Kommentar Proteste gegen Braunkohle: Um Vattenfall wird es einsam
Seit der Entscheidung, sich aus der Lausitz zurückzuziehen, hat der Energiekonzern kaum noch Freunde. Das zeigt sich auch bei den Protesten an Pfingsten.
D ass die AktivistInnen von „Ende Gelände!“ Vattenfall nicht mögen, war keine Überraschung. Mit seinen Braunkohle-Tagebauen und -Kraftwerken gehört der Energiekonzern schließlich zu den größten Klimasündern in Deutschland. Doch das Pfingstwochenende zeigte, dass das Unternehmen auch in der Politik kaum noch Freunde hat.
Anders ist das Verhalten der Brandenburger Polizei kaum zu erklären. Mit wenigen Ausnahmen – etwa nachdem ein Zaun niedergerissen wurde und einige hundert AktivistInnen aufs innerste Gelände des Kraftwerks Schwarze Pumpe vordrangen – zeigten die Beamten eine wirklich bemerkenswerte Zurückhaltung.
Die Polizei ließ die Kohle-Gegner völlig ungehindert in den Tagebau und auf die Gleise vordringen. Sie unternahm lange Zeit nichts, um die Besetzungen zu beenden – selbst als das ohnehin schon stark gedrosselte Kraftwerk kurz vor der Abschaltung stand, weil die Kohle knapp wurde. Und sie ließ die allermeisten AktivistInnen gehen, ohne auch nur ihre Personalien aufzunehmen. Denn die Staatsanwaltschaft hatte schon im Vorfeld erklärt, sie halte die Besetzungen überhaupt nicht für strafbar.
Diese Zurückhaltung liegt vermutlich nicht nur daran, dass das Land Brandenburg Bilder wie im letzten Jahr im Tagebau Garzweiler vermeiden wollte. Damals hatten RWE-Werkschutz und Polizei gemeinsam Aktivisten durch den Tagebau gejagt. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass auch die Politik von Vattenfall schwer enttäuscht ist. Denn der Konzern, der in vielen Orten der wichtigste Steuerzahler ist, hatte zuletzt Gewerbesteuer in Millionenhöhe zurückgefordert.
Besonders unbeliebt hat sich der Vattenfall-Konzern, der sich in der Lausitz noch an vielen Brücken als „Partner der Region“ bezeichnet, aber mit dem angekündigten Verkauf der Braunkohle-Sparte gemacht. Dass die neuen Eigentümer – der tschechische Energiekonzern EPH und der Finanzinvestor PPF – bestehende Zusagen zu Arbeitsplätzen, Entschädigungen und Renaturierung der Tagebaue wirklich einhalten, bezweifeln viele.
Dass der von Vattenfall geplante Verkauf der Braunkohle-Sparte ein Fehler ist, sehen auch die Anti-Kohle-AktivistInnen so. Und sie haben recht: Im Interesse von Klima und Region sollte Vattenfall zu seiner Verantwortung stehen und die Braunkohle-Sparte selbst abwickeln. Das könnte der schwedische Staatskonzern, der seine Zukunft vor allem in den erneuerbaren Energie sieht, durchaus sozialverträglich machen, indem er die bisherigen Mitarbeiter der Kohle-Sparte in die neuen Geschäftsfelder übernimmt. Der reine Kohlekonzern EPH bietet hingegen weder für die Mitarbeiter noch fürs Klima eine gute Perspektive.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen