piwik no script img

Kommentar AfD und VerfassungsschutzDie ganz falsche Hoffnung

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Der Verfassungsschutz soll sich des Pegida-Problems annehmen, fordern SPD-Obere und CDU-Vize Armin Laschet. Sie machen es sich zu leicht.

Kann nicht einfach an die Sicherheitsbehörden weitergereicht werden: Pegida in Dresden Foto: dpa

J etzt also wird auf Härte geschaltet. Lange hat die regierende Politik die rassistischen Tiraden von Pegida als ernst zu nehmende Sorgen getätschelt, die Dauerparole der AfD von der „unkontrollierten Masseneinwanderung“ belächelt. Nun, unter dem Eindruck des Messerattentats in Köln, holen die SPD-Oberen, holt selbst der CDU-Bundesvize Armin Laschet den vermeintlich schwersten Hammer raus: Der Verfassungsschutz soll sich des Ärgernisses annehmen.

Die Grundlage dafür steht außer Zweifel. In Zeiten, in denen Pegida mit Galgen aufmarschiert und Flüchtlinge als „Invasoren“ schmäht, in denen ein AfD-Landeschef die „tausendjährige Geschichte Deutschlands“ verteidigen will und Angestachelte zu Gewalt greifen, da sind beide Phänomene längst ein Sicherheitsproblem, natürlich.

Nur: Als Lösung dieses Problems ausgerechnet auf den Verfassungsschutz setzen? Wir erinnern uns: Die Behörde, die hinter den NSU-Morden jahrelang keine Neonazis erkannte, mehr noch die Gefahr eines rechtsextremen Terrorismus beständig bestritt. Die lieber die eigenen Szene-Informanten schützte, als gewonnene Informationen zur Verbrechensbekämpfung weiterzugeben. Die kurzum in ihrem Auftrag ein Frühwarnsystem zu sein, jämmerlich versagte. In diese Behörde nun die Hoffnung zu setzen, die lästige Anti-Asyl-Bewegung loszuwerden – abstrus.

Die das fordern, machen es sich zudem zu leicht. Statt das Problem an die Sicherheitsbehörden weiterzureichen, braucht es tatsächlich harte Kante – aber gesellschaftlich und politisch.

Soll die Hetze enden, hilft nur ein klares Benennen und Ausgrenzen des Rassismus, ein offensives Verteidigen demokratischer Werte und des Pluralismus, ein steter Gegenprotest auf den Straßen, um den Pegida- und AfD-Anhängern das Gefühl von Macht und „Volkes Stimme“ zu nehmen. All das ist ungleich aufwendiger, als das Problem einfach dem Verfassungsschutz zu übergeben. Aber nur so wird sich etwas verändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Höcke wörtlich: "Ich will, dass Magdeburg und dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit haben. Ich will, dass sie noch eine tausendjährige Zukunft haben, und ich weiß, ihr wollt das auch". Noch Fragen, Herr Thomsen ?

  • Man kann natürlich darüber verschiedener Meinung sein, aber wenn man mit dem König und Kaiser Otto I beginnt, dann kommen wohl mehr als tausend Jahre deutscher Geschichte zusammen - wo ist das Problem?

     

    bei höckes Satz geht es hauptsächlich einfach um die Geschichte unseres Landes, d.h. die Vergangenheit, während das "1000jährige Reich" der Nazis doch für die Zukunft geplant war.

     

    Im Eifer des Gefechtes kann man das aber schon einmal verwechseln:

    facts don't matter, once the campaign has started, und Linke wissen wohl sowieso wenig von Geschichte, denken vielleicht auch mehr assoziativ ...

  • Pegida hat doch vom Verfassungsschutz und Polizei absoulut nichts zu befürchten, von tatkräftiger und finanzieller Unterstützung einmal abgesehen.

     

    In der Springerwelt kam dieser Kommentar nicht nicht durch den Filter.

