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Kommentar EU-WasserprivatisierungEin Erfolg und viele Heuchler

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Das Einlenken der EU bei der Wasserversorgung ist ein Verdienst der Privatisierungsgegner. Und es macht Mut. Auch wenn es von Verlogenheit begleitet wird.

E s ist ein politischer Erfolg, der seinesgleichen sucht: Innerhalb weniger Monate hat ein europaweites Bündnis von Privatisierungsgegnern die EU-Kommission zur Kapitulation gezwungen. Die Pläne, auch die Wasserversorgung den Regeln des Binnenmarktes zu unterwerfen, sollen aufgegeben werden, kündigt der zuständige Kommissar Michel Barnier an – und begründet das explizit mit dem öffentlichen Druck.

In vielen Staaten waren die Menschen dagegen auf die Straße gegangen. Überall mussten sich Politiker für die Pläne rechtfertigen. In Rekordzeit hatte eine EU-Bürgerinitiative zu diesem Thema die Zahl von einer Million Unterzeichnern erreicht, die für eine offizielle Befassung mit dem Thema notwendig ist.

Dass die EU nachgeben musste, macht Mut. Denn die Lobby der Wasserkonzerne, denen durch Privatisierungen langjährige, sichere Gewinne gewunken hätten, ist in Brüssel einflussreich. Um diesem Druck zu widerstehen, war ein enormer Gegendruck von unten notwendig. Die enge Zusammenarbeit von Gewerkschaften, örtlichen Bürgerinitiativen, linken Parteien und kommunalen Unternehmen hat sich gelohnt.

Bild: taz
Malte Kreutzfeldt

ist Parlamentsredakteur der taz mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Umwelt. Er twittert unter @MKreutzfeldt.

Schwer erträglich ist indes die Verlogenheit, die diesen Erfolg begleitet. EU-Kommissar Barnier hält an seiner längst widerlegten Behauptung fest, dass die geplante Richtlinie gar nicht zu mehr Privatisierungen von öffentlichen Wasserversorgern geführt hätte. Zurückgezogen werden die Pläne demnach nicht, weil sie falsch waren, sondern weil die dummen Bürger sie falsch verstanden haben.

Kehrtwende bei Schwarz-Gelb

Und die schwarz-gelbe Bundesregierung stellt sich jetzt an die Spitze der Kritiker und begrüßt die Herausnahme der Wasserversorgung aus der umstrittenen Richtlinie. Dabei hatte das zuständige Wirtschaftsministerium bisher in Brüssel genau gegen diese Forderung gestimmt – und Privatisierungen wegen angeblich sinkender Preise sogar begrüßt. Die Union hatte bis zuletzt Barniers Behauptung gestützt, dass von der Richtlinie gar keine Gefahr ausgehe.

Doch diese Heuchelei ist wohl eine logische Konsequenz aus dem Sieg der Privatisierungsgegner. An einem so klaren Erfolg wollen eben alle beteiligt sein – egal wie sehr das der Realität widerspricht.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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12 Kommentare

 / 
  • MU
    Mensch Ueli

    Feedback Presseclub Gesprächssendung von und mit Malte Kreutzfeldt, taz.die Tageszeitung...!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

     

     

     

    ...man bedenke dies Wort...

     

    Denn von dem Zorneswein ihrer

     

    Hurerei haben alle Völker getrunken,

     

    und die Könige auf Erden haben mit ihr

     

    Hurerei getrieben , und die Kaufleute

     

    auf Erden sind reich geworden von

     

    ihrer grossen Üppigkeit.

     

     

     

    OFFENBARUNG 18; 3

     

    BIBEL

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @Mensch Ueli:

      Guten Tag, ich weiß leider nicht, was Sie (mir) mit diesem Kommentar sagen wollen.

  • F
    foobar

    Ich hätte mir gewünscht, dass in diesem Artikel auf das Abstimmungsverhalten im deutschen Bundestag verlinkt wird. Schliesslich haben wir so eine transparente Plattform:

     

    http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp?id=213&url=/na/na/fraktion.form&controller=fraktion

  • KM
    kritischer Mensch

    Wie haben die Parteien so gerne gesagt;

     

    Konkurrenz belebe das Geschäft und die Konkurrenz ist eifrig unterwegs Konkurenten auszuschalten um die Monopolstellung zu halten und so mit den Preisen machen zu dürfen was sie wollen.

     

    Der Staat greift da nicht ein, er verdient ja gut an den Steuern, dem Staat ist doch egal woher das Geld kommt. Der Staat hat so viele Schulden, die müssen irgendwie gezahlt werden. Reicht es nicht aus, erfindet man neue Möglichkeiten Geld vom Bürger abzuziehen, natürlich von den Kleinen, die trifft es ja auch immer am härtesten.

     

    Wie die Regierung es nur immer wieder hin bekommt, das die Menschen glauben, die Wirtschaft boome. Wie kann sie boomen wenn die meisten Leute kaum Geld zum Überleben haben.

     

    22.06.2013 21:07 UHR

    von nero:

    an nero zu:

    hemmungslosen Privatisierungsfeldzug, marktradikale "Reformwut" ist der Untergang Europas.

     

    Nero, das ist doch genau das was unsere Kanzlerin immer will, sie und die Lobbyisten natürlich, weil es in den div. Staaten auch Deutschland angeblich die Staatskassen entlaste. Wen kümmert da noch, wie unsere Bürger vor allem unsere Rentner das zahlen sollen.

     

    Aber siehe Italien, Griechenland, Spanien, Zypern und andere sind den enormen Sparparolen gefolgt und was wurde aus diesen Ländern ?

