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Kommentar britische SicherheitsbehördenÜbergriffiger Schnüffelstaat

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

In der Vernehmung des Lebenspartners von NSA-Enthüllungsjournalist Greenwald zeigt London seine hässliche Seite. Ein skandalöses Vorgehen.

Endlich in Rio angekommen: Glenn Greenwald (l.) umarmt Ehemann David Miranda. Bild: reuters

U nter Berufung auf einen Passus der britischen Antiterrorgesetzgebung aus dem Jahr 2000 ist der Lebenspartner des Journalisten Glenn Greenwald neun Stunden lang am Londoner Flughafen Heathrow festgehalten und verhört worden. Als David Miranda, der von Berlin aus auf dem Rückweg in seine Heimatstadt Rio de Janeiro war, freigelassen wurde, behielten die Behörden alle seine elektronischen Geräte, vom Laptop über USB-Sticks bis zum Handy.

Es kann gar keine andere Interpretation dieses Vorgangs geben: Mit dem völlig überzogenen Vorgehen sollte der Lebenspartner jenes Journalisten getroffen werden, der die ersten von NSA-Whistleblower Edward Snowden geleakten Dokumente aufgearbeitet und veröffentlicht hat und mit Snowden weiterhin in Kontakt steht.

Das bedeutet: Entweder betrachtet die britische Regierung inzwischen Journalismus als terroristische Bedrohung. Oder aber es handelt sich um den bislang eklatantesten und offensichtlichsten bekannt gewordenen Fall von politisch motiviertem Missbrauch der Antiterrorgesetze. Beides wäre ein Skandal, der so nicht hingenommen werden kann.

Das einzig Gute: Der Vorgang verschafft Klarheit. Wie oft ist in den Debatten der letzten Wochen über die Gefahren, die vom flächendeckenden Ausspähen von Daten durch Geheimdienste ausgehen, der Satz gefallen, man müsse eben zwischen Sicherheitsbedürfnis und Freiheitsrechten abwägen. Und wie oft ist das Grundgefühl geäußert worden, das sei alles letztlich nicht so schlimm, solange die Schnüffler mit den Daten kein Schindluder trieben. Vorbei.

Der übergriffige Staat zeigt in London seine hässlichste Seite. Wer sich jetzt noch einreden lässt, alles Überwachen diene nur der – unstrittig erwünschten – Bekämpfung von Terroristen, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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16 Kommentare

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  • A
    Akrat

    Das ist nicht das erste mal, dass in Heathrow Leute inbezugnahme mit diesem Antiterrorgesetz festgehalten wurden.

    Die Einheiten haben in diesem Fall scheinbar ja ziemlich "nett" gehandelt.

    Mitte August des letzten Jahres (also 2012) wurden 2 Anarchisten die am Internationalen anarchistischen Treffen vom 8.-12. August in St.Imier (CH) teilgenommen hatten in Heathrow "für nahezu zwei Stunden am Londoner Flughafen

    Heathrow vom SO15 (Terrorismusbekämpfung) in

    Gewahrsam genommen. Während der Ingewahrsamnahme

    wurde den Anarchist*innen gesagt, dass ihre

    normalen Rechte keine Gültigkeit hätten. Ihre Namen,

    Adressen, E-Mail-Adressen, DNA und Fingerabdrücke

    wurden aufgenommen. Die in Gewahrsam genommenen Anarchist*innen wurden auch gezwungen,

    Verzichtserklärungen zu unterschreiben – legal oder

    nicht legal – in Bezug auf ihr Recht zu schweigen und

    ihr Recht auf einen Rechtsbeistand. Die Polizei führte

    auch eine gründliche Durchsuchung des persönlichen

    Besitzes durch, fotokopierte Literatur und Ausweise

    und entnahm Informationen von Telefonen und Kameras"

    GAI DAO Nr.21 (S.16)

    zu finden auf der Seite:

    http://www.anarchismus.at/blog-beitraege-2012/blog-september-2012

    (mensch muss etwas runterscrollen, dann kann mensch die GAI DAO runterladen und anschauen)

  • IG
    Ingo Ganz

    In den USA gab es in den 60ern das sog. Miranda-Urteil, nach dem die Polizei einem Verhafteten seine Rechte vorlesen muß. Dazu gehören vor allem das Recht zu schweigen und das Recht auf einen Anwalt. Dass die Briten ein Gesetz, das dem diametral entgegensteht, auf eine Person gleichen Namens anwendet, birgt eine bittere Ironie.

  • H
    Hans

    Es geht ja noch viel weiter:

    http://www.theguardian.com/commentisfree/2013/aug/19/david-miranda-schedule7-danger-reporters

    Der britische Rechtsstaat ist damit offiziell am Ende.

  • PH
    Peter Haller

    Mich würde mal interessieren, wie weit der hiesige Schnüffelstaat schon die hiesige Presse kontrolliert ? Es ist schon merkwürdig, wie die NSA-Affäre und alles was damit zu tun hat von der Presse runtergefahren wird. Die BLÖD-Zeitung will uns sogar die Ausspäherei wieder schmackhaft machen, indem sie uns erklärt, wie die NSA uns mal wieder vor dem Terror (diesmal auf der Bahn, oder so) gerettet hat. Und der deutsche Michel dreht sich noch mal um und schläft beruhigt weiter !! Wer schützt uns vor DIESEM TERROR ?

