piwik no script img

Kommentar Gysi und StasiIm Zweifel für den Angeklagten

Kommentar von Richard Schröder

Auch wenn es anders scheint: Über Gregor Gysi werden nicht die Medien, sondern wird die Staatsanwaltschaft entscheiden.

Immer wieder vor Wahlen: Neue Stasi-Vorwürfe gegen Gysi. Bild: reuters

D ie Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gregor Gysi aufgrund einer Anzeige wegen des Verdachts eidesstattlicher Falschaussage. Sie hat die Dokumente, welche ihren Ermittlungen zugrunde liegen, nicht veröffentlicht. Wir wissen nur, dass Gysi bis Ende März Gelegenheit hat, zu den entsprechenden Unterlagen Stellung zu nehmen. Erst danach wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Ermittlungen eingestellt werden oder ob es zur Anklageerhebung kommt.

So lange können unsere Medien natürlich nicht warten, und so versuchen viele schon heute zu sagen oder zu mutmaßen, was die Staatsanwaltschaft selbst heute noch gar nicht weiß. Das kann monatelang so weitergehen und ist – Wahlhilfe für die Linkspartei im Osten.

Gysi hat gesagt, er habe nie wissentlich und willentlich über Mandanten oder sonst wen der Stasi berichtet. Die Welt hatte vor einiger Zeit ein Stasidokument bekannt gemacht, aus dem hervorgeht, dass Gysi nach einem Interview, das er Anfang 1989 dem Spiegel gegeben hat, mit Stasioffizieren über jene Spiegel-Redakteure gesprochen hat. Das sollte angeblich schon genügen, um Gysi der Falschaussage zu beschuldigen.

Bild: dpa
Richard Schröder

ist Mitbegründer der Sozialdemokratie in der DDR, Philosoph und Theologe.

Es geht hier um Strafrechtliches. Da müssen die Beweise wasserdicht sein – und nicht wortklauberisch. Kein deutsches Gericht würde Gysi wegen eidesstattlicher Falschaussage verurteilen, wenn er einem Stasioffizier gesagt hätte: Honecker hat graue Haare, obwohl er ja dann über „sonst jemanden“ berichtet hätte.

Ein Gericht würde Gysis eidesstattliche Erklärung aus ihrem damaligen Zusammenhang interpretieren, und das war der Vorwurf, er sei Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen. Also wollte Gysi dagegen sagen, dass er nie Mandantenverrat oder Vertrauensbruch begangen hat. Nur wenn ihm eines von beidem nachgewiesen wird, kann er der eidesstattlichen Falschaussage bezichtigt werden.

Wenn ein anderes Dokument sehr nahelegt, dass die Stasi unter „IM Notar“ keine Sammelmappe angelegt, sondern Unterlagen zu einer bestimmten Person gesammelt hat, ist auch das noch kein Beweis für eine eidesstaatliche Falschaussage. Denn die Aussage über die Sammelmappe konnte ja nie etwas anderes sein als Gysis Vermutung über die Arbeitsweise der Staatssicherheit. Jenes Dokument beweist ja noch nicht einmal, dass Gysi wissentlich und willentlich Stasimitarbeiter war.

Gregor Gysi war Anwalt in einem Unrechtsstaat, und zwar einer der wenigen, die Dissidenten und Oppositionelle vor Gericht vertreten haben – damals zumeist zu ihrer Zufriedenheit. Er war überzeugtes SED-Mitglied und gehörte als Sohn eines hohen SED-Funktionärs zur Nomenklatura. Er hat den Sozialismus und die DDR nicht abschaffen, sondern verbessern wollen und übrigens auch Vorschläge für mehr Rechtsstaatlichkeit gemacht, namentlich hinsichtlich des Verwaltungsrechts. Berührungsangst gegenüber der Stasi war ihm mit Sicherheit fremd, Servilität gegenüber der Stasi aber wohl auch.

Wenn Dissidenten und Oppositionelle ihn in der DDR zum Anwalt genommen haben, dann doch weil und nicht obwohl er so vernetzt war und weil sie sein Geschick schätzten. Die entscheidende Frage ist doch die, ob er als Anwalt im Interesse und im Sinne seiner Mandanten gehandelt hat, gemessen und beurteilt nach den damaligen Verhältnissen und nicht nach heutigen rechtsstaatlichen Maßstäben.

