Kommentar NSA und Lavabit: Mutige Kapitulation

Verschlüsselte E-Mail-Dienste nehmen ihr Angebot vom Markt. Was auf den ersten Blick wie Resignation wirkt, ist eine starke politische Aktion.

Kurze Mitteilungen können bemerkenswerte Dokumente der Zivilcourage sein Bild: photcase / mys

Am Ende war der Druck zu groß. Mit einer bitteren Nachricht verkündet Lavabit das sofortige Ende des Angebots seines verschlüsselten Email-Service. Nur wenige Stunden darauf macht auch der Anbieter Silent Circle dicht.

Was auf den ersten Blick wie Resignation anmutet, ist in Wirklichkeit ein mutiger Schritt, der Hoffnung macht. Hoffnung, dass zumindest einige treibende Kräfte der fortdauernden technologischen Revolution sich der politischen Dimension ihres Handelns bewusst sind.

Während die großen Internetkonzerne wie Google, Yahoo und Facebook im Interesse der möglichst störungsfreien Generierung von Profiten sich der Kontrolle von Geheimdiensten und Polizeibehörden unterwerfen, zeigt der Unternehmer Ladar Levison Haltung. Seine kurze Mitteilung, die aus juristischen Gründen nicht mehr als Andeutungen über den genauen Grund seiner Entscheidung geben kann, ist in all seinem Pathos („Verbrechen gegen das amerikanische Volk“) ein bemerkenswertes Dokument der Zivilcourage.

Wir Nutzerinnen können vom begründeten Rückzug Lavabits und des Maildienstes von Silent Circle zweierlei lernen: Erstens wird uns die Illusion genommen, dass es irgendeine Form elektronischer Kommunikation geben könne, die dauerhaft vor fremden Zugriff sicher wäre. Zweitens findet das Paradox, dass maximale Sicherheit nur über Transparenz erreichbar ist, eine kraftvolle Bestätigung.

Datenschutz erfordert Beweglichkeit

Wer geschützt kommunizieren will, muss die Mechanismen des Schutzes offen legen. Nur so werden Brüche der Vertraulichkeit schnell öffentlich. Und nur so können die Angebote weiter entwickelt werden. Lavabit und Silent Circle zeigen mit ihrem drastischen Handeln den Nutzerinnen die Schwachstellen der bisher verwendeten Mechanismen auf. Auf diese Weise stellen sie sich und uns der Herausforderung, einen Schritt weiter zu gehen, besser zu werden.

Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen ist nicht bequem. Sichere Kommunikation ist aufwendig und fordert Beweglichkeit. Vertrauen in ein Gerät, einen Anbieter und eine Software macht die Nutzerin zur Kundin. Will sie die Hoheit über ihre eigenen Daten erlangen, muss sie das eigene Nutzungsverhalten ständig in Frage stellen und verwendete Technologien permanent überprüfen. Sie muss informiert bleiben.

All das macht Arbeit, verlangt die Überwindung der eigenen Bequemlichkeit. Aber welche Entschuldigung, das nicht zu tun, haben wir noch, wenn sogar ein Unternehmer bereit ist, sein Geschäftsmodell aufzugeben, um sein Ideal zu schützen?

Insofern ist die Kapitulation zweier E-Mail-Anbieter vor dem übermächtigen Überwachungsstaat kein Untergang, sondern eine Aufforderung. Eine Aufforderung in Bewegung zu bleiben, Technologie und Politik besser zu verstehen und unsere Kommunikationskanäle nicht einfach großen Konzernen und der zwangsläufig folgenden totalen Überwachung zu überlassen.

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Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Public key: https://pgp.mit.edu/pks/lookup?op=vindex&search=0xC1FF0214F07A5DF4

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