     

    EU Export Import ist ja ok, nur dieser EURO hätte nie sein dürfen. Griechenland kam super klar mit ihrer eigenen Währung, ruiniert hat sie der Euro.

     

    Das mit dem Euro- der Einheitswährung war der Deal Kohl und Frankreich und Frau Merkel hat diesen Deal durchgezogen und redet uns ein, wie gut und wichtig der für uns sei.

  • N
    noevil

    Hoffentlich gerät dieser Rückzieher von Herrn Barnier nicht zu einem "von hinten durch die Brust ins Auge" wie der angebliche Rückzieher von Monsanto vor kurzem, dem hier so recht keiner glaubt.

     

    Aber zugegeben, es hört sich schon erfreulich an.

     

    Durch den Einwurf von Erwin Pelzig/Markus Barwasser in "Neues aus der Anstalt" (Beifall!) wurde ich aufmerksam und konnte mich der Petition anschließen, die sich jetzt Aigner und Co. ans Dirndl heften wollen.

     

    Diese dürfen sicher sein, dass wir Bürger aufgewacht und auch künftig dankbar sind für alle Hinweise, die wir ebenso wachen Medien entnehmen können. Und unser kritisches Augenmerk wird sich künftig immer wachsamer nach Brüssel richten, damit uns da nichts Lobbyistengesteuertes mehr durch die Lappen geht. Vielleicht spendiert uns die TAZ auch einmal eine Extrasparte "EU/Brüssel".

  • RS
    Rolf Steinberg

    Was wundern wir uns über die Eingriffe und Vorschläge der EU-Kommission. Jahrelang haben die Parteien ihre hier ach so "verdienten" Parteifreunde nach Brüssel delegiert um Ruhe zu haben. Man dachte dass sie dort ihren Unsinn verzapfen können. Leider falsch geplant!

    Jetzt schlagen die so hoch gelobten Parteigenossen zurück.

    Vergleichen Sie einmal wen Deutschland in den letzten 5 Jahren geschickt hat und in welchen Kommissionen die heute sitzen, sie sogar als EU-Kommissar leiten.

    Hat man hier den Bock zum Gärtner gemacht?

    Seien wir wachsam und stärken wir den Bürgerwillen!

  • N
    nero

    Das ist hoffentlich der Beginn einer europäischen politischen Kultur, die dem hemmungslosen Privatisierungsfeldzug der neoliberalen Fundis im Rat und in der Kommission Paroli bietet. Dank der ausdauernden Bemühungen von Wassertisch, GiB und „Wasser ist ein Menschenrecht“ sind die undurchsichtigen Machenschaften korrupter Entscheider an die Öffentlichkeit gebracht und von vielen Menschen erkannt worden.

    Großer Dank an alle, die hier im Interesse der europäischen Bevölkerung eine gewaltige private Abzockerei verhindert haben.

     

    Vorsicht allerdings! Nicht zu früh jubeln!

     

    In vielen Demokratien ist es ein übler Brauch, dass die endgültige Fassung des Gesetzestextes in einer allerletzten Überarbeitung durch die entsprechenden Lobbyisten so entscheidend verändert wird, dass ein Schlupfloch ensteht, das den heute bejubelten Erfolg zunichte macht.

     

    Wichtig ist es, dass vor Ort unsere Fachleute Einsicht und Einspruchslegitimation haben, um die zu erwartenden miesen Tricks der Privatisierer aufzudecken und zu verhindern.

     

    Außerdem ist die marktradikale "Reformwut" in Brüssel und Berlin in vielen anderen Bereichen weiterhin wenig gebremst (z.B. Verkehr), und der von oben gesteuerte Umbau der Infrastrukturen sollte europaweit von den Menschen thematisiert werden, bevor sich die einzelnen Völker mit nationalen Parolen gegen Europa und gegeneinander aufhetzen lassen.

  • I
    Irmi

    Ist uns leider bewusst, das Politik verlogen ist.

     

    Würden da mehr Demos und Forderung auf mehr Volksentscheide helfen ? Schließlich geht es ja um unsere erarbeiteten Steuern. Die Regierung wurde gewählt um zum Wohle des Volkes zu handeln, unser Geld gut zu verwalten, aber dieser Grundsatz scheint längst keine Gültigkeit mehr zu haben.

  • ML
    Mac Lennox

    Ich bin sehr erfreut, dass diese Richtlinie durch das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger zurückgezogen wurde.

     

    Ein klitzekleines Stückchen des Erfolges hefte ich auch an mein Revers, weil ich die entsprechende Online-Petition mit meinem Namen und Anschrift versah.

     

    Außerdem zeigt dieses Ereignis, dass gemeinsames Handeln von vielen, vielen Menschen nützlich und hilfreich sein kann. Es wirkt dem oft gehörten Satz entgegen: "Die da oben machen doch sowieso was sie wollen." Nein, nicht immer, wenn man sich engagiert und demokratisch legitimiert handelt.

  • HS
    h s

    "Niemand hat die Absicht, die Wasserversorgung zu privatisieren".

     

    Also wachsam bleiben.

  • V
    vic

    Ein großartiger Erfolg.

    Dass Barnier und die Bundesregierung das nun für sich beanspruchen- geschenkt. Die meisten wissen es besser.

  • H
    Hasso

    Gut, dass man den "Phäaken" nicht alles in den Rachen wirft. Wenn es nur wollte, das Volk, würde alles viel besser laufen. Z.B. Wie 41%? Ab morgen nicht mehr! oder wie "5% für Mövenpick" ab morgen nicht mehr!