Klimafolgen in Bangladesch: 25 Millionen Klimaflüchtlinge
Bangladesch verliert Klimaprognosen zufolge bald ein Fünftel seiner Fläche. Der General Munir Muniruzzaman erklärt, was das bedeutet.
Bangladesch ist ein Frontstaat des Klimawandels. Wir sind eines der verwundbarsten Länder. Als Soldat und Sicherheitsberater sehe ich große Probleme, die Bangladesch nicht allein bewältigen kann. Laut dem Bericht des Weltklimarates IPCC bedeutet ein Anstieg des Meeresspiegels im Golf von Bengalen um einen Meter, dass mein Land 17 bis 20 Prozent seiner Landfläche verliert.
Stellen Sie sich mal vor, was dies für ein Land mit 170 Millionen Einwohnern und der höchsten Bevölkerungsdichte der Welt heißt! Laut unserem Nationalen Strategiepapier zum Klimawandel wird mein Land dann 20 bis 25 Millionen Klimaflüchtlinge haben.
Die Verhandler in Paris sind gewohnt, in einer Komfortzone zu leben. Im Bangladesch ändert sich aber längst die Lage vor Ort. Der Meeresspiegel wird um einen Meter ansteigen. Das gilt als unumkehrbar, selbst wenn wir den globalen Temperaturanstieg auf 2 Grad beschränken können, woran ich Zweifel habe.
Syrien ist erst der Anfang
Europa tut sich jetzt schwer mit Tausenden Flüchtlingen aus Syrien. In Bangladesch werden es Abermillionen Flüchtlinge sein, die größte Massenmigration der Geschichte. Wie soll man damit fertig werden?
Wir spüren die Auswirkungen des Klimawandels schon in allen Bereichen unserer Wirtschaft, unseres sozialen Lebens und unserer Sicherheit. Die Zyklen des Monsuns ändern sich bereits und mit ihnen der Strom der Flüsse. Es kommt schon weniger Wasser in der Trockenzeit zu uns, während wir in der Regenzeit zu viel Wasser bekommen, was zu Überschwemmungen führt. Brauchen wir kein Wasser, bekommen wir zu viel, brauchen wir es, haben wir zu wenig.
ist pensionierter Generalmajor, Exsicherheitsberater des Präsidenten von Bangladesch und Vorsitzender des Global Military Advisory Council on Climate Change (GMACC).
Salziges Meerwasser dringt in die Ackerböden. Das wirkt sich auf unsere Agrarproduktivität und unsere Fischerei aus, von denen wir im Delta des Brahmaputra, Ganges und Meghna abhängen. Das sind unsere Lebensadern. Viele Menschen verlieren ihre Lebensgrundlagen. Die Lebensmittelsicherheit ist auf Dauer nicht gewährleistet, es wird deshalb zu Unruhen kommen.
Chaos und Spannungen
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Auch dies wird zu massiver interner Migration führen. Menschen werden in die bereits stark bevölkerten Städte ziehen, wo es zu sozialen Verwerfungen kommen wird. Die städtische Infrastruktur wird zusammenbrechen. Dies wird zu noch mehr Chaos führen. Die Migration wird auch grenzüberschreitend sein. Indien hat schon einseitig einen Grenzzaun auf 80 Prozent der 4.300 Kilometer langen gemeinsamen Grenze gebaut.
Die verstärkte Migration aus Bangladesch wird zu humanitären Katastrophen, zu Spannungen an der Grenze und zu möglichen Konflikten führen. Denn angesichts der Bevölkerungsgröße von Bangladesch wird jede Sicherheitsfrage nicht nur auf uns beschränkt bleiben. Dies wird die regionale und internationale Stabilität und Sicherheit beeinflussen, sich schnell ausbreiten und Südasien destabilisieren
Die Region hat schon eine Geschichte der Konflikte und zudem eine hohe Dichte von Atomwaffen. Jedes Zeichen von Instabilität könnte sich verheerend auswirken. Als Sicherheitsberater bin ich stark beunruhigt. Aber viele Menschen schauen weg, bleiben in ihrer Komfortzone und hoffen, dass es sie in ihrem Leben nicht mehr betrifft. Jeder reicht das Problem weiter. Dabei sind die genannten Probleme vorhersagbar.
Notiert von Ingo Arzt, übersetzt von Sven Hansen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!