Japanisches AKW darf ans Netz gehen: „Schämt euch!“
Die letzte Genehmigung ist erteilt: In Japan kann das erste AKW nach der Fukushima-Katastrophe wieder hochgefahren werden. Dagegen wird vor Ort demonstriert.
TOKIO ap/afp | Fast vier Jahre nach der verheerenden Katastrophe von Fukushima kann das erste Atomkraftwerk in Japan voraussichtlich Anfang 2015 wieder ans Netz gehen. Der Gouverneur von Kagoshima, Yuichiro Ito, gab dafür am Freitag die Genehmigung. Zwei Reaktoren der Anlage im südjapanischen Sendai könnten trotz der Bedenken einiger lokaler Anwohner wieder gestartet werden, sagte er. Für die Anlage gelten neue, strengere Sicherheitsvorkehrungen.
Seit der Katastrophe von Fukushima am 11. März 2011, die ein Erdbeben und ein anschließender Tsunami ausgelöst hatten, liegen alle 48 Atomkraftwerke des Landes still. Reparaturen und Sicherheitsprüfungen wurden vorgenommen. Ministerpräsident Shinzo Abe will trotz heftiger Proteste in der Bevölkerung als sicher erachtete Anlagen wieder in Betrieb nehmen lassen. Eine verlängerte Stilllegung schade der Wirtschaft, argumentiert seine Regierung.
Im September hatten erste Reaktoren die seitdem geltenden verschärften Sicherheitstests bestanden. Die Atomaufsichtsbehörde des Landes hatte einen entsprechenden Inspektionsbericht über die Atomanlage in Sendai abgesegnet. Damit nahm das von der Firma Kyushu Electric Power betriebene Atomkraftwerk eine wichtige Hürde, um als landesweit erste Anlage wieder an das Netz gehen zu können.
Die Ankündigung vom Freitag ist der letzte Schritt, bevor die Reaktoren dann voraussichtlich Anfang kommenden Jahres wieder in Betrieb genommen werden können. Einige Einwohner der Stadt Satsumasendai, in der die Anlage liegt, waren mit der Entscheidung nicht einverstanden. Rund 200 Menschen protestierten dagegen. Sie riefen: „Schützt das Leben der Einwohner“ und „Schämt euch“, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete.
Aktive Vulkane in AKW-Nähe
Sie sind vor allem wegen einiger noch aktiver Vulkane rund um die Atomanlage besorgt. Vulkanausbrüche seien nicht vorauszusagen, wie der kürzliche Ausbruch eines Vulkans im Norden Japans gezeigt habe, argumentieren sie. Wirtschaftsminister Yoichi Miyazawa sagte, es sei sehr wichtig, das Verständnis der örtlichen Bewohner zu gewinnen.
Japans Vorgängerregierung hatte unter dem Eindruck der Katastrophe in Fukushima die Atomkraft als Energiequelle aufgeben wollen. Damals hatte ein Beben der Stärke 9,0 vor der Küste von Tohoku einen verheerenden Tsunami ausgelöst, der wiederum zu Kernschmelzen in Fukushima führte. In der Atomanlage wurden vier der sechs Reaktoren zerstört, die Umgebung wurde verstrahlt. Zehntausende Anwohner mussten die Gegend vorübergehend verlassen.
Die Skepsis in der japanischen Bevölkerung gegenüber der Atomtechnologie ist durch die Katastrophe stark gestiegen. Erst Ende September demonstrierten in Tokio 16.000 Menschen gegen das Wiederhochfahren von Reaktoren. Die Regierung von Shinzo Abe befürwortet jedoch die Rückkehr zur Atomkraft, um den Energiebedarf des Landes zu decken. Es wird damit gerechnet, dass die Atommeiler in Sendai frühestens im nächsten Jahr ans Netz genommen werden.
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