Allerdings ist nicht jeder seiner damaligen Mandanten für diese Frage heute ein verlässlicher Zeuge. Manche betreiben gelegentlich kreative Geschichtsdeutung zu seinen Lasten.

Nicht jedes Stasidokument zu Gregor Gysi, das jetzt ans Tageslicht kommt, gibt zu jener zentralen Frage etwas her. Da laufend zerrissene Akten rekonstruiert werden, kann auch niemand genau sagen, was wir noch dokumentiert bekommen werden – außer Gregor Gysi selbst. Da er wenig erzählt, aber viel klagt und in diesem Felde jede Selbstkritik vermeidet, ist er nicht ganz unschuldig an der Dunstwolke von Mutmaßungen und Bezichtigungen, die ihn umgibt.

Ich persönlich warte mit meiner Einschätzung ab, bis die Staatsanwaltschaft gesprochen hat. Sie weiß möglicherweise mehr als ich und kann zweifellos gründlicher ermitteln und gewichten als so mancher Möchtegern-Richter in Redaktionsstuben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

29 Kommentare

 / 
  • W
    wauz

    Behauptung und Beweis

     

    Im Falle der Doktores von und zu Guttenberg und Schavan haben unabhängige Stellen öffentlich nachprüfbare Beweise vorgelegt. Anhand dieser Beweise kann man sich tatsächlich ein Urteil bilden. Als Journalist und als Leser.

    Im falle des edlen Herrn Wulff haben Journalisten Fakten zusmmengetragen, sogar per Klage Einsicht in amtliche Akten erzwungen. Auch aus diesen Dingen kann man sich ein Urteil erlauben.

    Im Falle Herrn Gysis liegt nichts vor, außer einer vagen Behauptung eines Staatsanwalts.Was soll ich dazu sagen? Was sollen Journalisten aus diesen Behauptungen an Schlüssen ziehen?

  • RB
    Rainer B.

    Mag sein, dass sich die Vorwürfe gegen Gysi am Ende als Wahlkampfhilfe für die Linke im Osten darstellen. Im Westen wird damit nur die jahrzehntelange irrationale aber effektive Linken-Hatz nach wohlbekanntem Muster fortgesetzt.

     

    Gysi hat bislang alle Stasi-Vorwürfe gerichtlich klären lassen - und immer gewonnen.

    Und das vor ganz gewöhnlichen deutschen Gerichten, bei denen nicht Linkslastigkeit, sondern Blindheit auf dem rechten Auge quasi zur Einstellungs-voraussetzung gehört - oder kennen Sie etwa einen Linken, der ein Richteramt bekleidet?

     

    An staatlich subventionierten rechtsradikalen Mörderbanden sind unsere Staatsanwaltschaften nicht annähernd so interessiert. Solche Vorgänge werden liegengelassen und dann weggeschreddert.

     

    Die gleichen Leute, die der Linken verfassungsfeindliche Ziele unterstellen, beschweren sich nun, dass der Gysi immer klagt. Nach unserer Verfassung sind nun mal die Gerichte und nicht die Medien für die Rechtssprechung zuständig.

     

    By the way:

    Verfassungsbruch wurde nicht etwa der Linken, sondern der derzeitigen Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach bescheinigt.

  • A
    @andreas

    Und wenn Sie sich mal schlau machen, wie diese Zeile "Die Partei, die Partei..." entstanden ist? Sie würden staunen.

  • U
    Ute

    Man muiss davon ausgehen, dass gegen Gysi so gut wie nichts vorliegt,

    denn wenn, dann hätte man dies schon zig mal ausgegraben.

     

    Andererseits frage ich mich, warum man glaubt, die Linke würde hauptsächlich wegen Gysi Stimmen sammeln.

  • A
    andreas

    @von wetterleuchten :

    "Dann gibt es da wohl auch noch die psychisch Kranken.."

     

    So kannte ich die DDR und Einige scheinen das immer noch sehr verinnerlicht zu haben.

    Was für eine ekelerregender Duktus den die DDR da hervorgebracht hatte.

    Schämen sie sich !

    Aber ich wette sie sprechen im Sillen jetzt 3mal das heilige "Die Partei die Partei die hat immer Recht".

