Kommentar zu Datenbank: Polizeilicher Größenwahn

Die Polizeigewerkschaft wünscht sich eine Datei für auffällig gewordene Bürger. Die Reaktion auf das Attentat in Oslo führt offenbar zu totalitären Gedanken.

Was für eine Idee! Die Gewerkschaft der Polizei fordert allen Ernstes, nach dem Anschlag von Norwegen solle eine Datei "auffällig gewordener Personen" eingerichtet werden. Internetnutzer sollen Menschen mit "kruden Gedanken" bei der Polizei melden, dort könne man sie "registrieren und identifizieren".

So denkt der moderne Polizist: Alle in eine Datei, zu irgendwas wird das schon gut sein. In Deutschland leben aber schätzungsweise zwanzig Millionen auffällige Menschen. Die einen haben ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild, die anderen hängen nur seltsamen Verschwörungstheorien an. Viele glauben inbrünstig, man müsse die Welt vor dem Bösen retten, den Muslimen, den Juden, dem Imperialismus. Manche sagen so etwas offen; bei anderen ist gut vorstellbar, dass sie es denken.

Alle in eine Datei! Und dann? Müssen sie einmal im Jahr zum Polizeipsychologen? Oder wird das Telefon abgehört, der Computer ausgespäht und regelmäßig die Wohnung durchsucht, damit man bloß nichts verpasst? Millionen Polizisten beargwöhnen Millionen auffällige Menschen.

Der Vorschlag ist zumindest lehrreich. Er zeigt, zu welch totalitären Gedanken es führt, wenn man versuchen will, langfristig geplante, mit hoher krimineller Energie vorbereitete Verbrechen schon im Ansatz zu verhindern. Hier sollten Sicherheitsbehörden und Kriminalpolitiker einfach ehrlich sagen: "Das können wir nicht".

Auch die Vorratsdatenspeicherung, die gestern quasi routinemäßig gefordert wurde, bringt gegen Einzeltäter ohne Komplizen naturgemäß wenig bis nichts. Es gibt aber einen Trost: Die wenigsten "auffälligen" Menschen sind so verbohrt, dass sie sich jahrelang akribisch auf ein Verbrechen vorbereiten. Die meisten Fanatiker haben keine Geduld, wollen gleich zuschlagen. Sie machen Fehler, die eine gut ausgebildete Polizei erkennt. Darauf sollten sich die Sicherheitsbehörden konzentrieren. Alles andere ist gefährlicher Größenwahn.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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