    Darf ich das hier so stehen lassen? :)

  • Ebenso ist es notwendig, diejenigen Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, die hinter den fremdenfeindlichen Einstellungen stecken und zu ihnen führen. Das sind nämlich mindestens zum Teil auch wirtschaftliche. Heinz Bude hat im September eine exzellente Analyse dazu in der FAZ veröffentlicht: http://www.faz.net/aktuell/politik/denk-ich-an-deutschland-1/wenn-systemkritik-proletariat-und-mittelstand-eint-13797245.html

     

    Der Artikel zeigt mit bestechender Klarheit die Faktoren auf, die das Misstrauen gegenüber der Demokratie bewirken, welches hier Geringverdiener ohne Hoffnung auf sozialen Aufstieg und hoch gebildete, aber karrieretechnisch in ihren eigenen Augen auf der Strecke gebliebene Mittelschichtler im Hass gegen Flüchtlinge vereint. Solange wir diese Positionen nicht ernstnehmen, werden wir nur wenige überzeugen, von der Ausgrenzung Schwächerer Abstand zu nehmen.

     

    Sehr lesenswert.

  • Jetzt geht ihnen der Arsch auf Grundeis. War lange nicht der Fall.

  • Es gibt zu dem Thema eine ausgezeichnete neue Broschüre des geschätzten Autors Felix Korsch, die bei der Rosa Luxemburg Stiftung erschienen ist und auf niederschmetternde Weise bestätigt, wie absurd die Annahme ist, der Verfassungsschutz genannte Inlandsgeheimdienst könnte hier irgendetwas Vernünftiges zustande bringen: online hier http://www.rosalux.de/publication/41812/pegida-und-der-verfassungsschutz.html und auch als Druckversion bestellbar....

  • @BitBändiger + @ Jaimie James: Meiner Meinung nach haben Sie recht. Nur wird nach meiner Befürchtung schon dies - obwohl es schon eine Mammutaufgabe ist - nicht (mehr) ausreichen.

     

    Wichtig wäre nämlich - einerseits - so etwas wie ein gesellschaftlicher Diskurs darüber, was Hitler und seine "Bewegung" sowie die Helfershelfer verbrochen haben (das Bewusstsein dafür erscheint mir in weiten Teilen der Deutschen zerbrechlich zu sein, wenn man nicht Inszenierungen zu bestimmten Gedenktagen, sondern den Alltag als Maßstab nimmt, und wenn man nicht nur in der satuierten Mitte der Bevölkerung, sondern auch die in den Blick nimmt, die entweder tatsächlich oder "gefühlt" arm, benachteiligt usw. sind).

    Warum wäre dies notwendig? Um klar und deutlich sowie unmissverständlich im Bewusstsein der allergrößten Mehrheit fest zu verankern, dass wir dies, inkl. des philosophisch - soziologisch - politischen "Vorlaufs" (rechtskonservativen Denkens und Handelns) in Form bspw. der unterschwelligen Gewalt, des blinden "Befehl + Gehorsam"-Denkens, der gesellschaftlichen "Verdrängungen" nicht haben möchten.

     

    Und andererseits müsste die Aussen- und Entwicklungshilfepolitik gänzlich "umgekrempelt" und auf eine andere Basis gestellt werden (keine Kooperation mit Despoten und Diktatoren, keine Hilfe für korrupte Machthaber, solide und konsequente Hilfe von aussichtsreichen Hilfsmaßnahmen vor Ort).

     

    Und dies ist eher eine Herkules-Aufgabe, weil heutiges Denken und Handeln hier bei uns in Frage gestellt und grundlegend geändert werden müsste.

     

    Also, "rechts" nicht nur bekämpfen, sondern auch "das Wasser abgraben".

    • @Der Allgäuer:

      "die Aussen- und Entwicklungshilfepolitik gänzlich "umgekrempelt" ... (keine Kooperation mit Despoten und Diktatoren)."

