Kommentar Kritik an COP21-Zielen: Kurzsichtige Klima-Nörgler
Von linken Aktivisten kommt die schärfste Ablehnung des Paris-Abkommens. Damit helfen sie den Klimakillern und verkennen die große Chance.
Z wei Wochen nach seiner Verabschiedung wird der Jubel über das Paris-Abkommen leiser, die kritischen Stimmen dringen lauter durch. Neben den traditionellen Klimaschutz-Bremsern aus fossiler Wirtschaft, marktradikaler Ökonomie und konservativer Publizistik drängen dabei vor allem jene nach vorn, die weitaus tiefer greifende Maßnahmen zum Schutz vor dem Klimawandel verlangen.
Ob vom Solarenergieverband Eurosolar oder der Kleinbauernvereinigung Via Campesina, ob von Attac oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht: Die Argumente sind ähnlich. Das Abkommen als Ganzes wird als „unverbindlich“, „freiwillig“ oder „zahnlos“, bezeichnet, die Klima-Ziele als „unkonkret“ oder „gefährlich“, die Finanzzusagen der Industriestaaten als „unzureichend“ oder „verlogen“.
Die Intentionen der Kritiker mögen gut sein, ihre Argumente sind es nicht. Natürlich ist das Abkommen nicht vollkommen. Doch von dem, was im Rahmen der Vereinten Nationen möglich ist, wurde extrem viel erreicht. 195 Staaten haben sich gemeinsam dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, und dieses gemeinsame Ziel ist verbindlich. An ihm muss sich die Politik jedes einzelnen Landes künftig messen lassen. Und das 1,5-Grad-Ziel wird immerhin angestrebt.
Es ist ein naheliegender Wunsch, dass auch die nationalen Ziele gemeinsam festgelegt und Verstöße sanktioniert werden müssten. Doch weil kein souveräner Staat zur Beteiligung an einem solchen System gezwungen werden kann, ist es auf globaler Ebene illusionär. Zudem ist keineswegs sicher, ob es wirklich effektiver wäre. Aus der Pädagogik ist schließlich bekannt, dass Anreize, Bestätigung und Belohnungen eher zum gewünschten Ergebnis führen als ein hartes Strafregime.
Kein teures Opfer für Reiche mehr
Zudem verkennen die Kritiker, dass die entscheidende Wirkung von Paris nicht von den exakten Formulierungen des Abkommens ausgeht –die verstehen ohnehin nur wenige. Viel wichtiger ist der Geist, der sich vom Pariser Gipfel ausbreitet. Und der ist eindeutig: Fossile Energieträger müssen so schnell wie möglich der Vergangenheit angehören, die Zukunft gehört den Erneuerbaren. Anders als früher ist deren Ausbau kein teures Opfer für Reiche mehr. Wind und Solar sind in weiten Teilen der Welt inzwischen wettbewerbsfähig und beim Neubau die billigste Energieform: An dieser Botschaft kam in Paris niemand vorbei.
Nicht nur die Finanzmärkte, die weltweit Gelder aus dreckigen Energien abziehen, haben das erkannt. Auch die Kohlelobby selber fürchtet die psychologische Wirkung des Paris-Protokolls. „Fossile Rohstoffe werden von den UN als Feind Nummer eins dargestellt“, warnte deren oberster EU-Lobbyist in einer Bewertung des Ergebnisses. „Wir werden geschmäht und gehasst werden.“
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Eigentlich sollte ein Abkommen, das den Konzernen so viel Angst macht, deren schärfste Gegner mit Freude erfüllen. Doch die radikalen Klimaschützer haben noch nicht erkannt, welche Chancen dieses Abkommen für ihre Forderungen bietet: Jede Regierung, die in Paris eindringliche Appelle formuliert hat, aber ihre Klimaziele danach nicht verschärft, kann ab sofort als Heuchler an den Pranger gestellt werden. Und alle AktivistInnen, die mit Blockaden wie bei „Ende Gelände“ für einen schnellen Ausstieg aus der Kohlenutzung kämpfen, können sich künftig auf die einstimmige Entscheidung der Weltgemeinschaft berufen.
Das sind mächtige Instrumente im öffentlichen Diskurs. Statt die Diskrepanz zwischen den in Paris formulierten Worten und den bislang fehlenden Taten nur zu kritisieren, könnte die Klima-Bewegung mithelfen, sie zu verringern. Die Nörgelei über das Abkommen bringt dem Klima hingegen nichts. Sie schwächt vielmehr die Botschaft von Paris und nützt damit jenen, die am Klimaschutz keinerlei Interesse haben.
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