Schüler aus den asiatischen Regionen Shanghai, Singapur, Hongkong und Taipeh. 15-Jährige aus diesen Ländern sind Gleichaltrigen aus Deutschland allein in Mathematik um zwei bis drei Schuljahre voraus. Aber auch die Schüler aus der Schweiz und den Niederlanden finden sich in der weltweiten Leistungstabelle unter den zehn Erstplatzierten. (dpa)

Das deutsche Schulsystem ist integrativer geworden. Und das hat den Leistungen der Schüler offenbar nicht nur nicht geschadet, sondern sie haben sich im Gegenteil verbessert. Allen Beteuerungen von konservativen Politikern und Lehrerverbänden zum Trotz, die glaubten, nur strenge Auslese sichere die nötige Qualität.

Es mehren sich die Stimmen, dass jetzt mal Schluss sein muss mit den Pisa-Tests. Auf keinen Fall! Die Pisa-Studien haben eine Menge Schwächen aufgedeckt und positive Reformen angestoßen. Schülern würde man sagen: Da musst Du jetzt dranbleiben.

Denn trotz der positiven Trends bleibt eine Menge zu tun in Deutschland. Wir sind Weltmeister im Sitzenbleiben, es gibt riesige Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen im Lesen und in Mathe. Diese Hausaufgaben bleiben den Bildungspolitikern auch nach den Weihnachtsferien. Schule, das zeigt die aktuelle Pisa-Studie, muss noch mehr Kinder noch besser fördern.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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8 Kommentare

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  • Abgesehen von allem, was gegen PISA und das ständige Testen gesagt werden kann - waren die Sonder (usw)-Schulen dabei? Wie sehr ist das alles vorbereitet worden? Dafür geht oft der "normale" Unterricht den bach runter, weil jede/r "gute" Test-Ergebnisse will - sicher ist das AUS für Hauptschulen sinnvoll - wenn etwas Besseres kommt - aber jetzt wird sich die Politik - wie schon von anderen betont - mit der Schuldenbremse 2017 befassen und die Lehrerstellen usw streichen, dass die Schwarte kracht. NRW 2014 - mindestens 2000 Lehrkräfte weg - Hessen minus 3000 geplant, BaWü str - der Osten, auch ohne Geld, wird seinen Vorsprung auch verspielen. Das steht uns bevor. Dann liegt es wieder an den Eltern. Denn die Mehrheit wählt nicht oder Mutti - denen ist bessere Bildung egal. Fazit: Ein Strohfeuer. Leider.

  • S
    Statistiker

    Pisa-Aufgabe, Teil a) Bei einem Test erreichen die Mädchen in Deutschland im Durchschnitt im Bereich Lesekompetenz 44 Punkte mehr als die Jungen. Im Bereich Mathematik erzielten die Jungen durchschnittlich 14 Punkte mehr als ihre Klassenkameradinnen. Unterstreichen Sie die größere Zahl. Interpretieren Sie das Ergebnis: Ist die Mädchenproblematik oder die Jungenproblematik das dringlichere gesellschaftliche Problem?

    Teil b) OECD-Mittel liegt der Abstand in Mathe zwischen den Geschlechtern bei 11 Punkten, im Lesen bei 38 Punkte. Um wieviel ist der Geschlechtsunterschied beim Lesen beziehungsweise beim Rechnen in Deutschland größer als im Mittel der Länder? Interpretieren Sie das Ergebnis: Gehen die größeren deutschen Unterschiede in den Leistungen nach Geschlecht mehr zu Gunsten der Jungen oder mehr zu Gunsten der Mädchen?

  • M
    martin

    "...es gibt riesige Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen im Lesen und in Mathe. "

    Auch ein einzelner Satz sollte eine Logik haben. Reihenfolge > Mädchen-Jungen erfordert eine wahrheitsgemäße sinnvolle Reihenfolge > Mathe-Lesen !

    Hätte ein Mann den Artikel geschrieben, stände in der Überschrift wohl

    *--Jungenproblem-Lesen---*

    Ist es so schwer, ausgewogen zu denken (und schreiben) ?