     

    Ein Linker

    jedoch nicht im Sinne der LINKEN(alias SED>PDS>LINKE)

  • F
    Farbenseher

    Tja, "brodersen" (omfg), das könnte damit zusammenhängen, das man Schavan Palgiatismus und Wulff Vorteilsnahme im Amt nachgewiesen hat, während man bei Gysi bisher lediglich feststellen konnte, dass er Dissidenten beim Verlassen der DDR unterstützt und zu diesem Zweck auch Kontakt mit dem MFS gehabt hat.

     

    Warum zum Geier sollte er zurücktreten? Würde er auf der anderen Seite des politischen Spektrums stehen, man würde ihn ob seiner "Heldentaten", ja quasi als Helfer bei der Flucht aus der Diktatur auf Schultern tragen und ihm Kränze flechten. Gerade angesichts der Tatsache dass ja selbst aus der Vita eines Heuchlers wie Gauck eine Freiheitskämpfer-Legende gestrickt wird.

     

    Diese Kampagne ist einfach nur pervers und sie währt nun 20 Jahre, unfassbar.

  • W
    wetterleuchten

    Es ist diese verfluchte Selbstgerechtigkeit bei konservativen und wertkonservativen Politikern, die immerzu nach Rache und Schuld rufen. Dann gibt es da wohl auch noch die psychisch Kranken, die unbedingt den Gysi gesellschaftlich vernichten wollen.

    Und es gibt immer noch die unaufgeklärten Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ! Vielleicht sollte einmal der gesamte Ehrgeiz dieser Politiker und unserer Justiz auf dieses Verbrechen gelenkt werden, um die Dimension der Verbrechens-Verhältnisse den heutigen Menschen bewusst zu machen!

  • B
    brodersen

    Ach, der Gysi muß nicht zurücktreten? Bei Wulff, Schavan und Co. hörte sich das von der taz ganz anders an. Klar, es waren ja auch keine Linken, die stehen ja in diesem Blatt auch unter Naturschutz!

  • P
    Paul

    Erstaunlich. Von R.Schröder war schon mal fast das Gegenteilige zu lesen.

    Im Übrigen frage ich mich immer noch manchmal, was in meinem Leben hätte falsch laufen müssen, daß ich hergehe und den Westdeutschen auf diese hochaggressive, oft verdammt kenntnisfreie Weise ihr Leben erkläre und bewerte. Und denen mitteile, was sie alles anders hätten machen müssen. Ist mir schwer vorstellbar.

     

    Das waren und sind doch alles nur unreflektierte Projektionen. Das Böse, das Verlogene, das Unanständige,... hat gefälligst bei den anderen zu sein. Bei mir schaue ich besser nie. Könnte ja sein, daß ich da auch fündig werde.

     

    Bin gespannt, wie die Reaktionen ausfallen, wenn das Gericht Gysi entlastet. Wird interessant werden mit den Zurückruderern. Der andere Fall natürlich nicht minder.

  • P
    Peter

    http://www.faz.net/aktuell/politik/hessischer-landtag-zeitweilig-ein-drittel-der-abgeordneten-ehemalige-nsdap-mitglieder-12086247.html

     

    Man kann noch vieles mehr aus der Schublade ziehen. Gegen so ziemlich jeden in der Politik. Wenn Schlammschlacht, dann richtig, würde ich sagen.

  • I
    Ihr-Name

    Respekt, Herr Schroeder.

  • IE
    IM Erika

    @ sol1

     

    Privileg? Gysi war Sohn. So ist das manchmal (Siehe Strauß/Hohlmeier).

     

    Mandanten fragen? Wer?

     

    Geht's um Aufklärung - oder doch posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED) - Lengsfeld, Maron, Biermann: Am Ende muss Gysi schuld sein. An eigener rechter Selbstgerechtigkeit.

  • R
    r.kant

    Aber die Linke war doch bei zu Guttenberg, Schavan und Wulff auch ganz vorne bei den Vorverurteilungen, Bei Frau Tschäpe auch. Aber wenn den eigenen Mann trifft regt man sich darüber auf. Aber so sind halt die Linken. Ich verstehe eh nicht wie man noch auf Gysi setzen kann, seine Doktorarbeit mag zwar nicht plagiiert sein, aber wenn man nicht genau wüsste das die in der DDR gefertigt wurde könnte man denken das die aus dem Dritten Reich kommt, die trieft geradezu nach Faschismus.

  • S
    sol1

    "Allerdings ist nicht jeder seiner damaligen Mandanten für diese Frage heute ein verlässlicher Zeuge. Manche betreiben gelegentlich kreative Geschichtsdeutung zu seinen Lasten."