  • DP
    der prophet

    ?:

     

    lebenspartner - enthüllungsjournalist

  • G
    Gast

    Noch hat sich niemand getraut, das böse, aber zutreffende Wort von der "Sippenhaft" zu gebrauchen.

     

    Und doch: der Anti-Terror-Staat trägt immer mehr totalitäre Züge. Es genügt, Kritik an ihm zu üben, um sich dadurch selbst zum Terroristen zu machen. Es genügt, als Terrorist bezeichnet zu werden, um aller Menschenrechte verlustig zu gehen.

     

    Künftige Generationen werden einmal ein Ereignis, ein Datum benennen, an dem der demokratisch-freiheitliche Rechtsstaat sich im Namen des Totalen Kriegs gegen den Terror selbst abgeschafft hatte. Ich bin sicher, dieses Datum wird, von heute aus gesehen, nicht in der Zukunft liegen.

  • Bedenklich auch die Einschätzung in dem Fall - jeder halbwegs intelligente Mensch hätte wissen müssen dass dieser Schuss nur nach hinten los gehen konnte. Das spricht Bände was die Kompetenz der Entscheidungsträger angeht. Wen solche Typen uns vor Halunken beschützen sollen dann Gut Nacht!!

    • H
      Hans
      @Christophe THOMAS:

      Wenn die Planung nicht eine andere ist:

      http://blog.fefe.de/?ts=acec44d3

      Diskreditierung durch Outing und setzen auf homophobe Abwehrreaktion der eher konservativen Bürger in US und UK.

  • RW
    Rainer Winters

    So sehr man die Briten mögen muss für Ihre Höflichkeit, hier sind sie zu weit gegangen.

     

    Wieder ein Straftatbestand der Offiziellen Beteiligten.

     

    Welche Behördenvertreter haben das zu verantworten? Namen notieren und merken.

     

    Liste erstellen.

     

    ***

     

    Liste ist nun erstellt: https://www.dropbox.com/home/NSA

     

    Wer mit Daten sammeln will, bitte Kontakt über mein taz-Profil. Ich verschicke dann Einladungen.

     

    Die Datei ist in der Dropbox hinterlegt. Jeder kann sie aktualisieren. Abspeichern nicht vergessen.

  • RW
    Rainer Winters

    So sehr man die Briten mögen muss für Ihre Höflichkeit, hier sind sie zu weit gegangen.

     

    Wieder ein Straftatbestand der Offiziellen Beteiligten.

     

    Welche Behördenvertreter haben das zu verantworten?

     

    Namen notieren und merken.

     

    Liste erstellen.

  • Manöverübungen im postdemokratischen #Neuland

     

    ......................

     

     

    Die Botschaft des Imperiums heißt : "Whistleblower = Terroristen !" Diese Einschüchterung ist ein Teil der autoritären RollBackStrategie, die wir zur Zeit ungläubig staunend erleben.

    "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, dann tut euch keiner was," erfahren die Konsumbürger und fühlen sich behütet.

     

    Welche Gruppe aber jeweils von den verfassungschützenden Behörden als terroristisch oder sonstwie "staatsfeindlich" definiert wird, bestimmen die nichtgewählten Bewahrer der Staatssicherheit.

    Heute ist es eben mal die von der ZEIT als "Connection" markierte Enthüllergilde um Snowden, die man im aktuellen #Neulandmanöver um den Erdball jagt.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Es ist ein bischen scheinheilig. Ganz sicher arbeiten eine ganze Reihe von Journalisten, die an Snowden dran sind und auch beobachten was Greenwald tut, fuer Geheimdienste. (in der Journalistenschule muss "fuer Geheimdienste" nach "Journalisten" kommen - ist eindeutiger, schneller, unkomplizierter,... geheimdienstfaehiger...). Das laeuft und passiert einfach auch. Auch Tipps usw kommen von dort, vielleicht steckte hier auch so ein Tipp dahinter. Es laeuft so.

     

    Genauso kann Profilierungssucht dahinter stecken.

     

    Widerlich ist beides.

     

    Allerdings war s ne kostenlose Werbung fuer russische Airports. Die englischen heissen seit heut Spyport.

  • Wenn von Terror die Rede war, waren von Anfang an wir gemeint. Von Anfang an ging es um den verdächtigen Bürger, der flächendeckend überwacht werden muss. Und wer sich nicht überwachen lassen will, ist der Feind. Denn das war ja auch Snowdens starkes Argument, er wolle diese totale Überwachungsgesellschaft nicht. Darum ist Snowden der Feind Nummer eins und wir anderen sind der verdammte übrige Rest der Feinde, um die es nun geht. Und was hat das mit dem Terrorismus zu tun? Na wir sind die Terroristen, über uns werden ja die Daten angelegt, um sie bei passender Gelegenheit gegen uns verwenden zu können. Wer überwacht, will Verhaltenskontrolle ausüben. Das ist doch der Sinn des Überwachungsstaats. Kennt irgend jemand einen andern Sinn?^^

    Die Briten bauen den Orwell-Staat und behaupten dabei, sie wollen den Orwell-Staat aber ohne ihn zu wollen, also einen Orwell-Staat in dem das Böse draußen bleibt, das er in all seiner kranken Paranoia halt so mit sich bringt. Orwell hätte sich bestimmt krank gelacht, über Leute, die sogar wirklich daran glauben. "Neusprech" nannte er die Dünnschiss-Sprache, die so eine Blödheit möglich macht.