  • NN
    Nur ne Theorie

    Zur Mädchenproblematik in Mathe: Als jemand der das allgemeine Abi Mitte 2000 auf einem Kolleg in Bayern nachholte kann ich nur sagen, dass diese Matheproblematik bei erwachsenen Frauen nicht mehr vorhanden ist. Ganz im Gegenteil, die Mädels waren bei uns teils die Besten in Mathe. Scheinbar haben Mädchen noch andere Interessen, Denkmuster oder vielleicht hat es auch mit unserer Gesellschaft zu tun, wie ein Mädchen zu sein hat, für was es sich zu interessieren hat usw. Vielleicht ist es auch tatsächlich Veranlagung - keine Ahnung. Für Jungs gilt das umgekehrt wohl genauso. Ich, einen technischen Beruf gelernt und typischer Bub gewesen, fühlte mich auf einmal zu Sprachen, Sozialwissenschaften, Geschichte usw. hingezogen. Physik und Mathe waren mir ein Gräuel. Eventuell liegt es ja auch daran, dass Mädchen mit Mathe etwas typisch Männliches verbinden. Ich selbst bin noch in einer Familie groß geworden, wo kdiese klassischen Denkmuster die Erziehung und damit auch die Denkweise der Mädchen prägten. Aber klar, nur so ne Theorie.

  • M
    Medienbeobachter

    Deutschland, das reichste Land Europas und eines der reichsten Länder der Welt und dann nur besser als der Durchschnitt? Überall sollen zurzeit Lehrerstellen eingespart werden! Aushilfskräfte an den Schulen werden vor den Ferien entlassen und hierher wieder eingestellt, um Geld zu sparen. Schulklassen mit über 30 Schülern sind keine Seltenheit! Angesichts dessen, ist das Ergebnis sogar fantastisch gut!

    Kann es sich ein reiches Land wie Deutschland nicht leisten, so viele Lehrer einzustellen, dass maximal 25, besser noch 20 Schüler in einer Klasse unterrichtet werden? Gerade im Bildungsbereich werden miserable Zustände unter den Teppich gekehrt. Spätestens ab Klasse 5 merkt man, wo gespart wird! Momentan ist eher zu befürchten, dass es wieder berg ab geht.

  • G
    gast

    Was ist denn nun die in der Überschrift erwähnte Mädchen-Problematik?

    Die wird im Text gar nicht aufgegriffen.

    • G
      gast
      @gast:

      das die Jungs im Lesen schlechter dafür in Mathe ein wenig besser als die Mädchen sind.

       

      Ich meine, wollte man allen Kindern die gleichen Bildungschancen geben, müssen die Schwächen der Schüler durch gesonderte Hilfe bekommen.

       

      Wie es im Artikel heißt gibt es Kinder die handwerklich besser drauf sind, dann soll man ihnen eine Weiterbildung im Handwerklichen geben. Wo ist das Problem, lieber weniger Politiker die uns Geld kosten, dafür qualifizierte Lehrer ohne Beamtenstatus.

  • TS
    Thomas Schmidt

    So kann Mensch es auch sehen. Fackt ist, dass seit Jahren auf verbesserte Ergebnisse für die Testverfahren hin gearbeitet wird und nicht dafür, was nutzen Lerninhalte den SchülerInnen für ihre berufliche Laufbahn und damit für ihre Lebensplanung. Auch ist das Schulsysthem nicht integrativer geworden. Ja die Leistungen der Teilnehmende haben sich verbessert. Das ist aber in erster Linie den Individuen geschuldet und nicht den Schulsysthemen. Auch die viel zitierten Investitionen in Bildung sind eigentlich nur bei der Bauindustrie, den Ausstattern von umbautem Raum und bei Bildungseinrichtungen gelandet. Also da, wo ein Mehrwert durch Beiträge für die Sozialversicherung stattfindet. Auch wird sich in den kommenden vier jahren nichts ändern. Höre ich zur Zeit Interviews von PolitikerInnen, höre ich eigentlich nur 2017. Die nächsten vier Jahre sind schon als Stillstand in die Geschcihte eingegangen bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Danke ihr Untertanen.