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Kommentar schwule US-PfadfinderEin inkonsequenter Schritt

Rieke Havertz
Kommentar von Rieke Havertz

Schwule Jungen müssen sich bei den US-Pfadfindern nicht mehr länger verstellen. Zumindest bis sie 21 sind. Dann geht die Diskriminierung weiter.

Die Boy Scouts haben ihre Statuten verändert – ein bisschen. Bild: ap

W as 103 Jahre lang gut lief, lässt sich nicht einfach umkehren. Man muss das verstehen. 103 Jahre lang haben sich die Boy Scouts of America (BSA) keine Fragen nach Sexualität gestellt, weil es nichts zu beantworten gab. In der amerikanischen Traditionsorganisation ist man Vorbild und Tugendhüter. Und zu hüten gilt es ein Weltbild, das nur Heterosexualität kennt.

Vor 100 Jahren noch ganz auf der Linie der Gesellschaft hat sich diese jedoch lange gewandelt. Offen schwule und lesbische Partnerschaften sind eine Realität, eine Mehrheit der Amerikaner spricht sich für eine Legalisierung der Homo-Ehe aus und 2011 wurde in einer historischen Entscheidung der Schwulen-Bann im Militär abgeschafft.

Daher ist es nur folgerichtig, dass die nationalen Delegierten der BSA ihre Aufnahmekriterien überdacht und schließlich mit über 60 Prozent der Stimmen verändert haben. Doch die Organisation hat dies nicht aus sich selbst heraus geschafft. Öffentlicher Druck wurde nötig, um das Thema auf die Agenda zu setzen.

Rieke Havertz

ist Chefin vom Dienst bei taz.de

Es waren Mütter wie Jeniffer Tyrrell, die für ihre Gleichberechtigung gekämpft hat. Sie wurde aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von ihrer freiwilligen Arbeit bei den BSA ausgeschlossen. Durch ihre und andere Stimmen wurde im ganzen Land die Debatte angestoßen, ob 2,7 Millionen Pfadfinder-Mitglieder weiterhin innerhalb eines reaktionären Weltbildes zu Stützen der Gesellschaft erzogen werden sollen.

Regelungen für erwachsene Mitglieder

Doch es sind auch Mütter wie Jeniffer Tyrrell, die nicht von der Entscheidung der BSA profitieren. Schwule Jugendliche dürfen ihr Dreieckstuch nun ohne Scham und ohne Versteckspiel tragen. Die Regelungen für erwachsene Mitglieder bleiben jedoch unangetastet. Das ist nicht nur eine inkonsequente sondern auch eine absurde Entscheidung.

Wie soll ein Jugendlicher offen zu seiner Sexualität stehen, wenn er innerhalb einer für ihn wichtigen Organisation keinerlei Vorbilder, Ansprechpartner oder Ratgeber hat? Alle Jugendlichen brauchen Orientierung, die sie oft nicht zu Hause oder in der Schule, sondern in Vereinen, in ihrer Freizeit, in ihrer Wohlfühlzone suchen. Bei den BSA wird das in dieser Form nicht möglich sein. Darüber hinaus wird sich kein schwuler Boy Scout weiterhin engagieren können, sobald er 21 ist.

Die Boy Scouts haben sich für eine Veränderung ihrer Statuten für junge Mitglieder ausgesprochen, doch im Kern diskriminieren sie weiter. All jene, die die Werte an die Jugendlichen vermitteln, müssen weiter einem antiquierten Weltbild entsprechen.

Angst vor dem Verlust von kirchlichen Sponsoren und Mitgliedern sollte die Verantwortlichen hier nicht treiben. Diese werden sie durch ihre Entscheidung für Gleichberechtigung bei den Jugendlichen so oder so verlieren. Daher muss der nächste Schritt für die Boy Scouts sein, aus einer guten, jedoch inkonsequenten Entscheidung eine flächendeckende zu machen –für alle Mitglieder der Organisation.

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Rieke Havertz
Leiterin taz.de
Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.
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