       

      Sehr gut ! Und jetzt geben Sie bitte mal ein konkretes Beispiel für z.B. Nigeria, Sudan, Eritrea etc. Aber bitte realisierbare Vorschläge mit Substanz die natürlich auch unseren moralischen Werten entsprechen, heisst:

      - kein direkten militärischen Interventionen

      - keine Waffenlieferungen an Bügerkriegsparteien

      - kein Aufoktroyieren westlicher Gesellschaftsysteme

      - ...

      Also jetzt los, bitte, würde mich echt interessieren

    • @Der Allgäuer:

      Ihren und @ANTEATERs Ausführungen zur Außen- und Entwicklungspolitik stimme ich uneingeschränkt zu.

       

      Ich schließe natürlich auch nicht aus, bei den Mitläufern der braunen Bewegungen durch Aufklärung ein Umdenken anzustreben. Das eigentliche Problem sind aber einerseits die dumpfbackigen saufenden, gröhlenden und marodierenden Mitläufer, bei denen ein ansprechbarer Intellekt zumeist nicht mehr auffindbar ist, und andererseits die nun wahrlich nicht dummen Strippenzieher, die auf der Unbedarftheit ihres Fußvolks ihre Machtansprüche aufbauen.

       

      Zur Erinnerung: Die NSDAP kam seinerzeit ganz legal und demokratisch an die Macht. Und ich habe nicht den Eindruck, der deutsche Rechtsstaat hätte seitdem dazugelernt. Jedenfalls bekämpft man Nazis nicht, indem man - wie die CSU - sich bei deren potenziellen Wählern anzubiedern versucht. Wenn dies als Kritik an der realitätsfernen Hasenfüßigkeit der deutschen Justiz - bis ganz oben - verstanden wird: Es ist so gemeint.

    • @Der Allgäuer:

      Sie sprechen die Außen- und Entwicklungshilfepolitik an. Wir sollten auch unsere Subventionierungspolitik beenden, die es ermöglicht z.B. Hühnerteile, die hier schlecht zu vermarkten sind, zu Dumpingpreisen in Afrika verkauft werden, um somit dann erst "Wirtschaftsflüchtlinge" zu erzeugen. Oder das Leerfischen der Küsten Afrikas. Schnittblumenanbau in Afrika, nur damit man hier im Supermarkt den Strauß Blumen für einen Euro bekommt?

       

      Das hat alles nicht direkt mit Entwicklungshilfe zu tun, ist aber, für Afrika zumindest, zerstörerisch.

      • @anteater:

        "z.B. Hühnerteile, die hier schlecht zu vermarkten sind, zu Dumpingpreisen in Afrika verkauft werden"

        ---------------------------------------------

        Vielleicht eine dumme Frage aber, wenn dass ein Problem ist, warum können denn solche Länder ihre eigene Wirtschaft nicht mit entsprechenden Einführzöllen schützen?

      • @anteater:

        Ja, unbedingt. Ich frage mich die ganze Zeit, warum nicht permanent, immer und immer wieder auf die aberwitzige Subventionspolitik und die Handelszölle hingewiesen wird, die ein Großteil des Elends verursachen.

        Letztlich haben die Leute, die am Ende das alles auszubaden haben, recht wenig mit den Ursachen zu tun. Das da große Angst und Unsicherheit herrscht (die sich hervorragend nutzen lässt), ist für mich nur zu verständlich.

      • @anteater:

        Ja, Sie haben mit Ihren guten Beispielen natürlich recht. Durch unsere nationale und übernationale, durch die EU finanzierte Subventionspolitik machen wir die Armen noch ärmer.

         

        Anschliessend wundern wir uns, dass auch sie bzw. eines ihrer Kinder zu uns kommt und bei uns leben und arbeiten möchte.

  • Ganz formal ist nicht von der Hand zu weisen, dass der - nein, EIN Verfassungsschutz sich dringlich mit diesen "besorgten Bürgern" befassen müsste. Nur leider teile ich Ihre Befürchtung, Konrad Litschko, dass die hinreichend bewiesene, chronische und vielleicht gar systematische Rechts-Blindheit des real existierenden deutschen Verfassungsschutzes auch nicht ansatzweise ausgemerzt ist.