     

    Unsinn!

     

    Sie stellen die Fragen, die sich jedem aufdrängen, der sich mit Gysis privilegierter Stellung im SED-Staat auseinandersetzt. Welchen Grund hätte es für die Stasi geben sollen, nicht nur ein Phantom namens "IM Notar" zu kreiieren, sondern ihm auch noch eine Urkunde zu verleihen?

     

    "Da er wenig erzählt, aber viel klagt und in diesem Felde jede Selbstkritik vermeidet, ist er nicht ganz unschuldig an der Dunstwolke von Mutmaßungen und Bezichtigungen, die ihn umgibt."

     

    Gysi hatte zwei Jahrzehnte Zeit, reinen Tisch zu machen. Seine Schutzbehauptungen sind so albern wie die einer Schavan.

     

    "»Das habe ich getan«, sagt mein Gedächtnis. »Das kann ich nicht getan haben« – sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach." (Friedrich Nietzsche)

  • S
    Starplus

    Dieser Artikel erinnert ein wenig an diese ganzen Unternehmerinnen-Treffen: Frauen sprechen vor Frauen ueber Frauen und fordern brav eine Frauenquote. Hier lallt ein Linker vor einer stramm linken Leserschaft irgendwas ueber einen Linken und bekommt dafuer Applaus von der linken Leserschaft. Toller Journalismus.

  • V
    vic

    Bizarr, wie hier bspw. in der taz nicht nur ueber die NSU, sondern auch ueber Bruederle und Schawan sofort und ohne jede Hemmung vorverurteilt wurde. Aber wehe, ein Linker steht im Kreuzfeuer der Kritik, dann sind es die boesen Medien und die boesen Rechten, die dem guten Gysi, ach was dem ganzen Osten, alles nur Boeses wollen, dann wartet man auch brav ab, bis die Staatsanwaltschaft gesprochen hat.

     

    Ein lahmer, realitaetsferner, typisch links-dummer Beitrag. Sehr vorhersehbar, nur noch zum Gaehnen.

  • J
    Jan

    @ Toni

     

    Herr Gysi hat keinen Mord begangen. Bedenken Sie bitte, wer hier geklagt hat, und bedenken Sie ob es sich nicht vielleicht doch nur um das Hervorkramen "alter Vorwürfe" zur Diskreditierung der Partei Die LINKE im Wahlkampf ist.

     

    @ Marc von welcher Kampagne sprechen Sie?

    Außerdem Frau Schavan war "Wissenschaftsministerin"- keine Person ist für Studenten als für sie verantwortlich tragbar, wenn auch nur Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit besteht.

     

    Sie muss alle Wähler vertreten Herr Gysi ist nur seiner eigenen Wählerschaft verpflichtet.

     

    Herr Gysi ist mit Verlaub, nur Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Halten sie eigentlich DIE LINKE alle Verfassungsfeinde, denn so werden sie in der Öffentlichkeit immer wieder dargestellt. Nicht zuletzt von der FDP, die sich immer zu Gesprächen "mit allen demokratischen Parteien" bereit erklärt, und dabei DIE LINKE implizit ausschließt. Das solche Äußerungen keine Wellen schlagen zeigt doch, wie die deutsche Öffentlichkeit allen voran die Staatssender ARD und ZDF zu Systemkritik unfähig sind.

  • NS
    Nicht schlecht,

    aber bei der Hetze gegen Gysi hätte die Überschrift faireweise "Unbelegte Beschuldigungen und Vorverurteilungen vor der Wahl" geheißen.

     

    Die Mitarbeit an der Aufklärung der DDR- Vergangenheit würde man sich von Frau Merkel übrigens wünschen, aber die läßt lieber Beiträge des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens verbieten.

    Die Grünen halten sich schön raus, Demokratie ist für sie inzwischen auch hinderlich für ihre Wahlergebnisse.

  • W
    Wüstenratte

    Guter Artikel. Man wird nichts finden, weil es nichts zu finden gibt. Es ist nur arg befremdlich, daß man dies schon über 20 Jahre probiert nach dem Motto es kann nicht sein, was nicht sein darf. Besonders vor Wahlen grenzt das doch schon eng an Rufmord.Über die Reiseprivelegien unsers Bundesgaucklers zu DDR-Zeiten wundert sich niemand,seltsam seltsam, gelle IM Larve.