     

    Bliebe die Polizei. Nur gibt es leider auch dort - zumindest in bestimmten Bundesländern - eine erschreckende Indizienlage für eine braune Durchseuchung, wenn nicht gar Kumpanei (z.B. Ku-Klux-Klan-Mitgliedschaften).

     

    "Benennen", "Ausgrenzen", "Gegenprotest" geht den Nazis am Allerwertesten vorbei.

     

    Ich sehe nur eine Chance: Gründung einer speziellen handverlesenen, schlagkräftigen Ermittlungs- und Einsatztruppe. Denn unter dem Schutz einer blauäugigen Justiz entwickelt sich zunehmend ein asymmetrischer Krieg gegen die demokratische Gesellschaft.

  • Dem letzten Absatz finde ich herausragend treffend.

    Statt für ein Verbot zu plädieren, Verfassungsschützer zu engagieren oder mit dem gleichen Popularismus entgegenzuhetzen, sollte man langfristiger denken und sich der Bewegung mit starken Gegenprotesten und Kreativität stellen

    • @jaimie james:

      Und wer bitte soll sich da JEDEN Montag langfristig hinstellen?

    • @jaimie james:

      Jepp, nur so wird es auch langfristig aus sein mit Pegida & Co.

       

      Die Gegendemonstrationen müssen viel mehr gefördert werden.

      • @Dennis Raue:

        "gefördert"? Wie bitte das? Mit Geld, damit es wieder und dieses Mal korrekt von PEGIDA heißt, dass die Gegendemonstranten bezahlt werden?

         

        Wäre ganz schön, sozusagen Berufsdemonstrant/in, um die Verfassung zu schützen. Aber doch etwas unrealistisch, oder?!? Aber, wenn ich drüber nachdenke: Es gibt ja Berufsnazis, um die Verfassung zu schützen... Damit wären wir wieder beim Verfassungsschutz...

      • @Dennis Raue:

        Sorry, aber nachdem ich zehn oder so Montage in Folge gegen den örtlichen Pegidaableger auf die Straße ging, merkte ich, dass irgendwie mein Haushalt ziemlich vernachlässigt war.

         

        Mir ist schleierhaft, wie jemand mit einem erfüllten Leben es allmontaglich auf die Straße schafft. Vielleicht haben die Pegidaraster einfach kein erfülltest Leben und ich persönlich wollte jetzt nicht unbedingt so 100% darin aufgehen, wegen diesen Sich-mit-einfachen-Antworten-Zufriedengebern das eigene Leben völlig auf den Kopf zu stellen. Insbesondere, wenn man stets nur in einer kleinen Gruppe ist und sich fragt, wo den der Rest der ca. 250.000 Einwohner ist, um als Zivilgesellschaft nicht nur den Pegidarastern zu zeigen, dass sie nicht DAS Volk sind, sondern auch den Ruf der Stadt intakt zu halten.

        • @anteater:

          Stimme ANTEATER voll zu, es schafft wirklich fast niemand JEDEN Montag wie diese PEGIDA-Deppen abends durch die Stadt zu laufen. Auch wenn man schon anfangs und seitdem oft dabei war, IMMER geht nicht und mir geht ehrlich gesagt auch die Lust flöten, auch wenn es meist ein nettes Kulturprogramm gibt und das ganze natürlich eigentlich SINN macht. Ich zumindest habe nicht (mehr) den Eindruck, dass ich dadurch irgendetwas positiv beeinflussen könnte. Im Gegenteil, weil in Dresden auch der Polizeischutz (für Gegendemonstranten) fehlt, kann es schnell auch lebensgefährlich werden, auch wenn man nicht zur Abenteuer-Antifa gehört.

           

          Siehe auch Berichte auf https://correctiv.org/blog/2015/10/23/rechtsextreme-gewalt-bei-der-pegida-demo-dresden/ und https://twitter.com/streetcoverage?lang=de&lang=de