  • D
    Dagmar

    @ von viccy

    Dem stimme ich ebenfalls zu. Ein weiser Artikel. So etwas bekommt man sehr selten zu lesen. Vielen Dank.

  • D
    durga

    man wird nichts finden ,wieder mal medienhetze.wer hat angst vor sozialer intelligenz?

  • T
    @Toni

    Ja, natürlich wird hier mit zweierlei Maß gemessen! Denn Gregor Gysi hat nicht mehr als ein halbes Dutzend Menschenleben auf dem Gewissen. Hören sie also endlich auf rechts und "links" (wenn es so etwas überhaupt gibt), immer wieder gegeneinander aufzurechnen.

     

    Zum Fall an sich: Sollte sich der Verdacht bzgl. Gysis Vergangenheit bestätigen, wäre das einzige, was man ihm vorwerfen kann, dass er nicht schon längst dazu gestanden hat. Die Staatssicherheit war letztlich ein Geheimdienst wie jeder andere auch, mal sehen, was man "nach dem Zusammenbruch des Kapitalismus" noch so alles über BND, Verfassungsschutz und MAD zu berichten und enthüllen hat. Jeder sollte sich immer wieder fragen, ist es wirklich von Nöten ist, mit staatlichen Sicherheitsorganen zu kooperieren oder ob man doch etwas häufiger auf sein Gewisen hören sollte.

  • T
    treibsand

    Herr Schröder überrascht zunächst. Gerechtigkeit gegen jedermann?

     

    Man muss wissen: Richard Schröder war einer derjenigen, die eine konstruktive Auseinandersetzung mit SED-Unrecht und den Nachwendeentwicklungen in Neufünfland durch rechts-populistische Vereinfachungen maßgeblich vergiftet und die Entwicklung demokratischer Substanz durch echte Teilhabe erschwert haben. Er gehört zu jenen, die das 89er Erbe verschleudert haben.

     

    Nun beginnt er gegenüber seinen einstigen Feinden zu differenzieren. Selbstentlastung? Sicher nicht. Und sie käme zu spät. Auch für seine SPD im Osten. Die Gysi-Kampagne als Wahlhilfe für die Linke zu bezeichnen, zeigt seine eigentliche Sorge.

     

    Wer ist sein Adressat? Seine Mit-Ossis kaum. Vor deren trotziger Solidarität will er warnen. Das nannte man früher Heuchelei.

  • T
    Teermaschine

    Leider findet viel zu selten eine solche Meinung der bloßen Vernunft den Weg in die taz. Aber wahrscheinlich löst allein die nüchterne Feststellung, dass die DDR ein Unrechtsstaat war (und allein unter den Bedingungen des Pankower Regimes ist Gysis Verhalten zu bewerten), beim pöbelnden Fußvolk des PdL-Politbüros empörte Schnappatmung aus.

  • P
    pauli

    richtiger und guter artikel, ABER gilt das auch fuer politiker der cdu/csu und vor allem der fdp?

  • M
    Marc

    Ja, so gehört sich das für eine linke Tageszeitung. Bei Gysi im Zweifel für den Angeklagten, bei Schavan im Zeifel sofort eine Kampagne.

  • J
    Jupp

    Verheerend ist in dieser Sache der Eindruck, den ein Teil der Presselandschaft über sich selbst hinterlassen hat.

     

    Die "Bild" mag zwar in den letzten Jahrzehnten an Lesern verloren haben, aber dafür ist ihre Machart allüberall zu finden.

     

    Das war früher zumindest etwas versteckter - scheint mir.

  • T
    Toni

    "Ich persönlich warte mit meiner Einschätzung ab, bis die Staatsanwaltschaft gesprochen hat. Sie weiß möglicherweise mehr als ich und kann zweifellos gründlicher ermitteln und gewichten als so mancher Möchtegern-Richter in Redaktionsstuben."

     

    Das gilt natürlich nicht für den "NSU-Fall" und Beate Zschäpe. Da darf im "kampf gegen rechts" ruhig mal vorverurteilt werden und da darf darf man auch ruhig mal so Wörter wie "mutmaßlich" weglassen.

    Das soll kein Pladoyer sein, aber hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

  • V
    viccy

    Ein sehr gut geschriebener, sehr klarer und überzeugender Artikel! Kompliment!